Den Tod als Ratgeber nehmen (1.)

Den Tod als Ratgeber nehmen (1.)

Traumfänger

Das Wissen der toltekischen Seher

Autor: Norbert Claßen
Kategorie: Spirituelle Kulturen / Schamanismus
Ausgabe Nr.: 03

Norbert Claßen ist einer der großen Castaneda-Praktiker in Deutschland. Eine schwere Krankheit führte ihn in eine schamanische Initiation. In diesem Interview mit Ronald Engert spricht er über die energetische Konzeption der Zauberer, das Träumen, das leuchtende Ei und das “Poor-little-baby-syndrom” des Westens. Außerdem geht es darum, was es heißt sein Leben im Angesicht des Todes zu leben. Ein Gewahrsein und eine völlige Klarheit über diese Tatsache ist wichtiger Bestandteil vom Weg des Kriegers.

Der indianische Schamanismus stellt eine eigenständige Tradition dar, die ihren Ursprung auf dem amerikanischen Kontinent hat. Es handelt sich dabei um eine Konzeption, die nicht nur als Naturreligion zu bezeichnen ist, sondern vielmehr als ein metaphysisches Wirklichkeitsverständnis, das die dreidimensionale mechanistische Alltagsrealität von Körper und Substanz (das Tonal) zu überschreiten trachtet, um in die »andere Wirklichkeit« (das Nagual) einzutreten, in der dreidimensionalen Begrenzungen keine Gültigkeit mehr haben.
Der Begriff des Tolteken soll hier nicht als historische Bezeichnung einer bestimmten Volksgruppe oder eines Stammes verstanden werden, sondern als übergeordneter Begriff für Praktiker des indianischen Schamanismus schlechthin.

Die Lehren des Don Juan
Eine der bekanntesten schamanistischen Schulen in Europa ist die von Carlos Castaneda in seinen Büchern beschriebene Lehre des Don Juan. Seine mittlerweile neun Bücher geben Aufschluß über die indianischen Konzeption der Wirklichkeit, die eine Herausforderung an das abendländische Weltverständnis darstellt, wie sie größer kaum sein könnte. (…)

Interview mit Norbert Claßen und Titusz Pan
Das folgende Interview wurde im Mai 1995 in Aachen geführt.

Was für ein Weltverständnis haben die Zauberer?

Norbert Claßen: Die Zauberer der toltekischen Tradition sehen die Welt als Energie – sie haben ein energetisches Weltverständnis. Alles ist grundsätzlich Energie, und in diesem Punkt würde uns auch jeder moderne Physiker zustimmen. Wir sagen aber, man kann diese Energie direkt wahrnehmen, und da gehen die Ansichten auseinander.
Die Zauberer beschreiben das Universum als eine unendliche Ansammlung von Energiefeldern, von fadenförmigen leuchtenden Strängen, die zu »Clustern« (Bündeln) zusammengefaßt sind. Auch der Mensch ist im Sinne der Zauberer so ein Cluster, eine Ansammlung von Energiesträngen, welche in einem Behältnis, einem Kokon, eingeschlossen sind. Das ist das, was Don Juan als das leuchtende Ei beschreibt. Zauberer sehen den Menschen als leuchtendes Ei.
Und das ist nicht nur eine belanglose Vorstellung. Im Verständnis der Tolteken liegt darin das ganze Geheimnis der Wahrnehmung und der Bewußtheit begründet. Am leuchtenden Ei, ungefähr in Armeslänge hinter den Schultern des physischen Körpers, gibt es einen besonders hell leuchtenden Punkt, etwa von der Größe eines Tennisballs, dessen genaue Position die Wahrnehmung bestimmt. Die Zauberer sagen, er richtet die inneren Energiestränge an den Energiesträngen des Universums aus. Der Prozeß der Ausrichtung ist der Schlüssel zur Wahrnehmung. Wahrnehmung ist aber keine feste, unabänderliche Sache – sie wird gleichsam montiert, erschaffen, je nachdem, an welchen Leuchtsträngen des Universums wir uns ausrichten. Entscheidend ist dabei die Position, die genaue Lokalisation des für die Ausrichtung zuständigen Punktes. Aus diesem Grund nennen die Zauberer den Punkt, der die Wahrnehmung bestimmt, den »Montagepunkt«. Und das, was wir im Alltag gemeinhin »Welt« nennen, ist für sie nur eine bestimmte Position des Montagepunktes.

