Parapsychologie

Parapsychologie

Ein Beitrag zur Bewusstseinsforschung

Anhand der Skizzierung von Psychokinese-Experimenten führt uns der Psychologe und Parapsychologe Dr. Dr. phil. Walter von Lucadou in die moderne wissenschaftliche Arbeitsweise der parapsychologischen Forschung, die in Deutschland ein Schattendasein führt, ein. Dabei werden Sinn und Aufgaben der Parapsychologie beleuchtet, die unter anderem darin liegen, außergewöhnliche menschliche Erfahrungen zu erforschen und Erklärungen hierfür zu finden, jedoch auch einen Beitrag zu aktuellen Bewusstseinsfragen zu leisten – jenseits der gängigen Übertreibungen, Überhöhungen, aber auch Diskreditierungen.

Die Frage nach dem Wesen des menschlichen Bewusstseins wurde in der Psychologie lange Zeit zugunsten operationalisierbarer Fragestellungen wie »Wahrnehmung«, »Lernen«, »Kognition« oder »Motivation« in den Hintergrund gedrängt. Heute gewinnt sie aber zunehmend an Bedeutung, was sich an einer wachsenden Zahl von einschlägigen Publikationen und Tagungen feststellen lässt. Es handelt sich dabei um ein interdisziplinäres Unternehmen, das Mathematik, Physik, Neurophysiologie und Psychologie gleichermaßen beinhaltet. Es wäre unsinnig, die Parapsychologie, obwohl sie ja nach wie vor heiß umstritten ist, bei dieser Diskussion außen vor zu lassen – sie verrät nämlich höchst interessante Einblicke in die Problemstellung und bietet überraschende Lösungsansätze, die sogar experimentellen Überprüfungen standhalten.

Experimente ergaben, dass das Gehirn bereits einige Zeit, bevor man einen »freien« Entschluss fasst, ein »Bereitschaftspotential« erzeugt hat, das die scheinbar freie Handlung determiniert.

Schwierige Fragen der Bewusstseinsforschung

Am 10. November 1619 hatte René Descartes während eines Aufenthalts in Ulm einen merkwürdigen Traum (heute würde man von einem »Klartraum« sprechen), der so realistisch war, dass er sich die Frage stellte, ob nicht alles, was wir erleben, nur ein Traum sei (vgl. Davis, Hersh 1986). Er fragte sich, wie wir feststellen können, dass die »Welt da draußen« wirklich existiert und nicht geträumt ist und weiter, was wir überhaupt mit Sicherheit wissen können. Seine Lösung des Problems bestand darin, dass er davon ausging, dass das Ich-Bewusstsein das einzig Sichere sei, worauf wir uns bei der Frage, wie wir Erkenntnis erlangen, verlassen können: »Ich denke, also bin ich«.

»Ich denke, also bin ich ist ein Satz eines Intellektuellen, der Zahnschmerzen unterschätzt. Ich fühle, also bin ich ist eine Wahrheit von größerer Gültigkeit und betrifft jedes lebende Wesen. Mein Ich unterscheidet sich nicht wesentlich von dem Ihren durch das, was es denkt.«

Auch wenn man Milan Kunderas (1992) Einschätzung teilt, erscheint die Descartsche Betrachtung plausibel und naheliegend.

Im Gegensatz dazu gehen heute viele bedeutende Vertreter der Neuro- und Kognitionswissenschaft und einige Philosophen (zum Beispiel Gerhard Roth, Thomas Metzinger oder Gerhard Vollmer, nur um die wichtigsten deutschsprachigen zu nennen) davon aus, dass das Ich und vor allem die Vorstellung des »freien Willens« nichts anderes sei als eine Illusion, die uns der Bio-Computer Gehirn vorgaukelt. Experimente (unter anderem von Libet et. al. 1983) ergaben, dass das Gehirn bereits einige Zeit (beinahe eine Sekunde), bevor man einen »freien« Entschluss fasst, ein »Bereitschaftspotential« erzeugt hat, das die scheinbar freie Handlung determiniert.

