Widerstandskraft in herausfordernden Zeiten

Widerstandskraft in herausfordernden Zeiten

Symposium »Resilienz in Psychotherapie und Spiritualität« am Benediktushof, Holzkirchen (Würzburg)

Autor: Astrid Gutowski
Kategorie: Psychologie
Ausgabe Nr: 103

In einer Gesellschaft, in der jedem einzelnen viel abverlangt wird, ist die Fähigkeit zur schnellen Regeneration unerlässlich. Doch wie bleiben oder werden wir resilient? Astrid Gutowski berichtet vom Symposium »Resilienz in Psychotherapie und Spiritualität« am Benediktushof in Holzkirchen, das unterschiedliche Perspektiven auf das Thema beleuchtete.

Wir leben in herausfordernden Zeiten, täglich ereilen uns neue Schlagzeilen, in einer Welt, die zunehmend von Unvorhersehbarkeit, Unsicherheit und Geschwindigkeit geprägt ist. Viele Menschen fühlen sich zunehmend bedroht und entwickeln stressbedingte Beschwerden und Angststörungen. So ist es nicht verwunderlich, dass das Bedürfnis oder die Suche nach mehr Resilienz, nach einem »Mehr« an seelischer Widerstandskraft, uns allgegenwärtig erscheint. Doch was verstehen wir eigentlich genau unter dem Begriff der Resilienz? Und wie kann Resilienz erlernt und vertieft werden, in einer Zeit, in der althergebrachte Strukturen zunehmend schwinden und stetig neue Ungewissheiten entstehen?

Dies war (auch) die zentrale Fragestellung des diesjährigen Symposiums am Benediktushof in Holzkirchen (bei Würzburg), mit dem Titel: »Resilienz in Psychotherapie und Spiritualität. Zwischen Ich-Stärkung und Selbst-Aufgabe«. Referenten und Referentinnen aus Psychologie, Theologie, Yoga und Meditation untersuchten in Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden, wie Psychotherapie und spirituelle Praktiken hilfreich sein können, einen besseren Umgang mit einer immer komplexeren Welt zu finden/zu gestalten.

»Resilire«, der lateinische Begriff entstammt ursprünglich aus der Physik und beschreibt die Fähigkeit eines Materials, nach Belastung oder Verformung durch äußere Einwirkung in seine ursprüngliche Form zurückzuspringen. Übertragen auf Psychologie und Therapie bezeichnet Resilienz die Fähigkeit eines Menschen, Krisen mithilfe persönlicher und sozialer Kompetenzen erfolgreich zu bewältigen und aus ihnen gegebenenfalls sogar gestärkt hervorzugehen. Laut dem Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) in Mainz unterstützen eine Reihe evidenzbasierter »Resilienzfaktoren« wie beispielsweise eine optimistische Denkweise, ein hohes Selbstvertrauen oder ein gutes soziales Umfeld, entsprechende positive Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Eine solide psychische Widerstandskraft sei daher, aus Perspektive des Leibniz-Instituts, häufig auch das Ergebnis gelungener Adaptationsprozesse an äußere und innere Stressoren.

Resilienz in spirituellen Zusammenhängen wiederum wird häufig eher als eine Fähigkeit zur Hingabe oder als Überwindung des eigenen Ichs beschrieben, um so in eine tiefere und letztendlich stärkende Einheit mit einem großen Ganzen zu gelangen. »Hier ist also die finale Deutungshoheit alles andere als geklärt«, erläuterte Alexander Poraj, Mitglied des spirituellen Leitungsteams des Symposiums, »alle Referenten und Teilnehmer waren somit herzlich eingeladen, sich in einen multidisziplinären und lebhaften Austausch über das vielschichtige Thema Resilienz zu begeben.«

Gedenktafel an den Begründer des Benediktushofs Willigis Jäger
Gedenktafel an den Begründer des Benediktushofs Willigis Jäger

Selbstwert und Selbstwertschätzung

Den Auftakt der gut besuchten, dreitägigen Veranstaltungsreihe gestaltete Daniela Blickhan, Diplom-Psychologin aus Rosenheim, mit ihrem Vortrag: »Selbstwert und Selbstwertschätzung«.

