Das Ego der Religionen

Das Ego der Religionen

Ausblick auf eine Spiritualität des 3. Jahrtausends

Autor: Gerard Kever
Kategorie: Spiritualität
Ausgabe Nr.: 49

Die Ich-Identität als relative resultiert aus historischen oder geografischen Bedingungen. Dass eine Ich-Identität nicht nur im Individuum, sondern auch in Kollektiven zum Ausdruck kommt, führt dazu, dass sich Völker und Religionsgemeinschaften bilden. Der Artikel zeigt auf, wie jüdisches, christliches und islamisches Ego entstanden und was ihre spezifischen Projektionen sind. Dies hat auch politische und soziale Konsequenzen. Zur Überwindung dieser Bedingtheiten plädiert der Autor für eine spirituelle Bewusstwerdung, die sich an der Frage des Ich und der Subjektivität ausrichtet.

Kein Zweifel, das Betriebsgeheimnis von Planet Erde heißt »menschliche Verantwortung«. Aber nicht nur die materielle Welt ist unwiderruflich aus der göttlichen Obhut immigriert. Auch spirituelle Erbschaften wandern aus ihrer Lokalität heraus und landen auf dem internationalen Marktplatz. Hier zeigt sich: die Geschichte Gottes ist das letzte Geheimnis der Welt. Wer es kennt, verlässt die Hermetik monotheistischer Glaubensgewohnheiten.

Ich bin hier. Ich bin jetzt. Das allein ist meine Schuld.
Wir sind hier. Wir sind Jetzt. Das allein ist unsere Schuld.
Rosenstolz

Die individuelle Ich-Identität

Der Mensch versammelt viele Stimmen in sich. Sein Charakter besteht in der Regel aus einer Mehrzahl von Facetten, die je nach Bedarf Anwendung finden. Das ist modern und meist unproblematisch. Was aber der Volksmund als das »Eingemachte« bezeichnet, deutet auf einen Kern in einer Persönlichkeit hin. Natürlich ist diese konservierte »Persona« (griech.: sprechen durch die Maske) ein Konzept. Es sind bestimmte Hirnareale, die je nach Kulturkreis mehr oder weniger stark ausgeprägte Ich-Aktivitäten ausweisen. Unveränderlich ist daran nichts. Trotzdem ist die Identifikation mit einer bestimmten Form der Persönlichkeit tiefgreifend fixiert.
Doch wenn es zu einer Konfrontation mit den Glaubenssätzen aus dem Kernbereich der eigenen Identität kommt, siegt meistens die Ignoranz.
Menschen sind keine Tiere; ohne psychologische Navigation geht es nicht. Und die ist existenziell. Das ist der Grund, warum bei einer Infragestellung der Ich-Identität das sogenannte »Ego« alle Register zieht: ignorieren, verdrängen, verunglimpfen, leugnen, zerstören.
Besonders im Westen gibt es wohl kaum jemand, der mit dieser Funktionsweise im Menschen noch nie in Kontakt gekommen ist. Dem gegenüber betont Asien weit stärker das Wir-Gefühl. Doch auch das lässt sich im Gehirn lokalisieren1. Das Potenzial, sich zu identifizieren, ist im Osten nicht geringer, sondern nur anders gelagert. Trotzdem gibt es einen signifikanten Unterschied: während der Westen sich zu einer Hochburg von Individualität entwickelt hat, orientierten sich die Identifikationen im Orient stärker an einem illusionshaften Weltverständnis. Auch wenn Kommunismus und Moderne diese Tradition neu akzentuiert haben, der Bodensatz dieser Kulturen enthält ein Wir-Verständnis, das auf der Basis eines als illusionär verstandenen »Ich« angelegt ist. Schon früh wirkten die diversen Philosophien der Transzendenz auf den Volkskörper ein.

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Während der Westen sich zu einer Hochburg von Individualität entwickelt hat, orientierten sich die Identifikationen im Orient stärker an einem illusionshaften Weltverständnis.

Um die Globalisierung zu verstehen, wird es unerlässlich sein, Licht in diese kollektiven Motivationen zu bekommen. Was ist ein »Ich« überhaupt? Ist der Westen ökonomisch so erfolgreich, wegen seiner so ausgeprägten »Ich-Identität«? Ist die östliche »Wir-Mentalität« Zukunftsträchtiger? Geht es auch ohne »Ich«, wie die Buddhisten behaupten? Grundlegend gilt: stößt man im Einzelnen oder in Gruppen auf ein Identitätskonzept – dann hat man Zugang zu einer Formel gefunden, aus der heraus sich alle gewesenen und kommenden Reaktionen ableiten lassen. Der Grund hierfür ist einfach: ein Ego ist nicht frei. Es reagiert gemäß eines fixierten Programms. Wirkliche Freiheit ist demnach nur jenseits der »Ich-Identität« zu finden. Das mag vielen Menschen unheimlich vorkommen, weshalb es ratsam scheint, zuerst einmal diejenigen Realitätskonzepte besser zu verstehen, auf die sich die maximale Mehrheiten berufen. Und das sind selbst heutzutage immer noch Religionen. Auch wenn die Moderne ein neues, ganz anderes Angebot bereit hält, ist die Basis auch dafür ohne einen Blick auf unsere religiösen Wurzeln nicht zu verstehen. […]

Den kompletten Artikel finden Sie in der Tattva Viveka Ausgabe 49

Artikel zum Thema in früheren Ausgaben

TV 21: Ronald Engert – Die Gottesvergiftung. Ist Liebe die Antwort?
TV 24-25: Hadayatullah Hübsch – Islam, der Weg der Hingabe. Von der mystischen Weisheit
TV 28: Stan Tenen – Sind wir unsterblich? Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde. Was sind die Folgen?
TV 28: Brigitte Harnoss – Wer ist Gott? Einheit und Vielfalt in der Transzendenz
TV 29: Ken Wilber – Das zweite Gesicht Gottes. Ein revolutionärer Gedanke
TV 33: Ronald Engert – Der Kreuzzug der Gottlosen und die dialektische Synthese von Glauben und Vernunft

Bildnachweis: © artwork: Saleema Thierauf, agapechristian

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Gerd Kever
Das Ego der Religionen
Ich- und Wir-Identitäten

Kein Zweifel, das Betriebsgeheimnis von Planet Erde heißt „menschliche Verantwortung“. Aber nicht nur die materielle Welt ist unwiderruflich aus der göttlichen Obhut immigriert. Auch spirituelle Erbschaften wandern aus ihrer Lokalität heraus und landen auf dem internationalen Marktplatz. Hier zeigt sich: die Geschichte Gottes ist das letzte Geheimnis der Welt. Wer es kennt, verlässt die Hermetik monotheistischer Glaubensgewohnheiten.
 

 

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