Neurowissenschaftliche Laien bestehen dagegen zumeist hartnäckig auf der realen Existenz des handelnden Ich und zwar in einem tendenziell dualistischen Sinne (vgl. Reuter 1996). Man sagt nämlich nicht: »Ich bin ein Gehirn oder ein Körper«, sondern »Ich habe ein Gehirn und einen Körper«. Typischerweise existiert das Wort »Ich« in allen Kulturen und allen Sprachen zur Kennzeichnung der eigenen handelnden oder erlebenden Person, und es gibt mittlerweile auch bei einigen Primaten oder Meeressäugern Hinweise dafür, dass sie sich als handelndes Subjekt erkennen können. Rätselhaft bleibt aber, dass es Milliarden von menschlichen Gehirnen gibt, aber nur ein einziges, in dem sich die eigene subjektive Perspektive entfaltet.

Die schwierigen Fragen der Bewusstseinsforschung hängen in erster Linie mit dem, was wir empfinden, zusammen: »Wie schmeckt Schokolade?«, »Hat jemand, der behauptet, Zahnschmerzen zu haben, sie wirklich?« Diese Fragen lassen sich nicht objektivieren, obwohl wir davon ausgehen, dass ein menschliches Gegenüber genauso empfindet wie wir selbst. Schmerzen lösen zum Beispiel elektrophysiologische Körperreaktionen aus. Diese sind jedoch nur eine Folge des Schmerzes und haben damit keinen Beweischarakter.
Diese nicht objektivierbaren Empfindungen nennt man »Qualia« und sie weisen eigentümliche Eigenschaften auf:

    • Qualia existieren nicht im physikalischen Raum oder Zeit.
    • Sie sind nicht wahrheitsfähig.
    • Sie sind unausgedehnt und unteilbar.
    • Sie besitzen die sogenannte »Meinigkeit«, das heißt, ich weiß immer nur mit Sicherheit, dass ich so empfinde und es mein privates Empfinden ist und nicht das eines anderen.

 

Ein weiteres schwieriges Problem der Bewusstseinsforschung ist mit dem sogenannten »Mind-Brain-Problem« oder Leib-Seele-Problem angesprochen, das vor allem die Philosophie von alters her umtreibt. Man kann vermuten, dass es schwierig sein wird, eine verbindliche Definition, was Bewusstsein ist, anzugeben, insbesondere eine Definition, die Operationalisierungen – also Umsetzungen in experimentellen Fragestellungen erlaubt.

Heute lässt sich die bekannte Stammtischweisheit »Die Psychologie hat erst die Seele abgeschafft, dann das Bewusstsein verloren und schließlich den Geist aufgegeben« nicht mehr aufrechterhalten – im Gegenteil: Das Bewusstseinsproblem ist zu einem Hauptforschungsschwerpunkt des gegenwärtigen Wissenschaftsbetriebes geworden. Es ist daher nicht meine Absicht, eine vollständige Darstellung dieses Forschungszweiges zu versuchen. Ich will mich vielmehr der Frage zuwenden, ob die Parapsychologie wenigstens zu einigen der oben angerissenen Fragen einen Beitrag zu liefern in der Lage ist.

