30 Aug Die Weisheit der Pflanzen
Spirituelle Pflanzenheilkunde
Autor: Svenja Zuther
Kategorie: Ökologie
Ausgabe Nr: 100
Die Pflanzenheilkunde war schon immer ein Sujet, in dem sich das Spirituelle und das Materielle begegnen, denn die Pflanze berührt unser Herz und unsere Seele und ihre Wirkstoffe interagieren mit unseren biopharmakologischen inneren Systemen. In früheren Zeiten war keine Trennung dieser Sichtweisen vonnöten. Es war selbstverständlich, Heilmittel und Zauber gleichermaßen zu verwenden. Nachdem die wirkstofforientierte Phytotherapie lange Zeit im Vordergrund stand, bahnt sich heute eine neue Bewegung ihren Weg: Die spirituelle Dimension des Heilens mit Pflanzen wird wieder belebt.
»Die Möglichkeiten des Heilens mit Pflanzen berühren eine Schnittstelle von Materie, Geist und Bewusstsein.«
Heilen mit Pflanzen – von Arznei bis Zauberei
Die Wege mit Pflanzen zu heilen, waren schon immer vielfältig. Seit ich mich mit Heilpflanzen beschäftige, folge ich daher gern dem Motto: Heilen mit Pflanzen – von Arznei bis Zauberei, um die ganze Bandbreite der Möglichkeiten zu betrachten. Definitionsgemäß handelt es sich bei Arznei um Stoffe, die eingenommen oder appliziert werden können; bei der Zauberei stehen Handlungen und Worte im Vordergrund. Heute existieren verschiedene Teilbereiche bzw. Spezialbereiche der Pflanzenheilkunde nebeneinander und sind zum Teil sehr kontrovers: Die moderne rationale Phytotherapie ist rein wirkstofforientiert und versteht sich als Zweig der Schulmedizin, während die sogenannte Pflanzengeistmedizin rein spirituell arbeitet. »Es gibt in der Pflanzengeistmedizin nur einen einzigen wirksamen Inhaltsstoff – Freundschaft. Ein Pflanzengeist heilt seinem Traumgefährten, dem Arzt, zuliebe einen Patienten.«, schreibt der Anthropologe und Kräuterheilkundler Eliot Cowan über die schamanische Praxis der Pflanzengeistmedizin (Cowan 2010:18). Edward Bach, der Erfinder der Bach-Blüten-Therapie, formulierte die Wirkkraft der Pflanzen so: »Zugleich werden dem Patienten jene wundervollen Arzneien gegeben, die mit göttlicher Heilkraft angereichert sind, damit das Licht der Seele und die Heilkraft diesen ganz erfüllen kann. Die Wirkung dieser Heilmittel besteht darin, dass sie unsere Schwingungsrate erhöhen und uns innerlich für die Wahrnehmung unseres spirituellen Selbst öffnen, dass sie uns außerdem mit jener Kraft erfüllen, derer wir am dringendsten bedürfen und uns von jener Fehlhaltung reinigen, die die Ursache unseres Leidens ist. Wie schöne Musik oder andere wundervolle Erfahrungen, verfügen sie über die Fähigkeit, uns innerlich zu erheben und uns mit unserer Seele in Kontakt zu bringen. Und indem sie derart auf uns wirken, schenken sie uns Frieden und befreien uns von unseren Leiden.« (Bach 1995:101). Weitere Heilverfahren mit Pflanzen arbeiten auf mehreren Ebenen: So nutzt beispielsweise die Aromatherapie sowohl die stoffliche Ebene der Wirkung der ätherischen Öle als auch den Einfluss der Düfte auf unseren Geist und unsere Seele. Die Ganzheitliche Pflanzenheilkunde wiederum hat zum Ziel, Körper, Geist und Seele des Menschen mit geeigneten pflanzlichen Zubereitungen gleichermaßen anzusprechen.
Pflanzen an der Schnittstelle von Geist und Materie
Viele Heilwirkungen der Pflanzen sind direkt erfahrbar, wie die krampflösende Wirkung eines Kamillentees, die schlaffördernde Wirkung des Lavendels, die Kopfschmerzen lindernde Kraft der Pfefferminze. Die Menschheit kann hier auf einen jahrhunderte-, jahrtausende- und vermutlich noch älteren Schatz an Erfahrungen zurückblicken. Viele solcher direkt körperbezogenen Heilwirkungen können auch nach modernen wissenschaftlichen Überprüfungen bestätigt und auf bestimmte Wirkstoffe in der Pflanze zurückgeführt werden.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann man eine rationale Phytotherapie zu formulieren. Man wollte sich von der »unwissenschaftlichen Kräuterheilkunde alter Zeiten« (Weiß 1990:25) abgrenzen. Der altüberlieferten Heilpflanzenkunde wurde oft eine »Indikationslyrik« vorgeworfen und so beschränkt sich die heutige medizinisch-wissenschaftliche Heilpflanzenlehre auf die Nennung der Wirkungen und Anwendungsgebiete, die einer nach modernen wissenschaftlichen Kriterien angesetzten Überprüfung (v. a. aus klinischen Untersuchungen) standhalten konnten (Vgl. Schilcher 2016:2).
