Der Krieg – in mir

Der Krieg – in mir

von Dr. Margit im Schlaa

Der gegenwärtige Krieg in Europa rüttelt an den Grundwerten Europas und an der Vision eines friedlichen Zusammenlebens. Er erweckt ebenfalls tiefvergrabene und verdrängte Ängste, Erinnerungen, Wut und Traumata, die durch den Zweiten Weltkrieg ausgelöst wurden und im Unbewussten der Kriegskinder und Kriegsenkel über Generationsgrenzen hinweg bis heute präsent sind. Die Autorin legt in diesem Beitrag auf ehrlich Weise eigene Ängste und familiäre Traumata offen und gelangt durch die Introperspektive so zu einer erweiterten Perspektive des Geschehens.

Es ist nicht zu glauben, ich kann es nicht glauben. Krieg? Das war doch dieses Monster, das vor 80 Jahren in Europa gewütet hat. Millionen Tote, unzählige Verletzte und Traumatisierte, Verwüstung allenthalben, der totale Horror. Und die Überlebenden dieses Monsters generierten ein Narrativ, das die moderne Geschichtsschreibung bis heute prägt:

Die Beteiligten eines Krieges sind klar voneinander zu unterscheiden und bestehen aus Aggressoren, Opfern und deren Verbündeten, die zusammen mit den Opfern die Täter bekämpfen.

Stimmt zunächst, auf den ersten Blick. Aber Moment mal, da war doch noch mehr, etwas, was meist ausgeblendet wird, weil es nicht in die Logik von Tätern, Opfern und deren Verbündeten als zwei getrennten, sauber trennbaren und zu trennenden Parteien eines Kriegsgeschehens passt. Daher sprach und spricht kaum einer über die Opfer auch auf Seiten der Täter, über Ermordete, Verhungerte, Vergewaltigte auf beiden Seiten. Diese paradoxe Logik des Krieges erreicht unser Denken deshalb nicht, weil die Vermischung von Opfern und Tätern bei allen am Krieg direkt Beteiligten nicht zu der dualistisch definierten Logik unseres binären Denkens passt, das sich seit ihrer Konzeptualisierung durch Aristoteles in unsere Köpfe eingebrannt hat. Sie vereinfacht unser Zurechtfinden in einer hochkomplexen Welt durch schlichte Ordnungsmuster, die der Logik des Entweder-Oder folgen und damit das Gefühl der Kontrolle über chaotisch anmutende Zustände suggerieren. Ein Sowohl- Als-Auch liegt jenseits der Reichweite dieses Denkens.

Meine Geschichte

Ich bin eine Kriegsenkelin, meine Mutter ist vor den Russen aus Ostpreußen geflohen, im Januar 1945. In einer eiskalten Winternacht, als sie, ihre Schwestern und ihre Mutter wieder einmal von russischen Soldaten überfallen wurden, stellte sie sich – gerade elf Jahre alt – mit ausgebreiteten Armen vor ihre Mutter, um diese vor den Soldaten zu beschützen, die sich auf sie stürzen wollten. Die Reaktion war ein Schuss eines Soldaten durch den Hals meiner Mutter. Man denkt, die Geschichte sei nun zu Ende, meine Mutter hätte sterben müssen. Aber ein anderer russischer Soldat, allem Anschein nach ein ausgebildeter Arzt, erbarmte sich des angeschossenen Mädchens und flickte seinen Hals notdürftig zusammen, während seine Kollegen über den Rest der Familie herfielen. Am nächsten Tag ging die Flucht weiter, sechs schwer traumatisierte Mädchen und Frauen im Kampf um das nackte Überleben.

Ich kenne daher die eindimensionale Wahrnehmung von Kriegsgeschehnissen zur Genüge. Der Russe an sich war in den Augen meiner Mutter das ultimative Monster, nur allzu verständlich nach dem, was sie erlebt hat. Obwohl es auch ein Russe war, der ihr Leben gerettet hat, war sie nie zu dieser Differenzierung von Gut und Böse in ein und demselben Feindesblock fähig, zu überwältigend waren die Gräuel, die ihre Familie und viele andere Flüchtlinge tagtäglich über Wochen erleiden mussten.

