Die Nüchternheit der sexuellen Ekstase

Die Nüchternheit der sexuellen Ekstase

Ein Plädoyer dafür, jeden Moment unseres Daseins voller Lebendigkeit und Ekstase zu erleben

Autor: Ilan Stephani
Kategorie: Mann/Frau
Ausgabe Nr: Sonderheft Sexualität

Unsere Kultur ist geprägt von kollektiven Traumata. Menschen leiden unter Minderwertigkeit und Selbstzweifel. Das macht auch vor der Sexualität nicht halt. Ilan Stephani möchte die Unterscheidung von Sex und Nicht-Sex aufheben, denn alles Leben ist orgasmisch. Dazu braucht es aber eine bestimmte Nüchternheit, um die Ekstase zu etwas Alltäglichem und immer Erlebbarem zu machen.

Tattva Viveka: Ilan, du bist dafür bekannt, dass Sexualität für dich ein wichtiger Schlüssel auf dem Weg zu einem gesunden und ekstatischen Leben ist. Was ist deine Arbeit?

Ilan Stephani: Meine Arbeit spiegelt schon sehr wider, wie ich auch privat unterwegs bin. Es ist eigentlich die große Angst davor, das Leben zu verpassen, bevor es vorbei ist. Mit anderen Worten, meine Arbeit mit Menschen – und auch mit mir – gilt wirklich der Frage »Wie gehen wir damit um, dass in unserer Seele der Wunsch brennt, ganz und gar lebendig sein zu wollen? Dass wir uns wirklich spüren wollen?«. Und gleichzeitig leben wir aber seit ungefähr 4.000 Jahren in einer Kultur, die so ziemlich alles tut, um unlebendig zu sein. Tragischerweise werden wir sehr lebendig geboren und das, was wir dann als Erziehung, Konditionierung, Anpassung oder Zivilisation beschreiben, können wir zusammenfassen als ein graduelles Unlebendigerwerden. Mit anderen Worten,

wenn ich mit anderen Menschen arbeite und mit ihnen etwas übe, trainiere oder lerne, ist das eigentlich kein Lernen, es ist das Verlernen dessen, was wir in dieser Kultur gelernt haben.

Sexualität ist für mich aus verschiedenen Gründen heraus ein Schlüsselthema, unter anderem deshalb, weil wir in dieser Kultur in Bezug auf Sex sehr viele Dinge lernen, die uns eher unlebendiger machen. Das zu verlernen, finde ich, ist ein wichtiger Ansatz – also nicht an sich zu arbeiten, um weiterzukommen, sondern aufzuhören, sich verbessern zu wollen, weil wir zu unserer Vollständigkeit zurückfinden. Ich bin keine vollständige Kopie, sondern ein vollständiges Original.

In der vollständigen Fassung des Interviews spricht Stephani über die Hitliste der sexuellen Missverständnisse und Katastrophen unserer Kultur. Interessiert Dich das? Wenn ja, folge dem Link am Ende dieser Seite und erhalte das Interview noch heute!

Sex als Fundament

TV: Ich finde es sehr bemerkenswert, dass diese Unterscheidung in Sex und Nicht-Sex schon ein Teil des Problems ist. Dann wäre ja das ganze Leben eine sexuelle Erfahrung?

Ilan:

Es ist alles eine sexuelle Orgie.

Deswegen habe ich so viel Spaß, jetzt ist alles klar! Ja, aber tatsächlich glaube ich – das ist jetzt rein hypothetisch –, wenn sich ein Säugling in seiner strampelnden, vergnügten, freien Art durch seine Lebendigkeit von Moment zu Moment hindurchspürt und -atmet und wir uns als Erwachsene mit den sexuellen Highlights von Verschmelzung, Sternstunde und Orgasmus danebenlegen, dann wäre es maximal vergleichbar oder der Säugling hätte immer noch die Nase vorn. An sexueller Ekstase ist über das konkret Angenehme hinaus nützlich, dass wir bei der Gelegenheit merken, wie das Leben in Fülle sein kann.

So ist Leben eigentlich gedacht. Auch dafür ist es wichtig, zu erkennen, dass dieser gute Orgasmus mir etwas gezeigt hat: In mir, in dir, in der Welt sind erstaunliche Empfindungen möglich. »Diese Spur aus wiedererwachender Lebendigkeit, die werde ich nicht loslassen, bis ich es mehr und mehr in mein ganzes Leben gezogen habe.« Insofern sage ich oft,

wir brauchen einen nüchternen Umgang mit Ekstase.

Denn die Nüchternheit ist dieses Disziplinierte. Wenn ich mit Menschen arbeite, kommen wir sehr oft in sehr geöffnete, intensive Zustände. Ich fordere sie dann auf: »Konzentriere dich! Das hier ist real! Jetzt geh nicht darin unter, dass hier tolle Musik, eine geile Gruppe oder eine super Übung ist. Das ist es nicht! Das, was du erlebst, bist du! Jetzt halt dich fest. Nimm es mit. Denn morgen ist ein Montag. Und wenn du am Montag wieder funktionierst, dann wär’s besser gewesen, du hättest am Wochenende keinen Spaß gehabt. Hör auf, die Dinge exklusiv zu machen, die dein Geburtsdesign sind.«

Willst du wissen, was Stephanis größter Aha-Moment in Bezug auf Sexualität war? Klick auf den Link am Ende der Seite und erhalte die vollständige Fassung des Interviews!

