Pythagoras und die Pythagoreer

Pythagoras und die Pythagoreer

Spurensuche an der Wiege der abendländischen Kultur

Autor: Lothar Diehl
Kategorie: Griechische und Ägyptische Antike
Ausgabe Nr.: 43

Pythagoras, der altgriechische Philosoph und Ahnherr der Harmonik, ist von Sagen umwoben. Von ihm sind keine Schriften überliefert und was wir heute wissen, wurde erst Jahrhunderte später aufgezeichnet. Gleichwohl beeinflussen pythagoreische Ideen seit mehr als 2000 Jahren die abendländische Kultur. In ihnen verbinden sich praktische Lebensführung, naturwissenschaftliche Forschung und spirituelle Weisheit.

Schon zu Lebzeiten scheinen euphorische Anhänger sowie rigorose Gegner Legenden um Pythagoras gesponnen zu haben. Bis heute streiten sich Forscher darüber, ob er als eine Art kreativer Schamane, charismatisch religiöser Führer oder als seriöser Pionier früher Wissenschaft eingestuft werden muss. Vermutlich verkörperte er alles zusammen. So hält das Interesse für seine Persönlichkeit seit fast 2600 Jahren ungebrochen an. Betrachten wir allerdings das uns zur Verfügung stehende Schrifttum über ihn, finden wir keine einzige Zeile aus erster Hand überliefert.

Pythagoras und die Pythagoreer
Pythagoras-Münze, 3. oder 4. Jh. n. Chr., wobei das Portrait der Wirklichkeit vielleicht recht nah kommen könnte. Zeitgenossen fabeln von seinen Wundertaten, von Fähigkeiten zur Wahrsagerei, zur Bilokation (an zwei Orten gleichzeitig zu sein) und mit Tieren zu reden.

Haben doch die Pythagoreer aus der Gründerzeit ihrer Gemeinschaft eine von ihrem »göttlichen Meister« auferlegte Schweigepflicht sehr erst genommen. Wenn wir den Philosophen Philolaos (ca. 470-399 v. Chr.) zunächst ausklammern, so stammen die frühesten pythagoreischen Schriften erst aus dem dritten nachchristlichen Jahrhundert. So spannt sich bereits zwischen erster Überlieferung und eigentlicher Quelle ein ungeheurer Zeitraum von achthundert Jahren. Porphyrios, Diogenes Laertios und Jamblichos2 waren allesamt so genannte Neupythagoreer des 3. und 4. Jahrhunderts n. Chr., wobei die Glaubwürdigkeit ihrer unbekannten Gewährsleute leider unüberprüfbar bleibt. Zu dieser Zeit hatten auch die christlichen Lehren begonnen, das Abendland umzugestalten.

Das Leben des Pythagoras

Seine Lebensdaten geben die Biografen recht unterschiedlich an: Gemäß Porphyrios wurde er während der 43. Olympiade3 geboren, also zwischen 608 und 604 v. Chr. Andere Quellen geben hierfür den Zeitraum 587-580 v. Chr. an. Als sein Geburtsort gilt die Insel Samos, obwohl Jamblichos Sidon in Phönizien angibt. Auf jeden Fall scheinen Pythagoras auf Samos bereits in jungen Jahren göttliche Ehren zuteil geworden zu sein. Man dichtete ihm einen »goldenen Schenkel« an und hielt ihn für einen »Sohn des Apollon«. Sollte doch das Delphische Orakel bereits vor seiner Geburt geweissagt haben, der Knabe werde alle an Schönheit und Weisheit übertreffen und dem Menschengeschlecht in allen Lebensbereichen ein großer Helfer sein. Deshalb sei ihm auch der Name Pythagoras gegeben worden, der auf Apollon Pythios hinweise. Sein Vater Mnemarchos ließ ihn vielseitig unterweisen, »so dass seine Kenntnisse bald denen gleichkamen, die den Heiligtümern vorstanden.« (9) Sein Wesen wurde, so lesen wir, »durch Gottesdienste, Wissenschaften und ausgewählte Lebensformen, Beständigkeit der Seele und körperliche Zurückhaltung, innere Heiterkeit in Wort und Tat und einer unnachahmlichen Seelenruhe geprägt, die nie einer Wallung oder Voreiligkeit zum Opfer fiel, so dass er einem guten Daimon glich, der auf Samos eingekehrt war.« (10) Als Jüngling erwarb er bei den 48. Olympischen Spielen als Faustkämpfer die Siegerehrung.

Bis heute streiten sich Forscher darüber, ob er als eine Art kreativer Schamane, charismatisch
religiöser Führer oder als seriöser Pionier früher Wissenschaft eingestuft werden muss.

Nachdem sich aber der Tyrann Polykrates zum strengen Alleinherrscher von Samos erhoben hatte, flüchtete der etwa achtzehnjährige Oppositionelle bei Nacht und Nebel zusammen mit seinem Vertrauten Hermodamas nach Milet in Kleinasien. Dort nahmen ihn die Naturphilosophen Anaximander (ca. 610-546 v. Chr.) und Thales (ca. 624-546 v. Chr.) freundlich auf, gewannen ihn lieb, bewunderten sein Talent und ließen ihn an ihrer Gedankenwelt teilhaben. (11) »Thales hatte seine Schüler unterwiesen, mit der Zeit sorgsam umzugehen; so dass Pythagoras dem Alkohol und fleischlicher Nahrung entsagte und nur leichtverdauliche Nahrung zu sich nahm, wodurch er sich eines geringen Schlafbedürfnisses und einer eisernen Gesundheit erfreuen konnte.« (13) Thales war es auch, der ihm riet, nach Ägypten zu reisen und dort vor allem mit den Priestern in Memphis und Theben (dem griechischen Diospolis) zusammenzukommen, »denn von ihnen habe er selbst sein Wissen erhalten«. (12)

