19 Mai Die Großen Tarot Arkana
Stationen auf dem Weg der Heldenreise (Teil 2)
Autor: Armin Denner
Kategorie: Judentum / Kabbala
Ausgabe Nr: 103
Der erste Teil des Artikels beschrieb den Entwicklungsweg des Helden anhand der einstelligen Arkana, wie er sich von altem loslöst und zu seinem eigentlichen Potenzial erwacht. Im zweiten Teil, den zweistelligen Arkana, erfahren wir nun, wie er die Dunkelheit kennen und überwinden lernt, um gestärkt aus ihr hervorzugehen.
Achilles und Herakles, zwei herausragende Helden der griechischen Mythologie, absolvierten ihre anspruchsvolle Ausbildung bei Chiron, dem Zentauren. Als ein Wesen, halb Mensch, halb Pferd, hatte dieser in der Vergangenheit selbst seine ausschließlich von Nahrungssuche und Arterhaltung, seine rein animalisch motivierte Lebenseinstellung transformiert. Seine neue Orientierung brachte mit sich, dass er seine wahre Lebensaufgabe erkannte und nun zukünftige HeldInnen ausbildete und ihrer Mission zuführte. Auch in modernen Versionen der Heldenreise wie etwa der Star Wars Saga, wenn der junge Luke Skywalker vom Yedi Meister Obi-Wan Kenobi ausgebildet wird, verinnerlichen HeldInnen, dass ihr Geist nicht der Materie unterliegt, sondern sie diese lenken und erschaffen kann, sie erhalten Zugang zur Kraft des wahren Willens.
Während der letzten Etappe der einstelligen Großen Arkanen finden HeldInnen ihren Lehrer, den Eremiten IX, der ihre Ausrichtung neu justiert. Sie entdecken ihr verborgenes, zeitloses Potenzial, das aus der Quelle innerer Stille wirkt, sie erfahren ihren wahren Namen. Nach einer Phase des Rückzugs, verursacht durch Reha, Fasten, nach dem Aufenthalt im Ashram und dergleichen kehren wir zurück in die bunte Außenwelt und begleiten die Helden der Mythologie, die ihre Reise in der Abenddämmerung fortsetzen, die in die Finsternis der Nacht übergeht, um nach der Morgendämmerung wieder vom Sonnenaufgang abgelöst zu werden.
Die tiefere Ursache für das Unglück ist die fehlende Anpassung an den Fluss des Lebens.
Die zweistelligen Tarot-Arkana sind nicht mehr vom Aktionszyklus des Magiers I bestimmt, sondern von der Stille und der Intuition der Hohepriesterin II, von den Kräften der Weiblichkeit und des Empfangens. Die Entfaltung eines Bewusstseins jenseits der Ratio tritt nun immer klarer in den Vordergrund. Der Sinn jeder Nachtmeerfahrt ist die bewusste Anbindung an ein ganzheitliches Universum, dessen Intelligenz unendlich größer ist als die menschliche Vorstellung. Die Helden der Mythologie, der Sagen und der Märchen treten in Kontakt mit den Göttern, dem Höheren Selbst – oder sie erhalten zumindest die Chance dazu! Können sie ihrem inneren Ruf auch weiterhin folgen? Können wir in der Alltagspraxis der Stille auch dann lauschen, wenn der äußere Lärm zur Kakophonie anschwillt? Wenn wir nach dem Meditationsseminar wieder zur Arbeit zurückkehren?
Das Rad des Schicksals
Arkanum X, das Rad des Schicksals, stellt die Verbindung mit unbekannten Dimensionen her, die rational nicht begreifbar sind, die man lediglich durch ihre Auswirkungen erkennt. Das rotierende Rad symbolisiert das Auf und Ab des Lebens, dem jede/r unterliegt, dem jedoch ein eingeweihter Mensch grundsätzlich anders begegnet als Menschen, für die lediglich die Materie zählt. Während diese meist gegen ihr Schicksal ankämpfen, es kontrollieren wollen oder sich als dessen fatale Opfer verstehen, lernen HeldInnen das Lesen der Botschaften, die das Leben ihnen hinter der Oberfläche des »alltäglichen Überlebenskampfes« zuspielt. Sie achten insbesondere auf den optimalen Zeitpunkt ihres Tuns – sowie auch ihres »Nicht-Tuns«.
Verantwortlich für die Drehung des Lebensrades sind Wesen wie Seth oder Hermanubis, die in einer Anderswelt beheimatet sind. Damit bringt Arkanum X zum Ausdruck, dass das Auf und Ab, der Lauf unseres Lebens, primär von unbewussten Kräften bestimmt wird. In einem rotierenden Rad können unsere Augen ab einer gewissen Geschwindigkeit die Speichen nicht mehr erkennen. Ähnlich verhält es sich mit feinstofflichen, schnell vibrierenden Frequenzen, die außerhalb unserer Wahrnehmung wirken und somit scheinbar nicht vorhanden sind. Doch Materie ist geronnene Energie, und das Tarot rät dazu, mit eben diesen höheren Vibrationen »gemeinsam zu schwingen«.
Wer in ein rotierendes Rad hineingreift, fängt sich eine Verletzung ein, die alles andere ist als Zufall. Die tiefere Ursache für das Unglück ist die fehlende Anpassung an den Fluss des Lebens. Das Verlassen des inneren Zentrums schleudert uns nach außen, wobei meistens der falsche Zeitpunkt der Grund dafür ist, wenn man von »dummen Zufällen« ereilt wird. Bruce Lee, ein Held der Neuzeit, rät uns: »Be like water, my friend.« Wie Wasser dem Gefälle zu folgen bedeutet, uns an die Frequenzen, das Vibrieren der geistigen Welt anzugleichen. Die hierfür nötigen Antennen sind allerdings nur empfangsbereit, wenn wir mit der inneren Stille auch dann in Kontakt bleiben, wenn die äußere Hektik gerade zu eskalieren scheint.
