Weihnachten

Weihnachten

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Das Schenken

 

In nur zwei der vier Evangelien wird von der Geburt Jesus Christi berichtet, und zwar im Matthäus und im Lukas Evangelium. Die Evangelien von Markus und Johannes setzen bei Johannes dem Täufer und der Taufe Jesu an.

Wenn man parallel die beiden Stellen über Jesu Geburt liest, fällt einem sofort auf, dass es zwei unterschiedliche Berichte über die Geburt des Kindes sind, und dass unser Weihnachtsfest eine Vermengung beider Erzählungen ist. Das Lukas Evangelium berichtet (unter anderem) über die gemeinsame Reise von Maria und Josef nach Bethlehem aufgrund einer Volkszählung, sowie über die Krippe, in die das frisch geborene Kind gelegt wird, da es keinen Platz in den Herbergen gab.

Doch für unsere Betrachtung ist das Matthäus Evangelium relevanter, da hier das Element des »Geschenks« vorkommt. In diesem Evangelium folgen Weisen aus dem Morgenland, wörtlich »Magier« – in diesem Kontext sind möglicherweise Sterndeuter gemeint – einem Stern, der zu dem Kind Jesus führt. »Und sie warfen sich nieder, huldigten ihm, taten ihre Schätze auf und brachten ihm Gaben nieder, Gold und Weihrauch und Myrrhe« aus Mat 11. In dieser Stelle wird der Akt des Schenkens sowie der Verehrung gezeigt. Auf dieser Stelle basiert die Geschenkkultur des Weihnachtsfestes, welche doch eine sehr schöne sowie wärmende Vorstellung aufzeigt: das Schenken als einen Ausdruck von Wertschätzung und Verehrung.

Dies könnte für uns als Leitfaden im Geschenkekauf bzw. Nicht-Kauf dienen. Was möchten wir mit unserem Geschenk ausdrücken? Oder was ist überhaupt der Sinn des Schenkens?

 

Ein Geschenk könnte man als die materielle Manifestation, als das letzte sichtbare Glied eines längeren Prozesses betrachten, der in unserem Inneren, in unserem Herzen, beginnt.

 

Meiner Ansicht nach könnte man Weihnachten als die Festlichkeit im Jahr betrachten, die uns die Möglichkeit eröffnet, den Menschen, die wir lieben und die uns nahe stehen, besondere Aufmerksamkeit und bewusste Wertschätzung zu schenken. Doch dies muss nicht ausschließlich durch materielle Geschenke geschehen, sondern kann auch durch geistige Zuwendung und Aufmerksamkeit erfolgen. Ein Geschenk könnte man als die materielle Manifestation, als das letzte sichtbare Glied eines längeren Prozesses betrachten, der in unserem Inneren, in unserem Herzen, beginnt. Die Wertschätzung des Menschen wird durch unser Verhalten, unsere gesagten oder nicht gesagten Worte ausgedrückt. Die Wertschätzung nimmt in meinem Herzen ihren Anfang und mündet in Deinem Herzen.

Die Weisen nahmen eine lange Reise auf sich, um das heilige Kind zu huldigen, um es zu ehren. Dies wird durch den Akt des Schenkens verdeutlicht, doch der Wunsch, seine Verehrung auszudrücken, steht meiner Ansicht nach vor den materiellen Geschenken.

Da Vinci - Die Schöpfung

Weihnachten heute

 

Wir leben in einer Zeit, in der Zeit und Aufmerksamkeit knappe Güter sind. Unser Leben ist von morgens bis abends durchgetaktet und die äußeren Reize buhlen um unsere Aufmerksamkeit. Weihnachten kann, wenn wir wollen, und wenn wir uns nicht ausschließlich dem Geld-Ausgeben hingeben, eine Zeit des Innehaltens sein: Tage in denen wir BEWUSST die Menschen, die uns am Herzen liegen, fühlen und erleben lassen, dass sie uns am Herzen liegen und dass wir sie wertschätzen. Diese Gefühle dürfen aktiv zum Ausdruck gebracht werden durch die Zuwendung von Aufmerksamkeit und dadurch, dass wir uns Zeit füreinander nehmen.

 

Weihnachten kann, wenn wir wollen, und wenn wir uns nicht ausschließlich dem Geld-Ausgeben hingeben, eine Zeit des Innehaltens sein.

 

Seien sie der Magier, der eine Reise auf sich nimmt, NUR um den anderen zu huldigen und zu erfreuen!

Die bisher erwähnten Aspekte betreffen uns selbst und unsere Mitwelt. Die Menschen, mit denen wir das Fest der Liebe und der Geschenke verbringen.

 

Beschenkt werden

 

Bisher haben wir den aktiven Teil des Schenkens übernommen. Wir selbst überreichten die Geschenke. Doch wer beschenkt uns? Die Weihnachtszeit kann auch als eine Gelegenheit der inneren Einkehr erlebt werden. Eine Zeit, in der wir uns in unser Innerstes zurückziehen und uns besinnen. Welches ist das größte Geschenk, das mir gemacht wurde?

So, wie das Jesus Kind Geschenke von den Weisen erhielt, so werden auch wir beschenkt von den Menschen, denen wir am Herzen liegen.

