Die vergessene Natur des Geldes

Die vergessene Natur des Geldes

Mammons lange ersehnte Rückführung in den Schoß von Mutter Natur

Autor: Lothar Gütter
Kategorie: Wirtschaft
Ausgabe Nr: 59

 

»Du kannst nicht Gott dienen und dem Mammon«, so steht es schon in der Bibel. Der Mammon, der sich in einer entgrenzten Welt verloren hat und ein eigenes krebsartiges Wesen ausgebildet hat, muss heute wieder als richtiges Mittel verwendet und in den Kreislauf des Lebens eingebettet werden.

 

Der schnöde Mammon – die Geißel der Menschheit?

In dem Gemälde »The Worship of Mammon« von Evelyn de Morgan fällt ein Engel vor einem monumentalen vergoldeten Götzenbild nieder und bittet gleichsam um Gnade. Der güldene Mammon beugt sich zu dem Engel, während er mit der rechten Hand triumphierend einen Beutel mit Goldmünzen gen Himmel hält. Das Gemälde entstand um 1900 und bringt die Zeichen der neuesten Zeit sinnbildlich zum Ausdruck. Der Untergang des Abendlandes scheint besiegelt – der göttliche Geist kniet vor dem irdischen Götzen nieder.

Mammon stellt die allegorische Gestalt der entgrenzten weltlichen Lebensweise in Form von Gier und Geiz dar. Das Geld erscheint als eigene und übermächtige Wesenheit, der sich die Welt verschrieben hat. Der vergoldete Riese hat einen Doppelcharakter. Riesen sind von ihrer Herkunft her erdverbundene Wesenheiten, die lange vor den Menschen erschienen sind und in ihrem gewaltigen Korpus ganze Landschaften, bestehend aus Gebirge und Meer, Seen und Flüssen, bergen. Der schnöde Goldlack aber, der den erdigen Körper Mammons ummantelt, beraubt den Riesen seiner inneren Natur und nimmt ihm seinen Atem. Besessen starrt der einstmalige Erdhüter auf den prall gefüllten Geldsack in seiner erhobenen Hand und fordert wie Prometheus die Götter heraus. Der mahnende Engel, der ihn zurückhalten will, bleibt unerhört.

 

Die vergessene Natur des Geldes

WAHRES GOLD: Wer kann sich schon vorstellen, dass in einer Handvoll Gartenerde Milliarden von Klein- und Kleinstlebewesen wirksam sind, die täglich in kosmischer Verbindung ihre lebensspendende Arbeit verrichten? Es wuselt in meiner Hand: Bodenbakterien, Strahlenpilze, Algen, Wurzeln, Springschwänze, Fadenwürmer, Milben, Gliederfüßler und Schnecken sind die hilfreichen Helfer, ohne die weder Gemüse noch Kräuter so schön gedeihen könnten …

 

Geld regiert bekanntermaßen die Welt – kaum ein Phänomen außer der Liebe beschäftigt uns Menschen so sehr wie das »liebe Geld« – es prägt unseren Alltag in Form von Münzgeld, Papiergeld, Kreditkarten, Buchgeld – und neuerdings auch in Form von zunehmend fiktiven Geldströmen enormen Ausmaßes, die tagtäglich rund um den Globus transferiert werden. Mammonia – das Weltfinanzsystem – scheint außer Rand und Band geraten zu sein.
Es stellt sich aus philosophischer Sicht die dringliche Frage nach der vergessenen Natur des Geldes. Handelt es sich bei dem übermächtig erscheinenden Mammon um das Wesen oder nur eine völlig entgleiste Erscheinungsform des modernen Geistes? Ist Mammon der Gott oder das Götzenbild unserer Zeit?