»Wenn wir einmal die Metapher des Autofahrens nehmen, ist der beste Selbstwert der, welcher recht unbemerkt im Hinterkopf/Hintergrund mit uns mitfährt. Wir sind unterdessen mit unserer Aufmerksamkeit auf die vor uns liegende Straße ausgerichtet, auf unsere nächsten Ziele und Vorhaben, in den Rückspiegel schauen wir nur bei Bedarf.« Der fragile Selbstwert wiederum, sei mit uns weit mehr im Vordergrund unterwegs. Er schaut häufig in den Rückspiegel und fragt sich: »War das jetzt gut genug? Habe ich alles richtig gemacht? Was denken die anderen über mich?« Letzterer Selbstwert sei häufig instabil und brauche viel Zuspruch und Bestätigung von außen. Blickhan betonte, wir alle würden zumindest Phasen in unserem Leben kennen, mit einem eher fragilen Selbstwertempfinden, gerade auch in Krisen oder herausfordernden Zeiten. Die zentrale Frage sei also: Was kann ich einerseits für mich selbst tun und was können wir in der Arbeit mit unseren Klienten tun, um in Zeiten eines fragilen Selbstwertempfindens, diesen positiv zu beeinflussen und zu stärken?

Eine solide psychische Widerstandskraft sei daher, aus Perspektive des Leibniz-Instituts, häufig auch das Ergebnis gelungener Adaptationsprozesse an äußere und innere Stressoren.

Die Forschung zum Thema Selbstwert ist in der Hinsicht lange Zeit von einem lediglich kompetenzbasierten Ansatz ausgegangen, frei nach dem Motto: »Ich kann was, ich leiste etwas, (ergo)/also bin ich erfolgreich und erlebe mich als wertvoll.« Dieser Ansatz hatte Gültigkeit, bis erkannt wurde, allein dieser leistungsorientierte Fokus schafft keinen wirklich stabilen Selbstwert. Erst wenn eine zweite Dimension der Selbst-Wertschätzung, also die eines Bewusstseins für den eigenen Wert hinzukommt, unabhängig von äußerer Anerkennung oder eigener Leistung, stärkt das nachhaltig und spürbar den Selbstwert.

Dieses beschreibt auch der amerikanische Psychologe Christopher Mruk in seinem (vierdimensionalen) »Model of Self Esteem«. Mruk betrachtet Selbstwert als ein komplexes Zusammenspiel von erlebter Kompetenz und individuellem Selbstwertempfinden. Sind beide Komponenten ausgeprägt, erleben wir ein Gefühl von Selbstwert und Selbstwirksamkeit. Ein gesunder Selbstwert entsteht, wenn wir uns sowohl unserer Fähigkeiten als auch unseres eigenen Wertes bewusst sind.

Vier-Felder-Modell / Self-Esteem-Modell (C. Mruk)
Vier-Felder-Modell / Self-Esteem-Modell (C. Mruk)

Vier-Felder-Modell / Self-Esteem-Modell (C.Mruk)

Hohe Kompetenz & hoher Selbstwert: Dies führt zu einem stabilen und gesunden Selbstwertgefühl, da wir uns sowohl fähig als auch wertvoll fühlen. Wir erkennen unseren eigenen Wert in allen Lebenslagen, auch schwierigen, an und wissen, dass wir Herausforderungen selbstwirksam und lösungsorientiert meistern können.

Hohe Kompetenz & niedriger Selbstwert: Hier kann eine sehr leistungsorientierte Selbstwertkonditionierung entstehen, die eigene Anerkennung und Akzeptanz basiert häufig auf Erfolg und Leistung. Das führt oft dazu, dass wir uns nur dann als wertvoll erleben, wenn wir richtig viel leisten, also viel erreichen wollen im Leben. (Burnout-Gefahr!)

Niedrige Kompetenz & »hoher« Selbstwert: Hier gibt es wenig erlebte Kompetenz, Menschen mit diesem Empfinden suchen viel Aufmerksamkeit und Bestätigung im Außen und kompensieren häufig Gefühle von Unsicherheit durch eine Überbetonung des eigenen Wertes.

Niedrige Kompetenz, niedriger Selbstwert: Dieser Zustand führt zu einem geringen Selbstwert, Antriebslosigkeit und negativen Selbstkonzepten. Menschen in dieser Lage empfinden oft Resignation und betrachten sich häufig als unfähig und nicht liebenswert.

Ein gesunder Selbstwert entsteht, wenn wir uns sowohl unserer Fähigkeiten als auch unseres eigenen Wertes bewusst sind.