Arkanum XI zeigt die Möglichkeit, die Göttin, den Gott im anderen Geschlecht zu erahnen.
Die Sphinx am höchsten Punkt des Rades ist die Hüterin der vier Elemente. Sie weiß, wie Balance entsteht, wie die innere und äußere Welt als Einheit wirken. Häufig suchen HeldInnen während dieser Etappe das Orakel (Matrix-Trilogie!) auf und lassen ihr Schicksal enträtseln mit dem Ziel, ihre Anbindung an ein inneres Zentrum zu stärken und zu vertiefen. Mit der Vorhersage ihrer Zukunft hat dies absolut nichts zu tun, sondern mit der Absicht, im Karussell des Lebens das zentrale Gleichgewicht zu bewahren. Der Kontakt mit der Außenwelt wird dabei nicht verneint, denn die eigene Wirklichkeit soll nicht für die einzige gehalten werden. Eremiten IX neigen zu Eigenbrötlern, doch Arkanum X eröffnet das Zusammenspiel scheinbar getrennter Welten: Innen und Außen, Körper und Geist, Tag und Nacht befruchten sich gegenseitig für HeldInnen, die dafür bereit sind.
Die einstelligen Arkana dienen uns zur Durchsetzung und Entfaltung beim (Über)Leben, die zweistelligen wiederum stehen für den Ruf der Seele. Ein Eckpfeiler, der diesen Zusammenhang verdeutlicht und uns zugleich vertiefende Kenntnisse des Tarots vermittelt, ist die Verbindung der Arkana über ihre Quersumme, die beim Schicksalsrad (10) zum Magier (1) führt, der hier an die Grenzen seiner Handlungsmöglichkeiten stößt. Er unterwirft sich dem Ruf der Götter und folgt diesem. Der richtige Zeitpunkt führt Ödipus auch zur Lösung des Rätsels, das die Sphinx ihm stellt: Zeit ist das Element, das Feuer, Wasser, Luft und Erde verbindet. Die vier Seiten der Pyramide treffen sich in der erhöhten Spitze. Das Zusammenspiel der beiden Karten Magier und Schicksalsrad lenkt unseren Blick in Richtung unserer Lebensaufgabe, wo beispielsweise der Beruf und unsere Berufung miteinander Verbindung aufnehmen.
Die Kraft
Das elfte Arkanum, Kraft oder Lust, legt offen, warum die beiden älteren Brüder des Narren, die einst vor diesem aufbrachen, um das schwer erwerbbare Gut zu finden, schließlich scheitern mussten. Helden, die sich ausschließlich über ihre Männlichkeit definieren, die nur auf Kampf und Körperstärke setzen, betrachten das Tier, das ihnen hier begegnet, als ihren Feind. Sie bekämpfen und töten den Drachen, der die Pforten zum Unbewussten bewacht. Siegfried, der Held der Nibelungen, badet sogar im Blut des Lindwurms, was ihm in der patriarchalen Welt scheinbare Unverletzbarkeit beschert. Doch wer ausschließlich auf Körperkraft und Kontrolle vertraut, wer primär kriegerisch eingestellt bleibt und das Tier tötet, wird an dieser Hybris früher oder später scheitern. Wer jedoch, wie der Narr des Tarots, sein inneres Tier und somit seine animalischen Wurzeln annimmt und läutert, erhält mit dem elften Arkanum einen wertvollen Freund und Gefährten. Er tötet seine Triebe nicht ab, sondern befriedet und bändigt sie. Ihm geht nicht mehr hemmungslos »der Gaul durch« oder »die Sau raus«, er bündelt diese Energie und verinnerlicht seine Triebkräfte. Der Medizinbeutel der Schamanen ist ein Symbol für die Transmutation der primitiven inneren Wildheit, die stattdessen als Krafttier zum Verbündeten wird. Wittern und Instinkt sind unbedingte Voraussetzung, um die Intuition zu öffnen, die primäre Orientierung, ohne die der Weg durch die zweistelligen Arkana nicht gelingen kann. Dionysos, Gott des Feierns und des Weines, ist auf seinem Raubtier reitend ein Relikt aus alter Zeit für diesen Entwicklungsschritt.
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Schwerpunkt: Parapsychologie
Erschienen: Juni 2025
Dr. Dr. Walter von Lucadou – Parapsychologie: Ein Beitrag zur Bewusstseinsforschung • Prof. dr. Stefan Schmidt – Experimentelle Parapsychologie • Birgit Feliz Carrasco – Hellfühligkeit • Dr. Gerhard Mayer – Magick in der Praxis • Dr. Marc Wittmann – Wenn die zeit verrükt spielt • Astrid Gutowski – Widerstandskraft in herausfordernden Zeiten • Hajo Michels – Scheinheilig: Entlarve die Schattenseiten der Spiritualität • Armin Denner – Die Großen Tarot Arkana • Dr. Rüdiger Sünner – Orte, die zur Seele sprechen • Kevin Johann – Soma • Sophie Baroness von Wellendorff – Wenn Licht und Dunkelheit tanzen • Buchbesprechungen • u.v.m.
Zum Autor
Armin Denner, Jahrgang 1955, beschäftigt sich seit 1986 mit Tarot und den Hintergründen Kabbala und Alchemie. Seit der Jahrtausendwende leitet er das Tarotproject in Augsburg.
Bücher: Der Tarot-Lehrgang/Vom Chaos zur neuen Ordnung/Das 1×1 des Tarots
Youtube: Tarot-Alchemie-Kabbala
Webseite: armin-denner.de
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