Spiritualität von unten – Eine Theologie der Menschlichkeit

Spiritualität von unten – Eine Theologie der Menschlichkeit

Autor: Pater Amseln Grün
Kategorie: Theologie
Ausgabe Nr: 83

Pater Anselm Grün geht in seinem Buch »Spiritualität von unten«, den verschiedenen Facetten der Spiritualität von unten nach und stellt vor, inwiefern dieser Weg, der in unsere eigene Menschlichkeit und Erdhaftigkeit hinabführt, gleichzeitig der Aufstieg zu Gott bedeuten kann. Wir präsentieren hier einige Ausschnitte aus dem gleichnamigen Buch, die dem Suchenden Mut und Gelassenheit auf dem spirituellen Pfad schenken sollen, und die eine religiöse Tugend besonders hervorhebt, die Demut.

In der Geschichte der Spiritualität gibt es unter anderem zwei Strömungen. Da gibt es eine Spiritualität von oben und eine von unten. Spiritualität von unten meint, dass Gott nicht nur in der Bibel und durch die Kirche zu uns spricht, sondern gerade auch durch uns selbst, durch unsere Gedanken und Gefühle, durch unseren Leib, unsere Träume und gerade auch durch unsere Wunden und unsere vermeintlichen Schwächen. Die Spiritualität von unten wurde vor allem im Mönchtum praktiziert. Die frühen Mönche setzten beim Umgang mit den eigenen Leidenschaften an. Sie begannen bei der Selbsterkenntnis, um den wahren Gott erkennen und ihm begegnen zu können. Evagrius Ponticus formuliert diese Spiritualität von unten in dem klassischen Satz:

»Willst Du Gott erkennen, lerne vorher Dich selber kennen.« Das Aufsteigen zu Gott geht über das Hinabsteigen in die eigene Realität bis zu den Tiefen des Unbewussten.

 Die Spiritualität von unten sieht den Weg zu Gott nicht als Einbahnstraße, auf der man immer weiter auf Gott zu geht. Der Weg zu Gott führt vielmehr über Irrwege und Umwege, über das Scheitern und über die Enttäuschung von sich selbst. Nicht meine Tugend ist es, die mich vor allem für Gott öffnet, sondern meine Schwäche, meine Ohnmacht, ja sogar meine Sünde.

Eine Theologie der Menschlichkeit

Spiritualität von oben

Es geht uns nicht darum, die Spiritualität von unten in totalen Gegensatz zu der von oben zu setzen. Einseitigkeit ist nie hilfreich. Und so gibt es auch eine gesunde Spannung dieser beiden spirituellen Ansätze. Die Spiritualität von oben stellt uns Ideale vor Augen, denen wir nacheifern und die wir letztlich erfüllen sollen. Ideale haben durchaus eine positive Wirkung auf den Menschen. Vor allem für Jugendliche sind Ideale lebensnotwendig. Denn ohne Ideale würden sie nur um sich selbst kreisen. Sie könnten gar nicht die Möglichkeiten entfalten, die in ihnen stecken. Und sie würden nicht mit ihrer Kraft in Berührung kommen, die geweckt werden möchte. Ideale locken junge Menschen aus sich heraus, sodass sie sich selbst überschreiten, überwinden und neue Möglichkeiten entdecken können. Ohne Ideale würden viele an ihren eigenen Möglichkeiten vorbeileben. Um wachsen zu können, brauche ich Vorbilder. Gestalt wächst an Gestalt. Heilige können für junge Menschen gute Vorbilder sein, die sie herausfordern und anspornen, an sich zu arbeiten und ihre eigentliche Berufung zu entdecken. Aber:

Wir können die Heiligen nicht kopieren.

Der Blick auf die Heiligen will uns kein schlechtes Gewissen machen, dass wir nicht so heilig sind. Er will uns vielmehr dazu ermutigen, nicht zu klein von uns zu denken und unsere persönliche Berufung zu entdecken, das einmalige Bild zu erkennen, das Gott sich von jedem von uns gemacht hat.

Wir kommen also nicht ohne Spiritualität von oben aus.

Wenn Sie mehr über die Schwäche des Menschen, und dass diese seine Pforte zu Gott ist, erfahren möchten, können Sie den vollständigen Artikel als Pdf unten bestellen und herunterladen.

