Denken und Fühlen

Denken und Fühlen

Ein Verhaltenstherapeut erklärte mir einmal den Unterschied von Denken und Fühlen so: Das Denken kann blitzschnell in die Vergangenheit oder in die Zukunft zu reisen, das Gefühl ist immer an die Gegenwart gebunden.

Dies finde ich ein gutes Indiz, um die unterschiedlichen Zuständigkeiten von Denken und Fühlen zu verstehen. Ich kann mir jederzeit meine Vergangenheit oder meine Zukunft vorstellen, bis hin zum Paradies oder zum Weltuntergang. Das Denken ist unabhängig von Raum und Zeit, es reist mit Lichtgeschwindigkeit oder vielleicht noch schneller. Das Gefühl hingegen ist immer an die gegenwärtige Situation gebunden. Das, was ich fühle, hat immer mit dem Hier und Jetzt zu tun.

Nun mag jemand einwenden, dass ich mir doch sehr wohl meine Vergangenheit oder Zukunft vorstellen kann und dabei auch ein Gefühl habe. Das stimmt, jedoch ist dieses Gefühl an das Jetzt der Vorstellung gebunden. In dem Moment, wo ich aufhöre, an diese Vorstellung zu denken, hört das betreffende Gefühl auf. Wenn ich mir zum Beispiel einen paradiesischen Urlaub vorstelle, dann „fühle“ ich mich gut, aber nur solange ich in dieser Vorstellung verweile.

Überdies sind diese durch das Denken hervorgerufenen Gefühle keine echten Gefühle. Sie sind sekundäre Gefühle, vermittelte, induzierte, im letzten Sinne künstliche Gefühle. Sie gehören nicht zum Jetzt der Wirklichkeit.

Ronald Engert

Viele Psychologen und Berater vertreten ja die Ansicht, dass man durch das Denken die Gefühle verändern kann und man dadurch sein Leben meistert. Positives Denken, Affirmationen und ähnliches werden genutzt, um psychologischen Problemen beizukommen. Dies verstärkt indes nur das Scheinselbst, eine strategische Version von mir selbst, die durch das Denken konstruiert wird. Es ist eine Art der Kontrolle und Manipulation, um zu dem Ergebnis zu kommen, das ich will.

Fühlen ist etwas anderes. Es geht darum, herauszufinden, wie es mir wirklich geht. Dieses Hineinspüren ist wertfrei und nicht ergebnisorientiert. Es ist ein Annehmen von dem, was ist. Wenn man das echte Gefühl spürt, kann man sodann mit dem Denken herausfinden, wie es zu diesem Gefühl gekommen ist und was es mir sagen will. Wenn man das echte Gefühl fühlt, ist dies immer irgendwie schön, obwohl es vielleicht Schmerz, Trauer oder Wut ist. Das Gefühl selbst mag nicht schön sein, aber es tut unendlich gut, echt zu sein.

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