Welche konkreten Vorteile bietet eine solche energetische Sichtweise?

Norbert Claßen: Aus der energetischen Sicht sind die Möglichkeiten zur Veränderung, und das, was man tun will, viel besser ersichtlich. Aber es erschließen sich auch ganz neue Möglichkeiten, die aus der gewohnten Alltagssicht der Welt gar nicht hervorgehen. Der Montagepunkt läßt sich verschieben, und das erschließt uns neue Welten.
Titusz Pan: Natürlich bezahlt man für diese neuen Möglichkeiten auch einen gewissen Preis: Man kann sich nicht mehr blindlings in die Alltagswelt verstricken, man muß für sie unerreichbar sein.

Wächter der Tolteken

Warum ist es für den Krieger wichtig, unerreichbar zu sein?

Norbert Claßen: Wenn er erreichbar ist, ist er ein Teil dieses Systems – der Alltagswelt. Er wird von den anderen eingebaut in den Mechanismus der Routine und verliert darin seine Kraft. Sein Montagepunkt wird gleichsam fixiert, festgehalten. Unerreichbarkeit bedeutet auch, daß nur wenige Leute Deine Telefonnummer kennen oder Deine Adresse haben.
Titusz Pan: Ich habe erst begriffen, was es bedeutet, ein Krieger zu sein, nachdem ich viel Zeit alleine verbracht hatte und so auf mich selbst zurückgeworfen war. Normalerweise ist man es gewohnt, bei der kleinsten Verstimmung direkt Ablenkung und Stabilisierung bei Freunden und Bekannten zu suchen. So wird es schnell zur Gewohnheit, sich von einer unbedeutenden Ablenkung zur nächsten zu bewegen. Das ist ein Teufelskreis, der seinen Tribut fordert. Es ist eine Aufgabe des Kriegers, mit dem Alleinsein umgehen zu lernen. Das Alleinsein ist das Sterben.
Norbert Claßen: Castaneda bekam einmal von Don Juan die Aufgabe, sich von all seinen Freunden zu lösen, irgendwo ein schäbiges, grünes Zimmer zu mieten und so lange darin zu bleiben, bis er gestorben ist, d.h. bis er allein darin sein konnte. Er verbrachte drei Monate in dem Zimmer. Das Kriterium für Totsein ist, sich nicht mehr vor dem Alleinsein zu fürchten.
Das Problem der heutigen Zeit ist es, zu glauben, das Bewußtsein müßte verändert werden, um Dinge zu ändern. Aber viele haben ihr Bewußtsein verändert und trotzdem ändert sich nichts oder nur wenig. Die Energie fehlt, Mensch und Erde befinden sich in einer energetischen Abwärtsspirale. Um etwas zu verändern, braucht man Energie. Wir müssen den Müll abwerfen, der unsere Energie verbraucht, strategisch vorgehen, die Rekapitulation1 durchführen, die Routinen durchbrechen (z.B. mit Hilfe eines »grünen Zimmers«).
In den Routinen geht ständig Energie verloren. Die Sorge um den geregelten Tagesablauf kostet uns Energie. Generell kosten Sorgen Energie. Die Krieger bezeichnen dieses Leben voller Sorgen als das »Poor-Little-Baby-Syndrom«. Das Christentum z.B. hat seine ursprüngliche Lehre ganz in ein solches Opfer-Syndrom umgewandelt. Und so ist unsere ganze Gesellschaft strukturiert. Das arme Baby in der Krippe und das arme Baby, daß da am Kreuz hängt und vor dem wir in die Knie gehen. Man identifiziert sich mit Symbolen der Kraftlosigkeit, des Leidens, des Martyriums. Niemand interessiert sich für den auferstandenen Christus, den Bezwinger, für den, der in den Himmel aufgefahren ist. Die Menschen wollen keinen Erfolg haben, sie beabsichtigen das Leiden. Sie sehen keine andere Möglichkeit, weil sie sich nichts anderes vorstellen können. Sie leben in perfekten Verliererszenarien, sie beschwören die Katastrophe herauf. […]

Lesen Sie den kompletten Artikel in der TATTVA VIVEKA 03 >>

Der komplette Artikel mit zwei Interviews ist auch als PDF erhältlich:

Das Wissen der toltekischen Seher Interview mit Norbert Claßen und Titusz Pan.
Die Weisheit der Schamanen Interview mit Swift Deer.

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