Ich kenne die aus dieser höchst subjektiven und einseitigen Wahrnehmung resultierende, das ganze Leben meiner Mutter überdauernde Unversöhnlichkeit und ihre Vorurteilsbeladenheit,

ihren verletzten Stolz, ihre Gefühle der Demütigung und des tiefen Grolls und vor allem ihre bornierte Rechthaberei in der pauschalen Verurteilung eines Volkes, das zur Gänze in Sippenhaft dieser Wahrnehmung genommen wurde.

Diese Gefühlslage meiner Mutter an sich war schon tragisch genug, weil sie ihr ganzes Leben geprägt und sie schwer krank gemacht hat: Sie ist mit 68 Jahren an Krebs gestorben. Was aber noch schlimmer wiegt, ist die Tatsache, dass diese Gefühlslage sehr viele der aus Ostpreußen Geflüchteten gegeißelt hat und sich darüber hinaus als unbewusste Reaktion auf erlittenes Unrecht, unsägliche Gewalt und Grausamkeit in der einen oder anderen Ausprägung in allen Opfern von Krieg wiederfindet. Da diese Menschen diese unerträglichen und daher abgespaltenen Gefühle selten bis nie angeschaut, geschweige denn durchgefühlt haben, konnten diese nie heilen, sondern wurden an die nächste Generation weitergegeben.

Trauma und Epigenetik

Heute ist dieses Phänomen gut erforscht, angefangen bei den wichtigen Büchern von Sabine Bode aus den Nullerjahren dieses Jahrhunderts über den relativ jungen Forschungsbereich der Epigenetik, der den Einfluss der gesammelten Erfahrungen während des Lebens der Eltern auf die Gene der Nachkommen bestätigt, bis zu dem zweiten Kriegsenkel-Onlinekongress von Cornelia Kin und Elisabeth Kukulenz im letzten Jahr.

Das Phänomen ist unter der Bezeichnung »transgenerationale Weitergabe von Traumata« bekannt und betrifft die Generation der in den 1960er und 1970er-Jahren geborenen sogenannten Kriegsenkel, von denen viele als Kinder der Kriegskinder bis heute unter den ererbten unaufgearbeiteten Kriegstraumata ihrer Eltern leiden.

Der Krieg – in mir

Und deshalb erzähle ich das: weil all das angesichts des Krieges in der Ukraine gerade in mir hochsteigt. Erinnerungen an Erzählungen meiner Mutter und Gefühle, die ich bis dahin unter Verschluss gehalten habe, unbewusst. Gefühle, die den Gefühlen meiner Mutter zumindest ähneln, wenn sie auch nicht deren Wucht haben. Ich habe die Ungläubigkeit angesichts der Tatsache des herannahenden und sich dann faktisch vollziehenden Krieges erlebt, die massive Verunsicherung und das urplötzliche Herausfallen aus meiner sicher geglaubten und erlebten Welt, meiner Komfortzone. Waren da eben noch Zukunftspläne und Gedanken an die Organisation von ganz alltäglichen Dingen, so ist da jetzt urplötzlich die totale Orientierungslosigkeit angesichts der Unwägbarkeit der zukünftigen Ereignisse.

Kommt der Krieg jetzt auch zu uns und wenn ja, wann? Schließlich ist ja in kürzester Zeit –

in weniger als einer Woche – die ganze Welt in diesen Krieg involviert, sei es rhetorisch oder tatkräftig, sauber getrennt in Gegner und Unterstützer Russlands oder in Gegner und Unterstützer der Ukraine,

je nach Perspektive. Ist es angesichts dieser sehr bedrohlichen Situation besser, zu preppern (und wenn ja, für wie lange soll ich Vorräte anlegen?) oder die Koffer zu packen und Europa zu verlassen, solange es noch möglich ist? Und wenn ich mich für die letztere Option entscheide, wohin kann ich gehen? Welches Land ist neutral und wird es dauerhaft bleiben?