Psychologische Aspekte einer Spiritualität von unten

G. Jung weist uns immer wieder daraufhin, dass der Weg der Menschwerdung über den Hinabstieg in die Unterwelt, in das Unbewusste, geht. Er zitiert selbst einmal Eph 4,9: »Wenn er aber hinaufstieg, was bedeutet dies anderes, als dass er auch zur Erde herabstieg?« und meint, dass die Psychologie, über die viele Christen schimpfen, genau dasselbe wolle. Man malt »die Psychologie so schwarz wie nur möglich, weil sie – ganz in Übereinstimmung mit dem christlichen Symbol – lehrt, dass niemand emporsteigen kann, der nicht hinabgestiegen ist.« (Jung, Bd. 18 II, 733)

Jung spricht von der Inflation der Stolzen, die sich mit hohen Idealen aufblähen, die sich mit archetypischen Bildern identifizieren, z. B. mit dem Bild des Märtyrers, des Propheten, des Heiligen. Die Identifizierung mit einem archetypischen Bild macht uns blind für die eigene Realität.

Demut ist für Jung der Mut, den eigenen Schatten anzuschauen.

In dieser Fassung sind Auszüge aus dem Artikel wiedergegeben. Den vollständigen Artikel gibt es im Pdf, das unten bestellt werden kann.

Demut ist keine Tugend, die wir uns selbst erarbeiten können, sondern Ausdruck der Erfahrung Gottes und unserer eigenen Wirklichkeit. Und Demut ist der Weg des Hinabsteigens in den eigenen humus, in die eigene Erdhaftigkeit. Dieses Vertrautwerden mit dem humus in uns führt zum Humor. Das ist ein wesentlicher Aspekt der Demut, dass sie gelassen ist, dass sie humorvoll mit der eigenen Wirklichkeit wie mit der Welt umgeht. Aber Demut beschreibt auch den Weg des Scheiterns, den Weg in den Nullpunkt, an dem unser Leben zu zerbrechen scheint, an dem es aber gerade für Gott aufgebrochen wird. Wenn wir uns damit aussöhnen, dass der Weg der Demut unser Weg zu Gott ist, dann würden wir nicht ständig gegen unsere Natur ankämpfen, dann könnten wir die vergeblichen Anstrengungen aufgeben, uns selbst besser zu machen.

Eine Theologie der Menschlichkeit

Ich erlebe immer wieder in der geistlichen Begleitung, wie Menschen meinen, sie müssten ihre Fehler überwinden, sie müssten mehr Selbstvertrauen entwickeln, sie müssten stärker werden. Und dann sind sie oft maßlos enttäuscht, wenn sie trotzdem noch empfindlich und verletzlich sind. Gerade das Scheitern der eigenen Bemühungen um einen Zustand der Gelassenheit und Sicherheit, des Selbstvertrauens und der Stärke kann uns für den wahren Gott aufbrechen. Und es kann uns auch menschlicher machen. Wenn wir uns damit aussöhnen, dass wir halt verletzte Kinder sind, empfindlich, der Liebe bedürftig, abhängig von Lob und Tadel, dann sind wir menschlicher geworden, als wenn wir uns unempfindlich und selbstsicher gemacht hätten.

Dies sind Ausschnitte aus dem Artikel.

Lesen Sie die vollständige Fassung in Tattva Viveka 83 oder downloaden Sie diesen Artikel einzeln als ePaper für 2,00 € als ePaper erhältlich (Pdf, 10 Seiten).

Der Autor Pater Anselm Grün

Über den Autor

Anselm Grün, geboren 1945, trat mit 19 Jahren in die Benediktinerabtei Münsterschwarzach bei Würzburg ein. Von 1977 bis 2013 war er, nach dem Studium der Philosophie, Theologie und Betriebswirtschaft, der Cellerar, wirtschaftlicher Leiter, der Abtei Münsterschwarzach. In zahlreichen Kursen und Vorträgen versucht er, auf die Nöte und Fragen der Menschen einzugehen. So ist er zum spirituellen Berater und geistlichen Begleiter von vielen Managern geworden.

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