Doch Heilmittel aus Pflanzen sind komplexe Vielstoffgemische und daher schwerer durchschaubar und weniger beherrschbar als Einzelstoffe. Pflanzen sind Lebewesen und haben eine lange Geschichte zusammen mit dem Menschen. In Märchen, in Mythen, in überliefertem Brauchtum und praktizierten Ritualen wird ersichtlich, welche Bedeutungen die einzelnen Pflanzenpersönlichkeiten für den Menschen haben. Die Wirkungen der Pflanzen auf eine Wirkstoffebene zu reduzieren, ist daher schwierig, geradezu unmöglich. Die Placeboforschung hat deutlich gemacht, dass es neben den stofflichen Heilmitteln noch andere Medien gibt, die Heilungskräfte vermitteln. So formuliert Martin Andree in seinem Buch »Placebo-Effekte«: »Jede medizinische Therapie heilt immer auch durch die Kraft von Zeichen und Symbolen – aber gerade dies ist eine Sphäre, die seit der Einengung des Blickwinkels auf physiologische Wirklichkeiten seit Hippokrates innerhalb der Medizin seit jeher unterbewertet wurde.« (Andree 2018:38).
Die Möglichkeiten des Heilens mit Pflanzen berühren eine Schnittstelle von Materie, Geist und Bewusstsein. Sie zeigen uns damit die Begrenzungen unseres heutigen materiell orientierten Weltbildes auf.
»Heutige Naturwissenschaft ruht auf der Annahme, Realität sei grundsätzlich materieller oder physikalischer Natur. Es gibt materielle Wirklichkeit und sonst nichts. Bewusstsein ist ein Nebenprodukt der physischen Gehirntätigkeit. Materie ist ohne Bewusstsein. […] Solche Grundüberzeugungen sind von großer Macht, aber nicht, weil Wissenschaftler kritisch über sie nachdächten, sondern weil sie es eben nicht tun. […] das hinter dem herkömmlichen wissenschaftlichen Denken stehende Glaubenssystem ist ein in der Ideengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts wurzelnder Glaube.« (Rupert Sheldrake 2012:16).
Wie wirkt die Pflanze? – Unser Weltbild im Wandel
Die Placeboforschung hat uns bewiesen, dass es ein Bindeglied gibt zwischen geistigen und physischen Prozessen, denn das sogenannte Placebo hat tatsächlich messbare Wirkungen auf den Körper, ohne dass es ein Agens auf der Ebene der physikalischen Realität gibt. Ein Bewusstseinsinhalt wie die Hoffnung auf Heilung oder das Gefühl, das Problem bewältigen zu können, löst eine Heilreaktion aus, die zumeist auch mit der Reduktion von Angst und Schmerz einhergeht (Vgl. Andree 2018).
»Es gibt in der Pflanzengeistmedizin nur einen einzigen wirksamen Inhaltsstoff – Freundschaft.«
Die Erforschung der Neurobiologie der Pflanzen eröffnet uns faszinierende Einblicke in die Vielfalt der Sinneswahrnehmungen von Pflanzen und zeigt uns, dass Pflanzen intelligente Entscheidungen treffen (Vgl. z. B. Mancuso 2015). Wenn wir diese – nach modernen wissenschaftlichen Kriterien erforschten – Tatsachen endlich auch wirklich anerkennen, wandelt sich unser Weltbild radikal: Wir dürfen unsere geistigen Fähigkeiten zu heilen neu wertschätzen und die Pflanze an sich sowie unsere Beziehung zu den Pflanzen ganz anders wahrnehmen. Tiefgreifende Heilungswege werden dadurch frei.
Inspirationen – Gespräche mit dem Geist der Natur
Die Wahrnehmung verändert das Bewusstsein und mit verändertem Bewusstsein zu handeln, verändert auch die Wirklichkeit.
Eure Wirklichkeit.
Siehe das Wort: Es kommt von Wirken!
In alle eure Tätigkeiten kann das hineinfließen. Und das Heile/Ganze wahr zu nehmen, kann demnach auch Heiles, Ganzes scaffen! Es wird euch gut tun in jeder Zelle eures Körpers, in jedem Gedanken eures Geistes, in jedem Funken eurer Seele.
