Die Begegnung zwischen Frau und Mann

Die Begegnung zwischen Frau und Mann

Von der Dualität zur Polarität

Die Begegnung zwischen Frau und Mann
Autor: Alexandra Schwarz-Schilling
Kategorie: Mann/Frau
Ausgabe Nr: 66

Die Transformationsaktivistin Alexandra Schwarz-Schilling baut zur Zeit, als Modellprojekt in Brasilien, das holistische Heilungsbiotop Living Gaia auf. Thorsten Wiesmann traf sie zu einem Gespräch im Juni 2015 in den Prinzessinnengärten Berlin um mit ihr über das Verhältnis von Frauen, Männern und Mutter Erde zu sprechen. Mann und Frau sind für sie keine Gegensätze, sondern bilden eine Polarität, die nur als Ganze funktioniert und Kraft hat.

Thorsten Wiesmann: Du hast einmal gesagt, im linearen Weltbild, verkörpert durch monotheistische sogenannte Hochreligionen, müssen die Menschen etwas glauben. Doch wir müssen eigentlich nur dann etwas glauben, wenn wir es nicht selbst sehen, prüfen, anfassen, wahrnehmen, erleben und erfahren können. Solange wir uns unbewusst über die Natur stellen, können wir nicht mit ihr in den Dialog treten. Dabei begrenzen wir unser eigenes Potenzial. Wie tretet ihr in Dialog mit der Natur in dem Projekt zur gesellschaftlichen Transformation, das du mit anderen in Brasilien seit einigen Jahren aufbaust?

Alexandra Schwarz-Schilling: Ich erinnere mich, dass es für mich als Kind normal war mit der Natur zu kommunizieren. Ich bin dann wieder 1989 in Nordamerika darauf zurückgekommen, als ich bei Sun Bear, Moon Deer und Beth vom Bear Tribe lernte. Da wurde mir klar, dass es völlig natürlich ist, mit der gesamten Welt um uns herum in Austausch zu sein. Damals war ich Anfang 20 und hatte mich viel mit früheren Kulturen und mit Religionen beschäftigt, aber nirgendwo hatte ich diesen natürlichen Zugang zur Welt erfahren. Das Projekt Living Gaia ist für mich eine Rückkehr zu diesem Wissen, es schließt sich da ein Kreis. Das Land, was wir erworben haben, überstülpen wir nicht mit einem Masterplan, sondern schauen, was die Natur da wirklich will, was wir gemeinsam wollen. Zuerst muss das Bewusstsein entstehen, was das für ein Potential ist, wenn wir gemeinsam mit der Natur heilen, anstatt sie »nur« schützen oder »wieder reparieren« zu wollen. Die Abtrennung von der Natur ist unsere tiefste Verletzung. Wir haben Natur und Kultur gegeneinander ausgespielt, indem wir das eine auf- und das andere abgewertet haben. Genauso ist es auch mit Körper und Geist geschehen. Wir haben den Geist »verherrlicht« und den Körper kriminalisiert. Aus dieser Tendenz haben sich dann die Hochreligionen entwickelt, die von weisen Männern in Bücher niedergeschriebenen Abhandlungen, die nichts mehr mit dieser direkten Erfahrung zu tun haben, sondern die Gebote und Vorschriften einführen, die Gehorsam und Glauben einfordern.

Die Abtrennung von der Natur ist unsere tiefste Verletzung.

TW: Lass uns etwas darüber sprechen, wie Wertschätzung und Rollenverständnis in Beziehungen durch die Kultur, Gesellschaft und Politik vorgeformt werden. Unser Verhältnis zur Sexualität spiegelt unser Verhältnis zur Natur wieder. Das Magazin einer großen deutschen Zeitung brachte vor einiger Zeit eine Titelgeschichte über erfolgreiche Frauen mit einem verruchten Image. Die Überschrift hieß »Popstar werden und dabei anständig bleiben? Keine Chance.«

Werden so nicht medial Frauenbilder generiert, die die kollektive Verzerrung unseres erotischen Selbstverständnisses verstärken? Die positive Seite der weiblichen Emanzipation, die natürliche Verbindung von Lust und Liebe, wird im Sinne der Marktlogik umcodiert. Solche Inszenierungen spiegeln uns eben jene Entfremdung, vor der wir fliehen, und vermitteln uns, dass es ok ist so entfremdet zu sein. Es ist sogar erstrebenswert, weil es mit Erfolg und Beliebtheit verbunden ist. Wie kommen wir aus dieser verzerrenden Idealisierung bestimmter Frauenbilder heraus?

AS: Wir kommen nicht um das Aufarbeiten unserer Kulturgeschichte herum. Wir erleben all die Bumerangs dieser Entwicklung, Männer genauso wie Frauen, ohne zu wissen wo sie herkommen. Diese Bilder, die du erwähnt hast, sind die Konsequenz des Auseinanderreißens des Heiligen und des Erotischen. Das war keineswegs die ursprüngliche Absicht. Zunächst ging es darum die weibliche Sexualität zu kontrollieren, um die männliche Erblinie einführen zu können. Vorher orientierten sich die Kulturen an der weiblichen Linie. Seit dem Patriarchat ist der Krieg der Vater aller Dinge und dafür war die Zerstörung der matrilinearen Sippenstruktur eine Voraussetzung. In diesem Zusammenhang steht die Einführung der Ehe. Die Sexualität war noch nicht als solches verwerflich. Zunächst ging es nur darum, die Frau davon abzuhalten mehrere Liebhaber zu haben. Davon ausgehend wurde im Laufe der Zeit die regelrechte Zerstückelung des Weiblichen zunächst politisch durchgesetzt und später dann religiös gerechtfertigt. Dieser ganze Vorgang ist kollektiv immer noch vollkommen verdrängt. Um die Auseinandersetzung mit dem Umbruch zum Patriarchat werden wir langfristig nicht herum kommen, denn mit Verdrängtem verhält es sich kollektiv genau wie individuell: Solange wir die verdrängten Inhalte nicht bewusst machen, wiederholen wir sie in endlosen unheilvollen Schleifen und Variationen. Eine dieser Konsequenzen, die du beschrieben hast, das Aufspalten in sündig/verrucht und unschuldig/heilig, ist eine Folge davon, dass man die Sexualität so lange kriminalisiert hat.
Von der Dualität zur Polarität

