Porträt über Vandana Shiva

Porträt über Vandana Shiva

Soziale Aktivistin, Wissenschaftlerin und Ökofeministin

Autor: Claudia Nussbaumer
Kategorie: Ökologie

Vandana Shiva (* 5. November 1952 in Dehradun) ist eine Wissenschaftlerin, soziale Aktivistin und Globalisierungskritikerin, sowie Autorin zahlreicher Bücher. Für ihr Engagement in den Bereichen Umweltschutz, biologische Vielfalt, Frauenrechte und Nachhaltigkeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Ihr wurde 1993 der Right Livelihood Award – inoffiziell auch Alternativer Nobelpreis genannt – verliehen, weil sie die Themen Feminismus und Ökologie in den Mittelpunkt des Diskurses um moderne Entwicklungspolitik gestellt hat. Sie ist unter anderem Mitglied des Club of Rome und der Internationalen Organisation für eine Partizipatorische Gesellschaft (IOPS). Des Weiteren ist sie Mitglied beim World Future Council.

Ökofeminismus

Ein Teil ihres Wirkens ist der Ökofeminismus, zu dem sie 1993 ein gleichnamiges Buch veröffentlichte. Zusammen mit Maria Miles hat sie den Zusammenhang von patriarchaler Gesellschaft und Umweltzerstörung untersucht. Dabei unterstreichen sie, dass es wichtig ist, den Wert der Natur nicht anhand von finanziellen Werten anzusehen, wie es einige männliche Vertreter der Industrie tun, sondern als von Grund auf wichtig anzusehen. Dabei definieren sie männlich geprägte Werte und inwiefern diese zu ökologischer Zerstörung, Ausbeutung und Militarismus führen. Des weiteren werden im Gegenzug auch weibliche ökologische Werte definiert. Der Theorie des Ökofeminismus zufolge, basiert die Jahrtausende alte patriarchale Gesellschaft auf Hierarchien und Konkurrenz. Erfolg wird anhand des Ausmaßes des individuellen Zuwachses gemessen, und nicht am generellen Gemeinwohl.

Gentechnik bezeichnet Shiva als ‘Kolonialismus der Pflanzen, Tiere und Menschen’, da die multinationalen Konzerne zunehmend die Kontrolle über das Leben an sich reißen. Diesen Prozess führt sie auf patriarchale Werte zurück. Der männlich geprägte Machtbegriff muss neu erfunden werden und eine andere Definition bekommen.

Die bisherige Bedeutung von Macht, ausgerichtet auf Dominanz, Kontrolle und Beherrschung, muss abgeändert werden in eine innere Macht, die sich gegen jegliche Form von Unterdrückung richtet, ermutigt und nicht auf Kosten anderer sich bereichert.

Kritiker des Ökofeminismus betrachten die Annahme von Shiva und Mies, dass es eine besonders privilegierte Beziehung zwischen Frauen und Natur gibt und die Beziehung der Frau zur Natur zu den notwendigen Eigenschaften von Frauen gehört, aus poststrukturalistischer Ansicht als essenzialistisch. Dabei kritisierte Meera Nanda in ihrem Buch „Prophets Facing Backward: Postmodern Critiques of Science and Hindu Nationalism in India (2003)“, dass durch die Gleichsetzung von Natur mit einer nährenden Mutter die Unterdrückung von Frauen mithilfe dieses Bildes ignoriert werde.

Globalisierungskritik

Vandana Shiva engagiert sich vor allem gegen die voranschreitende Monopolstellung von transnationalen Unternehmen, besonders jene, die versuchen, einen einen zunehmenden Einfluss auf die indische Landwirtschaft zu haben. Die Bauern, die sich mit ihr engagieren, sieht sie als Nachfolger der anti-imperialistischen Tradition Mahatma Gandhis. Dies wird sichtbar durch die weitere Benutzung des Slogans ‘Quit India’ (deutsch ‘verlasse Indien’), welcher ursprünglich den englischen Kolonisatoren galt, nun aber an Gentechnikfirmen wie Monsanto und Recetec gerichtet wird. Des weiteren kritisiert sie das Patentdenken dieser Konzerne, welches nun auf Entwicklungsländer angewandt wird und zur Patentierung von traditionellen und heimatlichen Pflanzen führt. Deren vermeintliches Motiv, durch Gentechnik den Welthunger zu stillen, sieht sie als Vorwand für Weltmarktwirtschaft an. Anhand dieser Kritik schaffte sie es mithilfe ihres Instituts The Research Foundation for Science Technology and Ecology, der International Federation of Organic Agriculture und anderen Bewegungen einen Einspruch beim Europäischen Patentamt (EPA) gegen die Patenterteilung auf das Öl des Niembaumsamen an die Firma Grace zu erheben. 2005 wurde die Patentierung endgültig von der EPA zurückgewiesen.

Zusätzlich entwickelte sie eine Alternative zur neoliberalen Globalisierung, die sie ‚Erd-Demokratie‘ nennt. Es beruht auf zehn Prinzipien, die sich im Wesentlichen an dem ‘inneren gemeinsamen Wert’ aller Spezies, Völker und Kulturen orientiert und den es zu respektieren gilt.
Vandana Shiva nimmt auch aktiv an der öffentlichen Debatte zur Klimakrise teil. Sie war Mitunterzeichnerin eines offenen Briefes, in dem zum Anschluss an Bewegungen wie Extinction Rebellion und zu Konsumverzicht aufgerufen wird. Zusätzlich wird thematisiert, dass die Politik soweit daran gescheitert ist, ausreichende Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise zu erarbeiten.