Pflanzen berühren uns, sie kommunizieren mit uns – auf unterschiedlichen Wegen. Es macht einen Unterschied, ob eine Eiche oder eine Birke vor unserem Fenster steht, ob wir auf einen englischen Rasen oder eine Löwenzahnwiese schauen. Das ist einleuchtend und doch den meisten Menschen nicht so bewusst. Die Farben und Formen der Pflanzen bewirken etwas in uns, auch wie der Wind durch ihre Blätter geht, wie sie duften…
Vom Lesen im »Buch der Natur«
Die Kunde davon, wie die Beobachtung und Wahrnehmung der Pflanzen uns zu Erkenntnissen führen, wird als Signaturenlehre bezeichnet. Die Zeichen der Natur zu lesen und zu deuten, geht mit einer Schulung unseres Bewusstseins einher. Denn wir müssen sehr genau in uns hineinspüren und ehrlich wahrnehmen, was die Zeichen der Natur in uns auszulösen vermögen.
Die Signaturenlehre kann verknüpft mit der Zuordnung der wahrnehmbaren Zeichen zu Grundprinzipien werden – in der Pflanzenheilkunde verwendet man zumeist die Zuordnung zu den sieben Planetenarchetypen: Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn (Vgl. Zuther 2023). Sie beruht auf einem Weltbild, in dem alles mit allem verbunden ist. Es ist ein Denken in Analogien: Bestimmte Grundprinzipien finden sich auf allen Ebenen des Daseins – in unendlicher Vielfalt an Kombinationen – wieder. Dieses altüberlieferte System zu nutzen, hilft uns, größere Zusammenhänge zu erkennen, und hilft uns auch, eine größere Ordnung in der Welt der Dinge zu verstehen. Doch die Zeichen der Pflanzen zu lesen, kann auch auf einer einfachen unmittelbaren Ebene geschehen.
»Pflanzen sind Lebewesen und haben eine lange Geschichte zusammen mit dem Menschen.«
Viele Pflanzen sind für uns Sinnbilder von Schönheit, Harmonie und Lebenskraft. Damit können Pflanzen uns stets Vorbilder sein. Eine Birke kann uns Leichtigkeit vermitteln, eine Eiche Ausdauer und Geborgenheit, ein Gänseblümchen ungebremste Freude an der Regenerationskraft. Pflanzen zeigen uns immer wieder Dinge, die uns Trost spenden, uns Hoffnung geben und uns von Sorgen erleichtern. An den Pflanzen können wir beobachten, dass trotz abgestorbener Teile frisches Austreiben an anderer Stelle möglich ist. Oft zeigen sie uns, dass Eigenschaften zusammen existieren können, die wir in dieser Kombination sonst eher nicht in Verbindung bringen. So verfügt zum Beispiel ein Johanniskraut über einen extrem stabilen Stängel und zeigt uns mit den vielen wie Strahlen aussehenden Staubblättern in den Blüten und den nach oben gebogenen Blättern Symbole für Empfänglichkeit, für Sensibilität. Wir denken oft, dass Lebewesen, die sensibel sind, insgesamt eher schwach und verletzlich sind. Die Beobachtung der Natur löst solche Begrenzungen auf.
Pflanzen zeigen uns in ihrer Vielfalt – in den unzähligen Kombinationen von Eigenschaften und Fähigkeiten, die ihre erfolgreichen Lebensstrategien ausmachen – wie Leben (auch) sein kann. Mit der Botschaft: »So kann man es auch machen!« animieren sie uns, unsere bisherige Sichtweise und Strategie zu überdenken und gegebenenfalls zu verändern. In jeglicher Lebenssituation und bei allen Fragen, die das Leben so an uns stellt, kann uns eine Pflanze zeigen, wie ein Lösungsweg aussehen könnte.
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Schwerpunkt: Die Verbindung von Wissenschaft & Spiritualität
Erschienen: Oktober 2024
Dr. Stephan Krall – Vom Sein zum Bewusstsein • Prof. Dr. Thomas Metzinger – Der Elefant und die Blinden (Teil 2) • Dr. Justina A. V. Fischer – Kann man der Künstlichen Intelligenz ethisches Verhalten beibringen? • Ronald Kahle – Weltkrise und Weltformel • Ronald Engert – Erfahrung, Erkenntnis, Erleuchtung • Svenja Zuther – Die Weisheit der Pflanzen • Sukadev Bretz – 30 Jahre spiritueller Aktivismus • Dr. Annette Blühdorn – »Hab so eine Sehnsucht, mich aufzuspüren« • Dr. Ilona Schönwald – Das vererbte Trauma • Buchbesprechungen • u.v.m.
Zur Autorin
Svenja Zuther, geb. 1972, studierte Biologie an der Freien Universität Berlin und spezialisierte sich in ihrem weiteren Lebenslauf auf Pflanzenheilkunde und spirituelle Naturerfahrung. Seit über 20 Jahren erforscht und lehrt sie die ganzheitliche und spirituelle Dimension der Pflanzenheilkunde. Sie arbeitet mit Einzeltrainings, als Dozentin und Seminarleiterin und ist Autorin mehrerer Bücher. 2006 gründete sie KUDRA NaturBewusstSein in der Lüneburger Heide – einen Ort für Seminare und Rituale, Erkenntnis und Regeneration.
Webseite: kudra.net
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Bildnachweis: © Svenja Zuther
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