Die Wut – in mir

Doch die Orientierungslosigkeit ist es nicht allein, die mich umtreibt. Viel gravierender sind Gefühle der Wut und des Schmerzes, die nun massiv hochkommen und die ich bisher nicht kannte, weil sie so tief in meinem Unbewussten vergraben waren. Dieser Krieg hat tatsächlich die Kraft, tief in meine Psyche einzudringen, tiefer, als jede Therapie es bisher geschafft hat. Er holt die Wut auf meine gefühlskalte, weil schwer kriegstraumatisierte Mutter hoch, die ich mir nie erlaubt habe, zu fühlen, weil sie damals massiv abgelehnt und daher von mir mit Scham belegt und abgespalten wurde. Und er holt gleichzeitig einen unglaublichen Schmerz hoch, der sich als der Schmerz meiner Mutter entpuppt: Ich bin erstmals in der Lage, das Drama ihrer beinahe tödlichen Verwundung körperlich zu fühlen.

Vorher war es eine Geschichte, immer wieder erzählt und kognitiv von mir zur Kenntnis genommen. Jetzt zittere ich am ganzen Leib, mir schießen heiße Tränen in die Augen, und ich fühle einen nicht beschreibbaren seelischen Schmerz. Was ich nun fühle, ist Demut, ein umfassendes Verständnis für meine Mutter und ein großes Bedürfnis, ihr zu verzeihen und sie um Verzeihung zu bitten. Der aktuelle Krieg hat bewirkt, dass tief im Unbewussten verborgene Gefühle und Schmerzen aufsteigen und mir bewusst werden, und ich wage es, kaum zu denken:

Der Krieg erweist sich an dieser Stelle als Chance, meine von meiner Mutter übernommenen Kriegstraumata endlich zu fühlen,

anzuschauen und dadurch zu heilen und mich mit ihr und meiner Geschichte zu versöhnen.

Er ist tatsächlich ein Auslöser für das Erklimmen einer höheren Bewusstseinsstufe, die man nur erreicht, wenn man alte Verletzungen heilt.

Kann das bedeuten, dass dieser Krieg nicht nur für mich, sondern für uns alle, für uns Europäer eine Chance ist, unsere eigene Kriegsvergangenheit anzuschauen und zu heilen?

Ist nicht die Heilung des Krieges und des Kriegserbes in jedem Einzelnen von uns die Voraussetzung für eine Beendigung jeglichen Krieges im Außen?

Diese Frage ist für mich auch deshalb interessant, weil in spirituellen Kreisen seit langem davon gesprochen wird, dass sich die Menschheit seit Beginn des 21. Jahrhunderts in einem Aufstieg in ein höheres Bewusstsein befindet. Wir verlassen bewusstseinsmäßig die dreidimensionale, rein irdische Ebene und bewegen uns in höhere Sphären, wo Kräfte wirken, die nicht unmittelbar wahrnehmbar sind. Hier geht es um die Auswirkungen von Glauben und Vertrauen, von Liebe und Frieden, die sich durch unsere Ausrichtung auf überirdische Mächte, zum Beispiel durch Gebet oder Meditation, manifestieren. Diese Mächte können wir Gott, das Universum oder die Quelle nennen, oder entsprechend unserer jeweiligen religiösen Ausrichtung identifizieren.

Nun könnte man zu Recht fragen, ob das tatsächlich passiert. Wenn wir uns in der Welt umschauen, sehen wir nicht, dass sich die Menschheit in einem Aufstieg befindet und sich unisono und freiwillig höherer Mächte besinnt, die nur Gutes für uns im Sinn haben. Das scheint nur einem winzig kleinen Teil der Menschheit vorbehalten zu sein, der sich abseits vom weltlichen Geschehen in spirituellen Gemeinschaften bewegt und kontinuierlich spirituelle Praktiken ausübt.