Frauen haben gelernt, dass ihre Sexualität böse ist und ihre eigene Lust Grund genug sie umzubringen oder von der Gesellschaft auszuschließen. Männer haben gelernt, dass sie sich wegen ihres Begehrens schuldig machen. Dies hat so viele Konsequenzen, weil die Sexualität die stärkste Kraft ist, die durch uns durchfließt. Sie zu verteufeln schneidet Mann und Frau von ihrer Lebendigkeit ab. Die weibliche Sexualität ist durch die Jahrtausende des Patriarchats so verkümmert, dass viele Frauen ihre Lust mühsam in Krümeln wieder zusammensuchen müssen. Viele Frauen schämen sich für alles, was im Zusammenhang mit ihrer Sexualität steht und haben große Schwierigkeiten darüber zu sprechen. Da Männer nie aufgehört haben Frauen zu begehren, seit dem Patriarchat aber etwas Schlechtes, ja eigentlich Verwerfliches begehrten, haben Männer gelernt, den Sex von der Liebe abzukoppeln und die Frauen in entsprechende Aspekte aufzuteilen. Die unschuldige Jungfrau und die asexuelle Mutter (am bekanntesten als Gottesmutter Maria) verdienen noch am ehesten den männlichen Respekt und auch ihre Liebe. Die lustvolle Frau – zur Hure degradiert – begehrt der Mann, verachtet sie aber gleichzeitig, auf keinen Fall liebt er sie, weil er längst verinnerlicht hatte, das Sexualität etwas Böses ist und auf ein rein körperliches Begehren reduziert wurde. So versagt er sich selbst eine ganzheitliche ekstatische Erfahrung.

TW: In ihrem Buch über ihr Leben mit Steve Jobs schreibt Chrisann Brennans, es sei genauso wichtig zu sehen, an was Steve Jobs gescheitert ist, wie womit er Erfolg hatte. Beide Sachen sollten gleichzeitig untersucht werden. Sie ist der Meinung, dass die innere Leidensgeschichte einer Frau genauso wichtig wie die äußere Erfolgsgeschichte eines Mannes ist. Sie sagt, dass Steve Jobs ein gefährlicher Soziopath und ein Genie war. Er selbst hätte ihr mit 17 Jahren schon vorausgesagt, dass er später seine Menschlichkeit in der Geschäftswelt verlieren würde. Sie weist darauf hin, dass Steve die ersten sechs Monate seines Lebens von seiner Mutter getrennt aufwuchs. Diese traumatische Trennung sei in die Technologie, die er dann erfand und die nun unzählige Menschen benutzen, hineinprogrammiert worden. Deswegen konnte er auch nicht ein dringend notwendiges ökologisches Geschäftsmodell entwickeln, das wirklich im Sinne der Menschheit funktioniert. Ihr Eindruck sei, dass die Technologie völlig neu erfunden werden sollte, so dass sie mehr in Einklang mit dem menschlichen Energiesystem ist. Sie spricht von der Entwicklung einer Technologie für den Ausdruck des vollen biologischen, intellektuellen und spirituellen Potentials des Menschen. […]

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Artikel zum Thema in früheren Ausgaben:

TV 50: Alexandra Schwarz-Schilling – Die Polarität der Geschlechter.
Die Mann-Frau-Beziehung zwischen alten Wunden und neuen Perspektiven

TV 50: Prof. Dr. Claudia von Werlhof – Mutter Erde oder Tod.
Der neueste Versuch patriarchaler Naturbeherrschung

TV 51: Alexandra Schwarz-Schilling – Frauen im Matriarchat. Zur Rekonstruktion der weiblichen Kraft

TV 55: Annette Rath-Beckmann – Seherinnen, Priesterinnen, Heilerinnen. Schamaninnen im Matriarchat

TV 58: Gabriele Sigg – Die dunkle Seite der Liebe.
Der weibliche Schatten als ein nachlässig diskutiertes Problem

TV 60: Schwerpunkt: Mann sein heute

TV 62: Thorsten Wiesmann – Kollektive globale Heilung durch das Teilen. Ein neues Paradigma entsteht

TV 63: Schwerpunkt: Die neue Weiblichkeit

Bildnachweis: © Tatjana Bach, Robert Kneschke | Dreamstime.com

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Von der Dualität zur Polarität

Die Transformationsaktivistin Alexandra Schwarz-Schilling baut zur Zeit, als Modellprojekt in Brasilien, das holistische Heilungsbiotop Living Gaia auf. Thorsten Wiesmann traf sie zu einem Gespräch im Juni 2015 in den Prinzessinnengärten Berlin um mit ihr über das Verhältnis von Frauen, Männern und Mutter Erde zu sprechen. Mann und Frau sind für sie keine Gegensätze, sondern bilden eine Polarität, die nur als Ganze funktioniert und Kraft hat.
 

 

 
 

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