Parapsychologie, die Wissenschaft im Schatten

Es ist ein verbreitetes Missverständnis anzunehmen, es sei Aufgabe der Parapsychologie, »Psi« oder gar etwas »Übernatürliches« zu beweisen; Beispiele für aufgedeckte Fehlinterpretationen, Täuschungen oder gar Betrug sind Legion. Aufgabe der Parapsychologie ist es vielmehr, »außergewöhnlichen menschlichen Erfahrungen« (AGE, Lucadou 2023), die wiederholt berichtet werden, auf den Grund zu gehen. So jedenfalls hat es Max Dessoir (1889), von dem die Namensgebung dieser »Disziplin« stammt, gemeint: Parapsychologie ist der Versuch, mit den üblichen Methoden der Natur-, Human- und Sozialwissenschaften Erlebnisse zu untersuchen, welche die Betroffenen für »unerklärlich«, »übernatürlich« oder einfach nur »ungewöhnlich« halten. Häufig lassen sich tatsächlich einfache Erklärungen finden, wie zum Beispiel bei dem häufig kolportierten Fall, bei dem sich eine rätselhafte »Geisterstimme« aus einem Teekessel als primitiver Radioempfänger entpuppte. Parapsychologie ist dementsprechend alles andere als eine »Spinnerwissenschaft«, aber da die üblichen akademischen Möglichkeiten – wenigstens in Deutschland – kaum vorhanden sind, ist Parapsychologie zum Tummelplatz für Hobbyforscher und Scharlatane geworden. Die wenigen Wissenschaftler, die professionelle Forschung betreiben, führen ein Schattendasein.

Den Wissenschaftler interessiert in erster Linie – wie in jeder Disziplin – die »Anomalie«, das heißt ein empirischer Befund, der nicht in das bestehende theoretische Raster zu passen scheint, denn nur hier sind wirklich neue Erkenntnisse zu erwarten.

Ich möchte Sie mit zwei Berichten konfrontieren, die sich – sofern man sie ernst nimmt – nicht so ohne weiteres konventionell erklären lassen.

Der erste Berichterstatter schreibt: »Als neunzehnjähriger Student bin ich bei einer militärischen Übung in Würzburg schwer verunglückt und mit knapper Not einem sicheren Tode entgangen. Ich stürzte auf dem schmalen Rand eines steilen Hohlweges reitend mit dem sich aufbäumenden und sich überschlagenden Pferde in einem in der Tiefe des Hohlweges fahrende Batterie und kam unter dem Rad eines Geschützes zu liegen. Im letzten Augenblick hielt das mit sechs Pferden bespannte Geschütz an und ich kam mit dem Schrecken davon. Dies hatte sich in den Vormittagsstunden eines schönen Frühlingstages zugetragen, am Abend desselben Tages erhielt ich von meinem Vater eine telegrafische Anfrage, wie es mir gehe. Es war dies das erste und einzige Mal in meinem Leben, dass ich eine solche Anfrage erhielt. Meine älteste Schwester, mit der ich in besonders innigem geschwisterlichen Verkehr stand, hatte diese telegrafische Anfrage veranlasst, weil sie plötzlich meinen Eltern gegenüber behauptete, sie wisse bestimmt, dass mir ein Unglück zugestoßen sei.«

Aufgabe der Parapsychologie ist es vielmehr, »außergewöhnlichen menschlichen Erfahrungen«, die wiederholt berichtet werden, auf den Grund zu gehen.

Dieser Bericht stammt von keinem Geringeren als dem Neurophysiologen Hans Berger (1940), dem Entdecker der Elektroenzephalographie. Er berichtet, dass dieses Erlebnis ihn dazu gebracht habe, nach den elektrischen Aktivitäten des menschlichen Gehirns zu suchen, die er daraufhin auch nachweisen konnte. Allerdings war ihm klar, dass die elektrische Aktivität des Gehirns als Erklärung für sein Erlebnis nicht infrage kommt, weil sich herausstellte, dass die Hirnaktionspotentiale zu schwach sind, um für eine »telepathische« Übertragung eine Rolle zu spielen.

Der zweite Bericht stammt nicht von der betroffenen Person selbst, sondern von zwei Zeugen, die sich Mühe geben, ihre Erlebnisse präzise aufzuschreiben:

»Ich schaute mit meiner Frau Fernsehen und Klara schlief fest auf der Couch. Plötzlich sah ich meinen Hund, der wie von einer Biene gestochen, hochfuhr, sich um die eigene Achse drehte, dann durch das Wohnzimmer flog und am Wohnzimmerschrank abprallte. Er zitterte am ganzen Körper, dann war alles so plötzlich wieder vorbei, wie es angefangen hatte. Der Hund ging zu Klara und stupfte sie mit der Schnauze und liebkoste sie. Meine Frau war ganz weiß im Gesicht und völlig faßungslos. Sie erzählte mir das mit der Brille [die vor ihren Augen von alleine in die Höhe geschwebt war (meine Ergänzung)] und fragte mich, ob ich das auch gesehen hätte, aber ich war so mit meinem Hund beschäftigt und hatte auch nicht die Blickrichtung meiner Frau, so dass ich ihr das nicht bestätigen konnte. Klara war nach außen hin sehr gelassen und sagte meiner Frau, dass sie sich nicht ängstigen soll, das wäre nur ein Zeichen, dass sie nicht mehr zu uns kommen soll, was wir aber alle beide auf keinen Fall wollen. Klara ist schon lange eine sehr gute Freundin für uns, und das wird sie auch unter allen Umständen bleiben, egal was noch alles passiert.«

Traditionellerweise wurden solche Erlebnisse »Geistern« oder anderen »metaphysischen« Wesen zugeschrieben. Falls sich diese Betrachtungsweise als die einzig mögliche herausstellen sollte, so wäre dies auch ein Beitrag zum Bewusstseinsproblem, denn es würde aufzeigen, dass das Bewusstsein nur dualistisch beschrieben werden kann, dass also der Geist unabhängig vom Körper existieren kann. Allerdings verwendet die wissenschaftliche Parapsychologie aus guten Gründen diesen Ansatz nicht (Lucadou 2023, 2025). Sie untersucht vielmehr seit mehr als hundert Jahren die Frage, ob es denn möglich sei, dass der Mensch über die bisher bekannten Sinne hinaus über einen weiteren »Informationskanal« verfügt, mit dem er auf »außersinnliche« Weise über große Entfernungen hinweg oder gar in die Zukunft hinein etwas erfahren kann. Dies wird vorläufig als »Außersinnliche Wahrneh­mung« (ASW) bezeichnet. Außerdem geht die Parapsychologie der Frage nach, ob der Mensch über eine rätselhafte Kraft des »Geistes über die Materie«, der »Psychokinese« (PK) verfügt, mit der er »magische« Wirkungen hervorbringen kann – eine Vorstellung, mit der die oben geschilderten Beispiele von AGE »erklärt« werden könnten, ohne auf die »Geisterhypothese« zurückgreifen zu müssen.

Tattva Viveka Nr. 103

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Schwerpunkt: Parapsychologie
Erschienen: Juni 2025

Dr. Dr. Walter von Lucadou – Parapsychologie: Ein Beitrag zur Bewusstseinsforschung • Prof. dr. Stefan Schmidt – Experimentelle Parapsychologie • Birgit Feliz Carrasco – Hellfühligkeit • Dr. Gerhard Mayer – Magick in der Praxis • Dr. Marc Wittmann – Wenn die zeit verrükt spielt • Astrid Gutowski – Widerstandskraft in herausfordernden Zeiten • Hajo Michels – Scheinheilig: Entlarve die Schattenseiten der Spiritualität • Armin Denner – Die Großen Tarot Arkana • Dr. Rüdiger Sünner – Orte, die zur Seele sprechen • Kevin Johann – Soma • Sophie Baroness von Wellendorff – Wenn Licht und Dunkelheit tanzen • Buchbesprechungen • u.v.m.

Zum Autor

Dr.rer.nat. Dr.phil. Walter von Lucadou, geb. 1945, Studium der Physik und Psychologie in Freiburg i. Br. und Berlin. 1979 bis 1985 wissenschaftlicher Assistent an der Abteilung für Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie der Universität Freiburg i. Br., 1985 bis 1987 Gastprofessor am Parapsychologischen Laboratorium der Universität Utrecht (Niederlande), 1987 Forschungsaufenthalt an der Princeton University (USA). Seit 1989 Leitung der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg im Breisgau. Lehrbeauftragter an verschiedenen Fachhochschulen und Universitäten. Mitherausgeber der »Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie« und der Zeitschrift »Cognitive Systems«.

Webseite: parapsychologische-beratungsstelle.de

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