Was wir im großen Kollektiv der Menschheit sehen, ist das ganze Gegenteil: Es scheint sich an einem ungeheuerlichen Abgrund zu befinden, im freien Fall in das Ende der Menschheitsgeschichte hinein. Beschleunigt wird dieser Sündenfall durch das Wüten des Bösen in Gestalt von Gewalt, Mord und exzessivem Machtgebahren als Ausdruck niedrig schwingender Ego-Interessen und die Drohung, den roten Knopf zu drücken.

Wie kann es zu einer solch gegensätzlichen Wahrnehmung der aktuellen Situation kommen? Wie können die einen Aufstieg wahrnehmen, wo die anderen einen Abstieg sehen? Die Antwort liegt wohl wieder in einer paradoxen Logik begründet: Der Aufstieg geschieht durch den Abstieg, der das Dunkelste im Menschen ins Licht hochholt und heilt. Diese Logik setzt jedoch ein anderes Verständnis von Spiritualität voraus:

Spiritualität ist dann nicht mehr nur ein Sich-Ausrichten auf höhere Mächte, das die Welt hinter sich lässt bzw. ignoriert, sondern eine grundsätzliche, eigenverantwortliche Arbeit an tiefer Selbst-Erkenntnis.

Sie ermöglicht eine Heilung der eigenen seelischen Wunden, die wiederum Voraussetzung dafür ist, anderen helfen zu können, weil erst durch das Mitgefühl für sich auch Mitgefühl für andere entstehen kann.

Der derzeitige Abstieg der Menschheit durch einen von vielen Parteien vorangetriebenen Krieg ist also eine große Chance, das Kriegsgeschehen und das Machtgebahren bei allen Beteiligten als die Projektionen unerlöster Kriege und unaufgearbeiteter seelischer Probleme in jedem einzelnen Akteur und in jedem Einzelnen von uns auf einen »Feind« im Außen zu erkennen. Erst mit dieser Erkenntnis kann eine Kehrtwende eingeleitet werden, die uns die Gelegenheit zu unserem Aufstieg in ein höheres Bewusstsein gibt: zu echtem Frieden in uns.

Der Feind – in mir

Vor diesem Hintergrund scheinen auch die vielen Friedensdemonstrationen, die derzeit eine Beendigung des Krieges in der Ukraine fordern, das eigentliche Thema in zweierlei Hinsicht zu verfehlen. Zum einen zementieren sie in ihrer pro-ukrainischen Ausrichtung die Spaltung zwischen Aggressor und Opfern, anstatt die einigende Aussöhnung zwischen beiden Seiten zu fordern. Zum anderen beschwören sie den Frieden im Außen, anstatt den Fokus auf den Frieden im eigenen Inneren zu legen, da das Außen bekanntlich immer ein Spiegel des Inneren ist.

Das ist nicht nur eine Erkenntnis der modernen Psychoanalyse von Freud bis Lacan, sondern spiegelt sich auch in der Mikrokosmos-Makrokosmos- Analogie der alten Griechen wider, die den Menschen (der Mikrokosmos) und den Kosmos als Ganzes (der Makrokosmos) beinhaltet. Angesichts dieser grundlegenden Analogie können Wahrheiten über die Natur des Kosmos als Ganzes aus Wahrheiten über die menschliche Natur abgeleitet werden und umgekehrt. Wer das nicht erkennt, muss den Feind in sich, also alle Anteile, die er an sich selbst nicht mag, verurteilt oder ablehnt, ins Außen projizieren.

So werden immer wieder neue Feindbilder erschaffen, die angegriffen, diffamiert und ausgegrenzt werden, um die eigene Unzulänglichkeit nicht spüren und anschauen zu müssen.

Die externalisierten Feindbilder repräsentieren also die blinden Flecken des eigenen Egos und werden auf den Nachbarn, den Partner, den Chef oder eben eine Kriegspartei projiziert.

Diese Beispiele zeigen, dass Feindbilder prinzipiell austauschbar sind. Immer jedoch sind es Menschen, die durch ihr vermeintliches Anderssein gegenüber der »Norm« zu Projektionsflächen unserer Wut, Angst, Intoleranz, Hilflosigkeit und Vorurteile werden, die die Verurteilung der Anderen ureigentlich begründen.