Landwirtschaft

Ein weiteres Interessengebiet von Shiva ist die Landwirtschaft. Sie begann vor allem mit ihrer Kritik an der ‘Grünen Revolution’ in Indien, welche die Strategie hatte, Bauern in Entwicklungsländern in den Weltmarkt für Düngemittel, Saatgut und Pestizide einzubinden. Jedoch führte dies, nach der Meinung von Shiva, zu ökologischen und kulturellen Entwurzelung, d.h dem brüchig werden der Verbindung der Bauern zum Boden und zur Gemeinschaft. Dies lässt sich erstens an den religiösen Aufständen im Bundesstaat Punjab mit zahlreichen Todesopfern und zweitens an der Katastrophe von Bhopal sehen, bei der eine Chemiefabrik der US-amerikanischen Firma Union Carbide, die Pestizide produzierte und mehrere Tonnen Giftgas freisetzte, die mehrere tausend Menschen tötete. Weitere Kritik richtete sie gegen die damit einhergehende Kommerzialisierung der Landwirtschaft und die damit verbundene Desintegration. Folgen davon sind krankheitsanfällige Monokulturen und Hybridpflanzen.

Shivas Ziele sind es, einheimisches Saatgut frei verfügbar für Dorfgemeinschaften zu halten, keine Chemie zu verwenden und die Landwirtschaft lokal zu verorten, also als ein Gemeinschaftsbesitz anzusehen. Multinationale Konzerne sollten keine Eigentümer von Landwirtschaft sein.

Multinationale Konzerne sollten keine Eigentümer von Landwirtschaft sein.

Dies seien nicht schlechte Vorhaben, jedoch wurde sie vom Liberty Institute India für ihre Ablehnung von Gentechnik in der Landwirtschaft und Verteidigung von traditionell ökologischen Formen der Landwirtschaft kritisiert. Letztere hatten bis zum Anfang der Grünen Revolution in den 1960er Jahren, regelmäßig zu Hungersnöten eines Zehntels der indischen Bevölkerung geführt.

Ein weiterer Aspekt von Shivas sozio-landwirtschaftlicher Position wurde kritisiert, als sie die Auffassung äußerte, dass transgene Baumwolle mit ihrem höheren Preis und jährlichem Nachkaufen des Saatguts zu der Verschuldung von tausenden Bauern und deren Selbstmord führte. Sie sprach von einem ‘Genozid’ an 270.000 indischen Bauern. Jedoch habe sie in diesem Zusammenhang, dem Politikwissenschaftler Ronald Herring1 zufolge, Fehlinformation verbreitet. Die Selbstmordrate unter Bauern blieb im dem entsprechenden Zeitraum von 1997 bis 2009 relativ konstant und ging von den anfänglichen 18000 stetig bis 2016 auf 12000 Suizide pro Jahr zurück.

Trotz dieser Kritiken wurde Shiva 2002 mit dem Titel „Hero of the Green Century“ des Time Magazines ausgezeichnet, im besonderen für ihren Einsatz für unabhängiges Saatgut.

Kritik an multinationalen Konzernen

In mehreren Interviews fordert Vandana Shiva einen Kampf gegen die obersten ein Prozent der Menschen, um den Klimawandel zu stoppen und für soziale Gerechtigkeit zu einzutreten. Dazu gehört auch ihre Kritik an multinationalen Unternehmen, die dadurch begründet wird, dass diese oft keine Heimat, Loyalität oder Verantwortung gegenüber den Bürgern haben und in Steueroasen arbeiten.

Sie entwickelte das Konzept der ‚Geldmaschine‘, durch die Geld von diesen Unternehmen geschaffen und angehäuft wird. Eigentumsrechte und Patente sind dabei zentral, da sie wie ein Mieteinzugssystem funktionieren. Ihre wachsende Macht nutzen Konzerne, um Politiker zu unterstützen, die ihre Werte vertreten und somit für eine Änderung des Steuersystems zu sorgen, um Steuerbefreiungen für sie zu erreichen.

Gründungen

1991 gründete sie die Organisation Navdanya, welche „neun Staaten“ oder „neun Samen“ bedeutet. Symbolisch möchte dieser Name auf die Vielfalt und den Schutz von biologischem Saatgut hinweisen. Das Netzwerk besteht aus mehreren lokalen Gemeinden und indischen Organisationen. Sie setzt sich für die Sicherung und Bewahrung von regionalem und traditionellem Saatgut ein, indem sie Saatgut sammeln und auf einer Versuchsfarm anbauen. Damit beabsichtigen sie, diese Sorten vor dem Aussterben zu schützen, biologische Anbauweisen zu fördern, Bauern vor der Abhängigkeit von patentiertem Saatgut zu schützen und die Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen, indem lokale Märkte gestärkt werden. Dazu errichtete Navdanya vierzig Saatgutbibliotheken in dreizehn indischen Staaten und bietet parallel Kurse über biologische Anbauweisen für Bauern an. 70.000 Bauern sind Mitglied der Organisation.

Im Jahr 2001 gründete Shiva auch die Schule und Farm Bija Vidyapeeth, die Kurse zu Themen wie Biodiversität und biologischer Landwirtschaft anbietet. Zudem werden die Philosophie von Mahatma Gandhi und die Menschenrechte im Angesicht der wachsenden Globalisierung behandelt.

Fußnoten:
1) Quelle: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1871678410004528 [zurück nach oben]

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