23 Mai C. G. Jungs Verständnis der Seele
Grundlagen des Modells der Analytischen Psychologie
Autor: Dieter Schnocks
Kategorie: Psychologie
Ausgabe Nr: 95
Die Analytische Psychologie nach C. G. Jung beschreibt die Seele beziehungsweise die Psyche als komplexes Gebilde verschiedener Bewusstseinsanteile. Dabei beinhaltet die Struktur des Bewusstseins mehrere Ebenen, vier Grundfunktionen des Ichs und zwei Einstellungstypen und erklärt auf diese Weise die Selbstverwirklichung der menschlichen Existenz.
Ich freue mich darüber, dass das Redaktionsteam der Tattva Viveka sich dazu entschlossen hat, die theoretischen Grundlagen der Analytischen Psychologie erst einmal in Kurzform und in möglichst verständlicher Form zu behandeln. Somit hilft die Zeitschrift den interessierten Lesern, die Basis für eine geistige Auseinandersetzung mit dem Gedankengut C. G. Jungs zu schaffen.
C.G. Jungs Theorie und Werk
C. G. Jung hat in seinem riesigen Gesamtwerk keinen systematischen Entwurf für eine Theorie hinterlassen. Er bekannte sich zu einer großen Vorsicht feststehenden theoretischen Systemen gegenüber. Er meinte, noch nicht genügend Erkenntnisse über die Psyche zu besitzen, um eine ausgefeilte Theorie anbieten zu können. Viele moderne Leser kommen mit Jungs Schreibstil beziehungsweise seiner charakteristischen Art von Beweisführung nicht zurecht.
Seine eher dialektische Methode ist symbolisch und nicht logisch gradlinig.
Der Inhalt wird umkreist und aus immer wieder leicht veränderten Blickwinkeln gesehen. Somit entsteht (oft unbemerkt) eine weit größere Wahrheit, die umkreisend vieles, auch Widersprüchliches, in sich aufgenommen hat. Diese spiralförmige Vorgehensweise ist für manche Leser zunächst verwirrend. Dennoch gelingt es offensichtlich immer mehr, sich mit dieser Art des suchenden Denkens anzufreunden. Viele stellen bald fest, dass sie von dieser Art auf überzeugende Weise mitgezogen werden. Grundsätzlich könnte man sagen, dass die Analytische Psychologie eine Erwachsenenpsychologie, insbesondere eine für die zweite Lebenshälfte ist. Jungs Lehre ist ein spezifischer Weg zum Ganz-Werden und zur Selbstverwirklichung der menschlichen Existenz.
Der Schwerpunkt seiner psychologischen Betrachtungen liegt vorrangig auf der Normalpsychologie und erst zweitrangig geht es um eine Lehre der Neurosen und deren Behandlung. Anziehend ist für viele die gewichtige Einbeziehung der »Sinnfrage«.
Um einen einfachen Überblick über die Modellvorstellungen bezüglich der Struktur des psychischen Organismus und seiner Inhalte zu geben, möchte ich mein Lehr-Diagramm vorstellen.
Das Ich-Bewusstsein stellt nur einen kleinen Teil der Gesamtpsyche dar. Es leistet die wache Orientierung, die Wahrnehmung und die Willensakte, also diejenigen Funktionen, die auch Freud dem Ich als Realitätskontrolle zuschreibt. Bewusstsein ist also keinesfalls identisch mit »Psyche«. Das Unbewusste umgreift gleichsam das Bewusstsein. Es umfasst alles, was vom Ich nicht bewusst erlebt wird. Unterschieden wird persönliches und kollektives Unbewusstes. Das persönliche Unbewusste wäre all dies, was bei Freud das Vorbewusste, das Vergessene, das Verdrängte, das unterschwellig Wahrgenommene und das Abgesunkene ist.
Das kollektive Unbewusste (eine Entdeckung C. G. Jungs) wäre eine Art
»Mutterboden allen Bewusstseins«.
In ihm ist der Niederschlag der typischen Reaktionsweisen aller Menschen seit ihren Anfängen zu sehen. Im kollektiven Unbewussten sieht Jung die archetypischen Wirkfelder (Archetypenlehre). Der Ich-Komplex und seine Struktur Nach einer persönlichen Krise schrieb C. G. Jung sein Buch »Psychologische Typen«. Er beschäftigt sich darin an erster Stelle mit den Einstellungsfunktionen Extraversion und Introversion. Danach entwickelt er das Konzept der vier Grundfunktionen des Ichs (Denken, Fühlen, Empfindung, Intuition), mit denen sich das Ich-Bewusstsein des Individuums orientiert. In den Einstellungstypen erkennt Jung eine Gegensatzstruktur, die auf dem Bezugspunkt der Energie- oder Libidozuwendung basiert. Die Extravertierten sind mehr objektorientiert (Vertrauen in die Situation), die Introvertierten sind mehr auf sich selbst bezogen und objektdistanziert (Angst vor der Außensituation). Jung spricht vom extravertierten und introvertierten Typus, wobei wir heute davon ausgehen, dass jeder Mensch auf einem Kontinuum anlagemäßig mehr zum Pol Extraversion oder zum anderen Pol, der Introversion, tendiert.
Dies ist nur der Anfang des Artikels.
Hole dir jetzt den vollständigen Artikel, der in Tattva Viveka 95 erschienen ist, und erfahre mehr über die Grundfunktionen des Ichs, das kollektive Unbewusste und den Schattenkomplex.
Tattva Viveka Nr. 95
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Schwerpunkt: Seele
Erschienen: Juni 2023
Maik Hosang – Ein metamoderner Begriff der Seele. Der zentrale Moment von zukunftsfähiger Psychologie und Philosophie, Kultur und Gesellschaft • Ronald Engert – Seele, Körper und Befreiung in der Bhagavad-gītā. Leben in der göttlichen Ordnung • Dr. Jens Heisterkamp – Die Seelen-Lehre Rudolf Steiners. Von den drei seelischen Dimensionen • Sebastian F. Seeber – Die Seele bei Platon. Über die Selbsterkenntnis des Menschen • Dieter Schnocks – C. G. Jungs Verständnis der Seele. Grundlagen des Modells der Analytischen Psychologie • Samuel Eckhart – Die Ogdoadische Tradition. Rückkehr im Lebendigen Licht des Glorreichen Sterns • Nora Philine Hansing – Die Revolution der Seele. Wegweiser in eine erwachte Kultur der Allverbundenheit • Stefanie Aue – Göttinnen im Tantra. Die zehn göttlichen Erkenntniswege der Dasha Maha Vidyas (Teil 2) • Akambi Oluwatoyin – Charakter ist Spiritualität. Warum die Charakterbildung in der Nago-Tradition die Grundlage für Spiritualität darstellt • Armin Denner – Der esoterische Tarot. Wahrsagerei oder »Die Wahrheit sagen«? • Christiane Krieg – Krafttiere. Spirits der Schamanen • Gerlinde Henriette Stärk – Wieder erinnern lassen. Von meiner erwach(s)enden Liebe zur Erde • u.v.m.
Zum Autor
Dieter Schnocks, Jahrgang 1950, ist Dipl.-Psychologe und psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker, Dozent, Supervisor sowie Lehranalytiker.
Webseite: dieterschnocks.de
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