Der Frieden – in mir

Wir schreiben nun März 2022. Die Nachrichten zum Krieg in der Ukraine überschlagen sich, allem Anschein nach eskaliert die Situation durch ein immer härteres militärisches Vorgehen russischer Soldaten in der Ukraine. Es gibt viele Bilder und Videos, deren Echtheit man nicht bestätigen kann und will. Genauso wenig wie die Opferzahlen auf beiden Seiten.

Und ich?

Ich schaue mir das alles an, und es macht nichts mehr mit mir. In mir hat sich seit dem Auftauchen und Durchfühlen der tief in meinem Unbewussten verborgenen Wut auf meine Mutter, des großen seelischen Schmerzes, den ich von ihr geerbt habe, und die darauffolgende Versöhnung eine tiefe Ruhe ausgebreitet. Der Kriegsausbruch hat mir Heilung beschert, wer hätte das gedacht. Er hat alte Verletzungen so massiv getriggert, dass ich sie nicht mehr in Schach halten konnte. Ihr Ausbruch ermöglichte ein Freiwerden, Zulassen und Loslassen unterdrückter Gefühle, die mich mein ganzes Leben an die Traumata meiner Mutter gebunden hatten. Ich bin nun in der Lage, auf die Kriegsgeschehnisse ohne Angst oder Ressentiments zu schauen und anzunehmen, was ist. Das heißt nicht, dass ich sie gutheiße. Es heißt, dass ich mich nicht mehr gegen sie wehre, keinen Widerstand mehr in mir spüre. Er hat sich aufgelöst. Geblieben ist Frieden – in mir.

Über die Autorin

Unsere Autorin Dr. Margit im Schlaa

Dr. Margit im Schlaa, Jahrgang 1964, hat Kunst, Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik in Münster und Berlin studiert und zur französischen Historienmalerei des späten 18. Jahrhunderts promoviert. Danach arbeitete sie in der kunstwissenschaftlichen Forschung. Inzwischen ist sie freiberufliche Kuratorin, Autorin und Künstlercoach und widmet sich mit ganzem Herzen und großer Leidenschaft der zeitgenössischen Kunst.

11 Kommentare
  • Rainer Handke
    Gepostet am 07:30h, 31 Mai Antworten

    Nun, das klingt alles sehr gut und sehr vernünftig, Ich bin selber auch „Kriegsenkel“, meine Großmutter ist mit vier kleinen Kindern aus Schlesien geflüchtet, darunter meine Mutter. Die ist jetzt 81 und hat immer noch Albträume, wacht nachts schreiend auf, hat von Bomben und brennenden Häusern geträumt.

    Und obwohl mich Krieg und Frieden, die europäische Geschichte, und speziell dieser Krieg sehr beschäftigen, habe ich nicht das Gefühl, jetzt besonders tief in mich eintauchen zu müssen. Oder zu wollen. Ich bin sehr angetriggert, besonders vom russischen Verhalten, aber ich finde, selten sind gut und schlecht, schwarz und weiß, Faschismus und Demokratie, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit so klar getrennt wie in diesem Krieg. Ich habe überhaupt nichts gegen die Russen, ich fühle mich jedem aufrechten, friedliebenden, vielleicht sogar noch spirituell strebendem Russen verbunden. Aber das, was da in Russlands Namen getan wird, und die russische Regierung, das russische Verhalten im Krieg, das verdient nur Abscheu und eine „zivilisierte Verachtung“. Und natürlich entschiedenen Widerstand..

  • Wolfgang Kube
    Gepostet am 15:06h, 21 März Antworten

    Danke für diesen Artikel.
    In dieser unruhigen und unsicheren Zeit tun Introspektion, Nachdenken und Nachfühlen gut.