Geist und Geld

»Ich würde gern leben wie ein armer Mann mit einem Haufen Geld«, hat einmal Pablo Picasso gesagt, um seine ihm eigene Lebenskunst zu umschreiben. Im ersten Moment liest sich dies wie ein Paradoxon: Armut als die eigentliche Lebensqualität und damit einhergehende künstlerische Freiheit, aber doch auch verbunden mit den unendlichen Möglichkeiten einer soliden finanziellen Grundausstattung, die wiederum etwas abschätzig als »Haufen Geld« klassifiziert wird. Das in Picassos Anmerkung spürbare Dilemma von Geist und Geld erklärt sich aus dem Kontext des christlichen Kulturkreises:

 

»Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.« (Matthäus 6, 24)

 

Offensichtlich muss es bereits in einer frühen Phase unserer Kulturgeschichte die Erfahrung gegeben haben, dass das Phänomen Geld die Herzen der Menschen spaltet. Gott als die Erfahrung geistiger Integrität scheint mit dem schnöden Mammon aus religiöser Sicht nicht kompatibel zu sein – zwei konträre Welt treffen aufeinander: das Geistige und das Profane. »Geld gefährdet die innere Freiheit«, stellt der erfolgreiche Autor und Benediktinermönch Anselm Grün fest, der wiederum als Finanzminister seines Klosters enorm erfolgreich im Vermarkten von Büchern und Vorträgen über wirtschaftsethische Fragen ist und damit etwa 100 Millionen Euro umgesetzt haben soll – zugunsten seiner Kommunität freilich, denn persönliche Bereicherung eines Priesters verträgt sich nicht mit den Grundsätzen der katholischen Soziallehre.

Aber auch ein Kloster und die darin lebende Gemeinschaft möchten refinanziert werden. Anselm Grün handelt mit seinen redlich erworbenen Honoraren an der Börse, er lässt Geld arbeiten und sieht darin keinen Verstoß gegen seine geistige Integrität.

 

Mammons lange ersehnte Rückführung in den Schoß von Mutter Natur

Die Kräuterpyramide im Zentrum des Gartens verbindet Erde und Himmel. Das Oktogon als Form des Gartens symbolisiert den Aufbruch zur Vollkommenheit.

 

Geld ist ja, wenn es als reines Tauschmittel im Rahmen einer gerechten Lebensordnung eingesetzt wird, in seinem Wesen nicht verwerflich. Es erleichtert uns den Alltag und schenkt uns eine Vielfalt von Möglichkeiten. Im Gegensatz zum Naturaltausch verschafft uns vorhandenes Geld den Raum zur freien Entfaltung unserer Persönlichkeit. Schwierig wird es mit dem Geld dann, wenn es die einfache Ebene des egalitären Tauschmittels verlässt und eine wirtschaftliche Eigendynamik annimmt, die natürlichen Beziehungen der Menschen beeinträchtigt und energetische Störfelder hervorruft, die gewachsene soziale Systeme beschädigen oder gar zerstören kann. »Geld ist das Brecheisen der Macht«, sagt Nietzsche in provokanter Zuspitzung. Es tritt zunächst verschämt als Schattenakteur auf, um dann schrittweise enthemmt das gleißende Rampenlicht der Welt zu erobern. Das Smartphone, von dem aus globale Transaktionen vorgenommen werden können, wird zum spirituellen Zentrum des modernen Finanzjongleurs, von dem aus omnipotente, gottähnliche Phantasien in Form von »ungedeckten Leerverkäufen« ausgelebt werden können. Im Jahr 2010 wurden weltweit 600 Billionen Dollar in Derivaten, also nicht real existierendem Buchgeld, gehandelt, und die Gesamtverschuldung der Saaten der Welt liegt bei 100 Billionen Dollar. Der vergoldete Mammon wirft seinen gewaltigen Schatten auf Mutter Erde und hat die ganze Menschheit versklavt.

Aber wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Und wir Menschen als intelligible Wesen haben immer und jederzeit die Möglichkeit, die Beweggründe für Mammons totalitäre Weltherrschaft zu durchschauen und das entfesselte Geldsystem in eine Form zu transformieren, die allen Menschen ein gutes Leben ermöglicht. Der Blick zurück in den Ursprung der abendländischen Kultur kann uns ein tieferes Verständnis von der vergessenen Natur des Geldes geben.