Missbrauch von Sex

TV: Man kann Sexualität auch für ungesunde Zwecke ausbeuten, oder?

Ilan: Ja, ich würde sogar sagen, wenn wir Menschen durch das Verschweigen und Einfrieren unserer sexuellen und anderer Traumata lernen, an unserer eigenen sexuellen Begabung und Vollständigkeit zu zweifeln, dann wird irgendeiner in der Außenwelt ankommen und anfangen, uns auszubeuten. Pornos, Prostitution, unfassbar viele Bereiche, die mit Sex zu tun haben, ernähren den gesamten Kapitalismus. Ohne das würde wahrscheinlich nicht mal die Bierbranche so viel umsetzen.

Sexualität wird überall ausgebeutet. Mode, Make-up, nichts ist denkbar, ohne dass Menschen sexuell im Kern an sich zweifeln. Sexuell im Kern nicht an sich zu zweifeln, heißt, eine Definition von Sexualität zu finden, die dich wirklich glücklich macht, die dich wirklich entspannt.

Willst du mehr darüber wissen, was Stephani über Sex zu sagen hat? Bestelle das ganze Interview am Ende der Seite!

Die Nüchternheit der sexuellen Ekstase

Ich finde an dem Wort ›Präsenz‹ schwierig, wie es gehört wird. Es wird oft als eine mentale Tugend wahrgenommen, so ein bisschen wie »Sei ganz präsent. Schau mir einfach in die Augen. Bleib da …«, bis alle so wie hypnotisierte Traumakaninchen einander in die Augen starren und denken: »Endlich habe ich’s gelernt, so macht man Augenkontakt.« Also Präsenz ist erstens etwas Mentales und zweitens etwas, das ich mit der Außenwelt übe beziehungsweise dass ich für ein »Wir« oder für einen Kontakt tue.

Was unser Nervensystem betrifft, müssen wir uns viel mehr Mühe geben, nicht präsent zu sein. Wir sind Präsenztiere. Aber diese Form von Präsenz schaltet sich erst frei, wenn wir Präsenz körperlich definieren. Präsenz als ganzkörperlicher Zustand bedeutet, im Spüren bleiben zu können, auch wenn das Leben herausfordernde, unerwartete Wendungen oder Situationen mit sich bringt. Insofern halte ich eine Definition von Präsenz für nützlicher, die Präsenz ganzkörperlich versteht. Es ist energetisch, nicht mental.

Präsenz ist das Design. Finde die Gründe, die dich unpräsent gemacht haben, und lös sie auf. Wenn wir uns dann vorstellen, dass wir als Liebhaber:innen gelernt haben, präsent zu sein, weil es das ist, »worauf Frauen wirklich abfahren« oder »wodurch er sich wirklich sicher fühlt«, dann stieren wir unseren Partner so an und kriegen jede Bewegung so was von mit, dass sich gleich zwei Leute gemaßregelt fühlen.

Dies sind Ausschnitte aus dem Artikel.

Erfahren Sie mehr über die Nüchternheit der sexuellen Extase.

Lesen Sie die vollständige Fassung im Tattva Viveka Sonderheft Sexualität oder downloaden Sie diesen Artikel einzeln als ePaper für 2,00 € (Pdf, 8 Seiten).

Die Nüchternheit der sexuellen Ekstase (PDF)

 2,00

Ilan Stephani
Die Nüchternheit der sexuellen Ekstase
Ein Plädoyer dafür, jeden Moment unseres Daseins voller Lebendigkeit und Ekstase zu erleben

Unsere Kultur ist geprägt von kollektiven Traumata. Menschen leiden unter Minderwertigkeit und Selbstzweifel. Das macht auch vor der Sexualität nicht halt. Ilan Stephani möchte die Unterscheidung von Sex und Nicht-Sex aufheben, denn alles Leben ist orgasmisch. Dazu braucht es aber eine bestimmte Nüchternheit, um die Ekstase zu etwas Alltäglichem und immer Erlebbarem zu machen.
 

 

Artikelnummer: TVS02_02e Schlagwörter: ,

 
 

Über die Autorin

Die Autorin Ilan Stephani

Ilan Stephani ist eine Somatische Mystikerin, sprudelnde Ideen-Quelle und liebevolle kulturelle Störfrequenz. Sie widmet sich den Themen Embodiment, Trauma, Sexualität, Gesundheit und Mystik, um individuelle und kollektive Heilung zu unterstützen.

Webseite: ilanstephani.com

1 Comment
  • Christa von der Linden
    Gepostet am 13:46h, 14 November Antworten

    Gerne würde ich das Interwiew anhören,

Kommentar abgeben