    Eine Frage bleibt bei mir aber offen:

    Der erste Schritt scheint also zu sein, die Dualität zwischen „den Guten“ und „den Bösen“ aufzulösen.
    So weit – so gut. Das würde uns schon lange gut tun (und das übe ich auch schon regelmäßig).
    Nicht umsonst ist „Schattenarbeit“ gerade ein Thema.

    Aber wie geht es dann weiter?

    Wenn ich sehe, wie jemand auf der Straße jemand anderen zusammenschlägt und sogar droht ihn zu töten – wie soll ich mich verhalten?

    Mir ist in diesem Moment möglicherweise klar, dass der sogenannte Täter auch zugleich ein Opfer ist.
    Und dass er sicher Gründe für sein Tun hat.
    Und ich weiß auch nicht, was das „Opfer“ zu dieser Situation beigetragen hat (oder auch nicht beigetragen hat).

    Soll ich dann mit diesen Gedanken daneben stehen bleiben – und warten, wie der Konflikt ohne mein Eingreifen ausgeht?
    Bis zum (bitteren?) Ende?

    Oder was könnte ein angemessenes, sinnvolles Verhalten sein?

    Darf ich eingreifen, ohne alle Hintergründe zu kennen?
    (Ich tendiere momentan noch eher dazu, dass ein Eingreifen möglicherweise sinnvoll wäre).

    Vielleicht wäre aber auch zuschauen und warten eine angemessene Möglichkeit?

    Könnte das auf lange Sicht aber nicht dazu führen, dass wir wieder beim „Recht des Stärkeren“ (mit mehr Muskeln oder besseren Waffen) landen?

    War das Ziel nicht eher „weniger Patriarchat – mehr Matriarchat“?

    Und was würde das umgelegt auf einen Konflikt wie in der Ukraine bedeuten?

    Diese Frage bleibt für mich offen … (gibt es dazu vielleicht auch einen Artikel?)

    • Tattva-Archiv
      Gepostet am 20:47h, 24 März Antworten

      Hallo, einen direkten Artikel gibt es soweit ich mich erinnere, nicht dazu. Aber wir haben einiges zu gewaltfreier Kommunikation, Gemeinschaftsbildung, Psychologie usw. Müsste man mal in der Artikelsuche recherchieren: http://www.tattva.de/artikelsuche. Ich denke, das Richtige wäre, die Streithähne erstmal auseinanderzubringen und zu beruhigen und dann darüber zu sprechen, was los ist und warum der Streit entstanden ist. Grundsätzlich müsste darüber in einer zivilen Unterredung verhandelt werden. Aber dazu gehört die innere Heilung und Reife der Beteiligten, denn aus dem Trauma und aus Projektionen kann keine Lösung des Konflikts hervorgehen. Da müssen die Leute erstmal bei sich anfangen. Insgesamt ist die Menschheit noch weit von Heilung und erwachsener Reife entfernt, scheint mir. So kommt mir jedenfalls der Konfliktfall in der Ukraine vor, und zwar von beiden Seiten.
      Ronald Engert, Chefredakteur

  • Cordula Reiman
    Gepostet am 13:48h, 21 März Antworten

    Herzlichen Dank für die klaren & mutigen Worte. Ich sehe vieles sehr ähnlich….Hoffentlich trägt der Krieg in der Ukraine dazu bei, dass wir uns in unserer eigenen Gesellschaften stärker und bewusster mit den Folgen von (Nach)Kriegstrauma beschäftigen …!

