In unserer westlich geprägten Kultur hat sich aktuell eine Vorstellung von Tantra etabliert, die nur sehr wenig bis gar nichts mehr mit dem ursprünglichen Wissen des Tantra oder Tantrismus gemein hat, wie es einst in Indien entstanden ist. Tantra steht bei uns heute für Intim-Massage, für Tantra-Sex, für Erotik. Und ja, auch Sexualität hat im Tantra seinen Platz, aber Tantra ist noch so viel mehr und birgt wertvolles jahrtausendealtes Wissen.
»Tantra« ist ein Wort, das aus dem Sanskrit stammt. »Tan« bedeutet so viel wie »weben« oder »sich ausdehnen«. Mit Tantra wurde das Dichten von heiligen Texten bezeichnet. Auch das Durchführen vielschichtiger heiliger Rituale ist Tantra, denn hier »webt« man förmlich an seiner Verbindung zum Göttlichen. Tantra oder Tantrismus ist also in seinem Ursprung eine Praxis, um sein Bewusstsein, seinen Geist zu erweitern und auf diese Weise letztlich Erleuchtung zu erlangen. Der tantrische Weg sieht vor, von Ritualen und Meditationen begleitet, alle den Menschen innewohnenden Energien, sei es die Freude, die Gier, die Trauer und eben auch die Sexualität, anzunehmen, sie für den spirituellen Weg nutzbar zu machen und zu etwas Höherem hin zu transformieren. Es gilt im Tantrismus also, tief ins Leben einzutauchen, um Erleuchtung zu erfahren.
Der Tiefe und Mystik des Tantrismus gehen verschiedene Artikel und Texte aus unserer Rubrik »Tantra-Zeitschrift« nach. Wir widmen uns aber auch dem Bereich der Sexualität und Erotik, die wir mithilfe eines revidierten Verständnisses von Tantra neu entdecken können.