 

Das Geschenk Gottes

 

Doch wir werden auch noch von Etwas anderem beschenkt, und zwar mit dem höchsten Geschenk, das möglich ist. Dieses Geschenk wird uns jeden Tag von neuem übergeben und es umgibt uns jede Sekunde unseres Lebens. Denn nicht wir selbst sind der Schöpfer des Lebens, sondern wir sind die Geschöpften, die das Leben empfangen. Es ist Gott, der uns allen unser Leben schenkt, sowie alles, was uns umfängt. Sei es materieller oder geistiger Natur. Er ist die erste Ursache, sowie die Quelle aller Gaben, die wir tagtäglich annehmen. Alles, was wir als das Unsrige bezeichnen, sei es unser Körper, unsere Gesundheit, unsere Besitztümer, unser Geist, all dies gehörte nicht ursprünglich uns, wir selbst haben es uns nicht gegeben, sondern es wurde uns überreicht.

Weihnachten Christbaum

Durch dieses Empfinden erkennen wir an, dass kein Aspekt des Lebens eine Selbstverständlichkeit ist. Denn alles, was uns ohne einen konkreten Grund geschenkt wurde – zumindest ich kenne diesen Grund nicht – kann uns auch wieder genommen werden.

Alles, was ist, kann also als ein Geschenk des Schöpfers an das Geschöpf erfahren werden. Bei dieser Erfahrung löst das innere Gefühl des Beschenkt-Werdens in mir eine Empfindung von geerdeter und unendlicher Dankbarkeit aus. Eine Form der Dankbarkeit, die von meinem Herzen aus die Schöpfung und Gott erreichen möchte. Durch mein Verhalten, mein Handeln, meine Worte und Gedanken kann diese innere Dankbarkeit nach Außen getragen werden, denn alles Innere möchte einen Ausdruck in der äußeren Welt finden. So wird diese Dankbarkeit für mich selbst und meinen Mitwesen erfahrbar. Und dadurch, dass ich die Schöpfung ehre und achte, achte und ehre ich gleichzeitig auch den Schöpfer und drücke meine Dankbarkeit für das Leben aus und für alles, was ich habe. Sind wir also nicht auch selbst das Menschenkind, das beschenkt wird?

 

Alles Innere möchte einen Ausdruck in der äußeren Welt finden.

 

Dankbarkeit

 

Viele Menschen haben Vorsätze für das kommende Jahr, was sie besser oder anders machen möchten. Mein Vorsatz ist es, dass ich mich für dieses strahlende Geschenk des Lebens jeden Tag bewusst bedanken möchte.

Diese Betrachtung beleuchtet nur einen kleinen Aspekt des Weihnachtsfestes. Viele Geheimnisse und Symbole lasse sich in diesem Fest finden, doch ich wünschte diesen wesentlichen und doch auch sehr praktischen Aspekt des Weihnachtsfestes anzusprechen. Denn für Dankbarkeit braucht man kein komplexes philosophisches System oder ähnliches, da es eine innere Haltung und praktische Ausübung ist.

Ich wünsche mir, dass Du ihn als ein kleines Geschenk und als Inspiration annimmst, um das Fest in einem anderen Licht zu betrachten.

In diesem Sinne wünsche ich Dir ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen fröhlichen Übergang ins nächste Jahr.

Alles Liebe, Alice

 

*Fußnote: Innerhalb der christlichen Tradition ist Gott der Schenker, doch jeder begreift ihn/sie nach seinem/ihrem eigenen Verständnis. So kann diese Quelle auch als Leben, Universum oder Großer Geist bezeichnet werden.

*Fußnote: Verwendete Bibel: Zürcher Bibel, 1924 Verlag der Zürcher Bibel, Zürich

4 Kommentare
  • Angelika Dörre
    Gepostet am 21:08h, 29 Dezember Antworten

    Vielen Dank für diesen schönen Artikel. Nun ist das Weihnachtsfest vorbei und ich durfte mal wieder erleben, dass ein noch so großes teures Geschenk nur kurzzeitige Freude bringt, aber ein intensives Gespräch den Geist der Weihnacht bringt. Allen, die dies hier lesen, wünsche ich ein einen guten Start ins neue Jahr, das uns ganz bestimmt auch neue spirituelle Erlebnisse bringt.

  • Helge Schmidt
    Gepostet am 17:43h, 23 Dezember Antworten

    Allerliebste Alice,
    danke von Herzen für diese wunderschönen Ausführungen. Diese haben mein Herz sehr berührt.
    Dir wünsche Ich ein besinnliches Weihnachten -, Gabriele und Ronald euch natürlich auch, mit der Besinnung auf das Wesentliche.
    Alles ist Liebe.
    Helge

  • Guido von Arx
    Gepostet am 16:26h, 23 Dezember Antworten

    Sehr berührend und inspirierend, Alice! Das Geschenk des Lebens ist so groß und einzigartig, dass unsere Bemühungen, jemandem mit einem Geschenk eine Freude zu bereiten, nur ein kleiner Versuch ist, etwas Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Wir werden nicht nur an Weihnachten und Geburtstagen beschenkt, sondern täglich und in jedem Augenblick. Alices Artikel hat dies wunderbar in Worte gefasst!

  • Michaela Sens
    Gepostet am 15:09h, 23 Dezember Antworten

    Danke für diesen wunderbaren Artikel, Alice.
    Ich wünsche Dir und der Redaktion ein wunderschönes Weihnachtsfest mit reichen innerlichen Geschenken und Einkehr zu sich selbst

    Herzliche Grüße, Michaela

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