Glänzendes Sonnengold

 

Jetzo erhub sich die Sonn' aus ihrem strahlenden Teiche
Auf zum ehernen Himmel, zu leuchten den ewigen Göttern
Und den sterblichen Menschen auf lebenschenkender Erde

 

Die Gesänge der Odyssee werden in der Form ewiger Wiederkehr Mantren ähnlich mit dem goldenen Strahl der Morgensonne eröffnet. Im antiken Epos ist diese universale Wertigkeit des göttlichen Kreislaufs der Natur unmittelbar gegeben.

Was als natürliche Weisheit Jahrtausende lang währt, wird in den Anfängen der Philosophie auf den Menschen und seine Möglichkeiten übertragen. »In jedem Menschen steckt eine Sonne, es kommt nur darauf an, sie zum Leuchten zu bringen«, stellt Sokrates, der Vater der abendländischen Philosophie, fest. Und in der Sonne verbirgt sich das männliche, gestaltende Prinzip und findet im Sonnenkalender seinen kulturstiftenden Ausdruck. Das Tagwerk des abendländischen Menschen wird über die Autorität des Sonnenkalenders zunächst in Stunden, später in Minuten und Sekunden gegliedert. Sein und Zeit gehen auf diese Weise eine tief wirkende Verbindung ein.

 

Der Reichtum der Natur

Der Reichtum der Natur im grünenden und blühenden Garten.

 

Aus dem indogermanischen Wort »ghel«, das den Glanz der Sonne umschreibt, entwickelte sich über viele Generationen das althochdeutsche Wort »gelt« im Sinne von »Vergütung und Einkommen«. Und Geld glänzt und verführt. Es blendet den Betrachter. Und es ist Abglanz. Und im Abglanz des Goldes spiegelt sich das Begehren des subjektiven Betrachters, in dem nun männlich strukturierter Unternehmergeist heranreift. Mit dem Gold möchte der erwachende Mensch nach den Sternen greifen.

Kosmisches Gold

Nicht zufällig wird das sonnenglänzende Gold als seltenes Edelmetall zu dem bevorzugten Tauschmittel der Leitkulturen. Die kulturelle Besonderheit des Goldes erklärt sich aus seiner solaren Entstehungsgeschichte. In der Tiefe des Weltalls, bei gigantischen Sternenexplosionen, sogenannten Supernovae, die verdichtete Gaswolken mit ungeheuren Energiekonzentration ins All hinausschossen, ist es entstanden. Innerhalb dieser Gaswolken kam es zu einem bizarren Wechselspiel der Elemente: Nickel wandelte sich zu Kupfer, Palladium zu Silber und Platin zu Gold.
Bei der Entstehung unseres Planeten vor vier Milliarden Jahren lagerten sich diese kosmischen Edelmetalle durch auftreffende Asteroidenhagel in der sich ausformenden Erdkruste ein.2# 30 Milliarden Tonnen Goldpartikel gingen auf die Erde nieder. In jeder Tonne Erdreich finden sich als extraterritoriale Partikel durchschnittlich vier Gramm Gold. Bisher wurden circa 160.000 Tonnen Gold aus der Tiefe der Erde geschürft. Weitere 60.000 Tonnen sind laut geophysischen Berechnungen noch abbaubar. Der Rest ist als feinster Goldstaub im Gestein aufgelöst, so dass eine Verwertung nicht möglich ist. […]

 

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Lothar Gütter
Die vergessene Natur des Geldes
Mammons lange ersehnte Rückführung in den Schoß von Mutter Natur

»Du kannst nicht Gott dienen und dem Mammon«, so steht es schon in der Bibel. Der Mammon, der sich in einer entgrenzten Welt verloren hat und ein eigenes krebsartiges Wesen ausgebildet hat, muss heute wieder als richtiges Mittel verwendet und in den Kreislauf des Lebens eingebettet werden.
 

 

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