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Pythagoras und seine Schule

Nach seiner Ankunft in Sybaris im Jahr 525 v. Chr.4 erwählte Pythagoras Kroton an der Ostküste Kalabriens zu seiner neuen Heimat. Nach einer »Mahnrede« sollen sich ihm an die 600 Zuhörer angeschlossen haben. Sie begeisterten sich nicht nur für die von ihm vermittelte Philosophie, sondern gründeten darüber hinaus nach seiner Vorschrift eine Lebens- und Gütergemeinschaft. Pythagoreer-Orden der Neuzeit erklären diese Datum gern als Beginn ihrer Mysterienordenstradition, denn Pythagoras soll bereits zwischen Philosophen (den späteren esoterikoi) und bloßen Zuhörern (akusmatikoi) unterschieden haben. Bei seiner einzigen bekannt gewordenen öffentlich gehaltenen Rede hätten sich über 2000 Zuhörer seiner Gemeinschaft angeschlossen; in dieser Zahl sind sich Nikomachos und Jamblichos einig.

In Milon, dem reichsten Bürger Krotons, fand Pythagoras auch seinen idealen Mäzen. Dessen wohl recht geräumiges Haus avancierte bald zum Zentrum der Gemeinschaft, darunter angeblich auch zahlreiche Frauen. Pythagoreer waren äußerlich an ihren Tuniken aus weißem Leinen zu erkennen. Ihr Leben bestimmte ein strenger Sittenkodex, denn ihr Tagesablauf verlief nach strengen Regeln, die der körperlichen und moralischen Ertüchtigung dienten. Sie beinhalteten rituelle Waschungen, Gedächtnistraining und das eigentliche Studium der Lehren (den sog. mathemata), die unter anderem unsere heutige Mathematik, Geometrie, Zahlenmystik und Musik beinhaltete. Die gemeinsamen Mahlzeiten bestanden aus meist vegetarischen, aufeinander abgestimmten Speisenfolgen, bei denen bekanntlich auf Ackerbohnen (Vica faba) verzichtet werden musste. Weiterhin pflegte die Gemeinschaft Musik, Tanz und Meditation. Die pythagoreischen Lebensregeln sind in den (später entstandenen) Goldenen Versen enthalten, die noch spätere Nachfolgeorden ihrem Kodex zugrunde legten.

Spurensuche an der Wiege der abendländischen Kultur
Pythagoras Büste, Palazzo Nuovo, Rom. Heraklit von Ephesos (um 520 – 460 v. Chr.) warf Pythagoras vor, zwar von allen Menschen am meisten Wissen gesammelt, aber damit eine eigene Weisheit geschaffen zu haben – Vielwisserei mit faulen Tricks.

Das traditionelle System der Pythagoreer wurde in vier Stufen durchmessen, nämlich der akusmatikoi, physikoi-mathematikoi, sebastikoi und politikoi. Iamblichos schreibt dazu: »Hatte man die Adepten auf Grund ihrer Lebensführung und ihrer sonstigen guten Lebensart nach des Meisters Urteil für würdig befunden, die Lehren zu empfangen, so wurden sie nach dem fünf Jahre langen Schweigen für den Rest ihres Lebens zu esoterikoi und durften den Pythagoras innerhalb des Vorhangs hören und sehen, während sie vorher nur außerhalb desselben durch bloßes Hören an den Unterweisungen teilhaben konnten, ohne Pythagoras jemals zu Gesicht zu bekommen…« (72) Jamblichos berichtet auch, wie die in die Gemeinschaft Aufgenommenen in Gruppen eingeteilt wurden, »denn es wäre doch wohl nicht angemessen gewesen, wenn alle gleichermaßen an denselben Lehren teilgenommen hätten, da sie doch verschieden veranlagt waren. Nur den einen, den Pythagoreern, schrieb er Gütergemeinschaft vor und ununterbrochenes Zusammenleben, während er den anderen, den Pythagoristen, ihr Privateigentum beließ und sie jeweils zu gemeinsamen Studien zusammenkommen ließ.« (81)

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Harmonikale Symbolik

Übereinstimmend mit den alten Hochkulturen existiert selbst noch bei den Naturvölkern die Vorstellung, dass die Welt aus einem Urklang entstanden sei und auch in ihrem Fortbestehen musikalische Gesetze einen wesentlichen Anteil haben.7 Deshalb sollte ein Mensch diese höhere Ordnung kennen, will er sich harmonisch in den Ablauf des kosmischen Geschehens eingliedern. Die Musikpraxis der Naturvölker basiert dabei – ähnlich den Mysterienkulten – auf der Magie der Entsprechungen im Nach- bzw. Mitvollzug des Naturwaltens. Und selbst in jüdisch-christlicher Tradition spricht Gott die Schöpfungsworte aus, wobei der Urklang Verbindung mit den Urwassern hat, während das Feuer Bezug zum Rhythmus der Urschwingungen aufweist.

Dies sind Ausschnitte aus dem Artikel.

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Über den Autor

Lothar Diehl, geb. 1937, Ingenieur der Nachrichtentechnik. 10 Jahre Leitung von Entwicklungshilfeprogrammen in Lateinamerika. Sein Führer für Suchende auf den  Erkenntniswegen des Westens ist unter dem Titel Initiatenorden und Mysterienschulen bereits in zweiter (wesentlich erweiterter) Auflage im Buchhandel verfügbar.

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