Mit dem Selbstwert-Modell von Mruk lasse sich das Selbstwertgefühl auch als etwas verstehen, so Blickhan weiter, was wir nicht einfach nur »haben« oder »nicht haben«, sondern als etwas, was wir bewusst stärken und entwickeln können. »Wir alle kennen alle vier Felder und haben dort schon einmal unsere persönlichen Erfahrungen gemacht. Interessant ist, diese einmal für sich zu reflektieren und auszuwerten.«

Herausforderungen und Schicksalsschläge berühren selbstverständlich auch unseren Selbstwert, da wir uns darin häufiger als weniger wirksam und weniger wertvoll erleben. Resilientes Verhalten wäre dann beispielsweise der handlungsorientiere Ansatz. Blickhan: »In dem Sinne von: Ich probiere mal was, auch wenn ich nicht weiß, wie’s ausgeht.« Oder wir versuchen es alternativ über ein Bewusstmachen unserer Selbst, dass wir unseren Wert nicht an äußerlichen Erfolgen messen, sondern an unserer Persönlichkeit. Blickhan: »Ich kann mich beispielsweise daran erinnern, wann ich mich selbst schon einmal als wertvoll erlebt habe oder wo andere mir gespiegelt haben: Ja, du bist gut und genau richtig, so wie du bist.«

Tattva Viveka Nr. 103

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Schwerpunkt: Parapsychologie
Erschienen: Juni 2025

Dr. Dr. Walter von Lucadou – Parapsychologie: Ein Beitrag zur Bewusstseinsforschung • Prof. dr. Stefan Schmidt – Experimentelle Parapsychologie • Birgit Feliz Carrasco – Hellfühligkeit • Dr. Gerhard Mayer – Magick in der Praxis • Dr. Marc Wittmann – Wenn die zeit verrükt spielt • Astrid Gutowski – Widerstandskraft in herausfordernden Zeiten • Hajo Michels – Scheinheilig: Entlarve die Schattenseiten der Spiritualität • Armin Denner – Die Großen Tarot Arkana • Dr. Rüdiger Sünner – Orte, die zur Seele sprechen • Kevin Johann – Soma • Sophie Baroness von Wellendorff – Wenn Licht und Dunkelheit tanzen • Buchbesprechungen • u.v.m.

Zur Autorin

Astrid Gutowski (Studium Dt. Literaturwissenschaft & Erwachsenenbildung) arbeitet als Resilienztrainerin mit Führungskräften und Teams. Als freie Journalistin und Autorin schreibt sie für Printmedien und Radio, thematische Schwerpunkte: Gesundheit, Gesellschaft, Spiritualität, Achtsamkeit. Sie ist Moderatorin und ausgebildete Sprecherin.

Der Benediktushof – Zentrum für Meditation und Achtsamkeit
Der Benediktushof wurde 2005 von dem Benediktiner und Zen-Meister Willigis Jäger (1925-2020) gegründet und ist heute eines der größten Zentren für christliche Kontemplation, Achtsamkeit und Zen-Meditation in Europa. Das überkonfessionelle Zentrum bietet neben den großen westlichen und östlichen Meditationswegen, eine Vielzahl weiterer Kurse an wie MBSR, Yoga, Führungsthemen, Kreativität, Gesundheit und Selbsterfahrung. Der Benediktushof ist ein ehemaliges Benediktinerkloster aus dem 8. Jahrhundert und wurde bis ins 18. Jahrhundert, mit wenigen Unterbrechungen, auch als klösterlicher Betrieb geführt. Nach einer Nutzung als Hotel in den 60er Jahren, stand der Gebäudekomplex seit Mitte der 90er Jahre leer. 2002 erwarb die Unternehmerin Gertraud Gruber das Areal mit der Absicht, es Willigis Jäger und seiner spirituellen Arbeit zur Verfügung zu stellen.

In diesem Jahr feiert der Benediktushof sein zwanzigjähriges Bestehen mit dem Symposium: »100 Jahre Willigis – Zwischen Transformation und Revolution. Was gibt Orientierung?« (14.-16. November 2025)

Das nächste »Symposium Psychotherapie« widmet sich dem Thema: »Transgenerationale Traumata: Bedeutung und Umgang in Psychotherapie und Spiritualität« (19.-21. September 2025)

benediktushof-holzkirchen.de

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