  • Dieter Gehring
    Gepostet am 10:41h, 21 März Antworten

    Sehr geehrte Frau im Schlaa,

    herzlichen Dank für Ihren Artikel. Er hat mir geholfen, wieder eine positivere Sicht der aktuellen Geschehnisse einnehmen zu können. Obwohl ich vieles von dem, was Sie dargelegt haben, in der Vergangenheit schon einmal an anderer Stelle gelesen hatte und kognitiv, rational glaubte verstanden zu haben, waren meine letzten Wochen doch immer wieder von einer tiefen Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht erfüllt. Ich konnte zeitweise keine klaren Gedanken mehr fassen und war unendlich traurig und fassungslos über die Geschehnisse in der Ukraine. Wut habe ich eigentlich keine gespürt.
    Gestern hatte ich übrigens noch den Gedanken, das kein Mensch im Moment so sehr in den Arm genommen und geliebt werden sollte, als Herr Putin. Er scheint mir so arm an Liebe und Selbstwertgefühl zu sein, dass ihm jegliche Empathie für den Schmerz der Menschen in der Ukraine, aber auch für die Mütter, Frauen und Kinder der russischen Soldaten, die einen sinnlosen Tod sterben, fehlt.
    Ich hoffe sehr, dass wir mit der Kraft unserer positiven Gedanken und unserer Liebe diesem Wahnsinn ein rasches Ende bereiten können.

    In tiefer Verbundenheit

    Dieter Gehring

    • Tattva-Archiv
      Gepostet am 20:54h, 24 März Antworten

      Hallo Herr Gering, man müsste halt die ganzen historischen Hintergründe kennen, die anscheinend im Westen nicht bekannt sind. Kaum jemand weiß z.b., was im Donbass los ist. Für diese Menschen sollten wir auch Mitgefühl haben. Sie werden seit acht Jahren von der Ukraine bekämpft und ausgebombt. Interessiert anscheinend niemanden hier in Europa, weil es Russen sind. Dort starben in acht Jahren 14.000 Kinder, Mütter, Väter. Im Irak starben übrigens 500.000 Kinder durch das Bombardement der US-Amerikaner (hat Albright als angemessenen Preis für die westliche Demokratie bezeichnet). Meine positiven Gedanken sind auch bei diesen Opfern, und auch den 27 Millionen Russen, die durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg ermordet wurden. Ronald Engert

  • Ellen Richter
    Gepostet am 20:21h, 20 März Antworten

    Liebe Margit, danke aus tiefstem Herzen für Deinen Artikel, Mut und Beschreiben deiner aktuellen Heilung der “getragenen” und nun gelösten Gefühle. Und: die Einordnung ins gesellschaftliche Geschehen. Es beruhigt, dass es mehr Frauen gibt, die heilen und es dann öffentlich machen. Es berührt mich sehr, da ich selbst seit längerem Gefühle löse, die von meinen Vorfahrinnen nicht getragen werden konnten. Meine Mutter, 95 , lebt noch, Zusammensein ohne Worte, hilft mir, mein Herz offenzuhalten Alles Gute Ellen Richter

  • Marie-Paule Gerges
    Gepostet am 11:45h, 20 März Antworten

    Liebe Margit,
    Herzlichen Dank für das Mitteilen deiner Geschichte und deinen Erfahrungen..
    Das bestärkt mich auf meinem Weg und in meinem Erleben, dass Gefühle immer wieder ein Schlüssel sind zur Heilung und wir soviel auf dieser Ebene das heißt auch ganz individuell “ erreichen können“..

    Ich wünsche dass deine Worte viele Menschen erreichen und inspirieren können.,sich mutig ihrem Inneren zuzuwenden und ihren Gefühlen zu stellen.
    Herzliche Grüße
    Marie-Paule

  • Sabine kaus
    Gepostet am 12:23h, 19 März Antworten

    Ich kann diesem Artikel und der Erkenntnis nur weiteste Verbreitung und Wirkung wünschen. herzlichen Dank Sabine K.

  • Michaela Bacher
    Gepostet am 09:49h, 19 März Antworten

    Das kann ich so gut nachfühlen und es gibt soviel Resonanz in mir. Ich hoffe und wünsche es uns, dass dieser Krieg Heilung für viele Menschen ermöglicht.

  • Cornelia Kern
    Gepostet am 09:19h, 19 März Antworten

    Dein Artikel bringt mich zum Weinen. Du drückst es aus wie es ist und ich es auch empfinde. Tausend Dank dafür, wunderbar. Ich teile ihn weiter, damit mehr Menschen verstehen und fühlen was mit ihnen und anderen geschehen ist und geschieht.

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