Die Intelligenz des Herzens

Die Intelligenz des Herzens

Diesseits und jenseits der Wissenschaft

Autor: Prof. Dr. Barbara von Meibom
Kategorie: Politikwissenschaft
Ausgabe Nr: 53

Rationales Erkennen ist ein wesentlicher Grundpfeiler wissenschaftlicher Forschung. Positivistische Methoden untermauern diesen Erkenntnisweg. Diese Form des Erkennens hat unsere Kultur seit der Aufklärung zu hohen Kulturleistungen – aber auch zu viel Zerstörung – geführt. Um im Einklang mit der Schöpfung und für weitere Entwicklungen ist es nun an der Zeit auch die Intelligenz des Herzens in die bisherigen Methoden der Erkenntnis zu integrieren.

Prof. Dr. Barbara von Meibom spricht über die Verbindung
von Wissenschaft und Spiritualität

 Wissenschaft, die Wissen schafft

Wissenschaft will Wissen schaffen. Für mich habe ich dies übersetzt mit der Formel: Ich bin auf der Suche nach der Wissenschaft, die Wissen schafft. Die Wissenschaft, zuerst im Studium, später in der Forschung und zuletzt in Lehre und Forschung, hat mir über viele Jahre diesen Raum des Suchens geboten. Es war der Schritt aus der »selbst verschuldeten Unmündigkeit«, die Chance, die geistige Enge von Herkunft, Kultur, Geschlecht und sozialer Zugehörigkeit gründlich zu weiten. Dem eigenen Denken auf die Spur zu kommen, ist ein holpriger, aufschlussreicher und befreiender Weg. Die Methode, die mir die Wissenschaften boten, wurden von mir freudig begrüßt: der rationale Diskurs, Klärung der eigenen Prämissen, die Präzisierung des Erkenntnisinteresses, die mentale Durchdringung, das Hinterfragen mit empirischen Methoden, die Überprüfbarkeit. All dies trug für mich dazu bei, mein Menschen- und Weltbild zu überprüfen, wichtige Fragen, wie sie sich für eine Frau des Jahrgangs 1947 in Deutschland stellten, zu klären und eine neue Orientierung zu entwickeln, die weit über das hinaus ging, was mir Elternhaus, Schule und mein vom Adel geprägtes soziales Beziehungsgeflecht geboten hatten. Ich entwickelte geistige Mündigkeit und war mir dessen voller Dankbarkeit bewusst.

Die Intelligenz des Herzens
Die Grenzen der Wissenschaft

Im Laufe der Zeit tauchten immer mehr Fragen auf, die ich mit dem wissenschaftlichen Diskurs nicht beantworten konnte. Mein Themenfeld Kommunikation und Medien bot hierfür unmittelbare Anschauung. Ich hatte einige Jahre in der empirischen Auftragsforschung verbracht. Dabei ging es in den 70er Jahren um die Einführung von Bildschirmtext und Kabelfernsehen, was sich später als »die neuen Medien« entpuppte. Unser Institut war an vorderster Front mit dabei. Ich schrieb die Forschungsanträge und konnte immer weniger an einer unbequemen Erkenntnis vorbei gehen: Die Gegenstände der Forschung, d.h. die zu beantwortenden Fragen, wurden so zugerichtet, dass sie methodisch zu bewältigen sind. Zugerichtet ist hier durchaus konkret zu verstehen: Was sich methodisch nicht bewältigen ließ (und unser Institut war methodisch ein Pionier) wurde so verschlankt, zurechtgestutzt, auf das Machbare reduziert, dass es sich empirisch noch erheben ließ. Die eigentlichen Fragen blieben dabei außen vor. Sie ließen sich nicht in das Korsett des methodisch Machbaren zwingen.

Die Intelligenz des Herzens
Mit anderen Themen machte ich ähnlich ernüchternde Erfahrungen: Uns war es übertragen, die Untersuchung zur Anzahl und Situation der Pflegebedürftigen in Westdeutschland durchzuführen, die letztlich zur Pflegeversicherung führte. Nach intensiven repräsentativen Untersuchungen präsentierten wir die Ergebnisse dem beauftragenden Ministerium. Die Erfahrung hätte nicht desillusionierender sein können. Die Festlegung der Pflegekriterien, die sich in den Pflegestufen niederschlagen würde, wurde nachträglich neu vorgenommen, umsortiert und so zusammengesetzt, wie es dem Auftraggeber zusagte. Dabei ging es letztlich darum, die Pflegestufen so zuzuschneiden, dass die geplante Pflegeversicherung finanzierbar sein würde.

Was für mich hier geschah, war die Entzauberung der Wissenschaft. Ihr vermeintlicher Objektivitätscharakter, ihre Suche nach Wahrheit war grundsätzlich in Frage gestellt, entweder weil sich die Komplexität der Wirklichkeit dem erklärenden und systematisierenden Zugriff entzog, oder weil sich das, was Wissenschaft erarbeitete, als so stark von Interessen und ökonomischen Rahmenbedingungen abhängig erwies, dass von Objektivität und Wahrheit nur schwerlich die Rede sein konnte.

Was für mich hier geschah, war die Entzauberung der Wissenschaft.

Zu diesen ernüchternden Erfahrungen gesellten sich weitere. Als ich Mutter wurde, entdeckte ich, dass zentrale Anliegen des Lebens in meinen Wissenschaften kaum Raum haben. Dies galt in ganz besonderem Maße für die Frage, wie Kinder sich in einer sich zunehmend mediatisierenden Gesellschaft zurechtfinden und eine Chance zur ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung haben sollen. Es waren die 80er Jahre, in denen sich die medientechnische Revolution vollzog. In der vorangehenden Epoche war das Fernsehangebot noch auf zwei Programmschienen (das erste ARD, das Zweite) und später die dritten Programme beschränkt und wurde nur nachmittags und abends ausgestrahlt. Außerdem lag es in öffentlich-rechtlicher Verantwortung mit restriktiver Werbepolitik und einem am demokratischen Gemeinwohl orientierten Programmauftrag. Nun traten wir unvermutet in eine Phase der Überfülle ein: mit Hunderten von Fernsehprogrammen, mit Angeboten, die völlig kinderuntauglich und gleichwohl für diese erreichbar waren, mit der Einführung von Werbung zu allen Tages- und Nachtzeiten und einer Programmpolitik, die sich an Quoten orientiert, mit erweiterten Telefonmöglichkeiten, die die Beziehungen im Nahraum empfindlich stören – kurz es waren und sind, wie ich meine, bis heute Entwicklungen, auf die wir in keiner Weise vorbereitet sind, auf die wir bislang keine gültigen Antworten gefunden haben und die tief in das Gewebe unserer Selbst, unserer Beziehungen und des gesellschaftlichen und kulturellen Miteinanders eingreifen. Die Wissenschaft bot hierfür weder gültige Orientierungen noch Antworten. Die Prozesse waren viel zu komplex, und was sie an Fragen aufwarfen, waren letztlich Wert- und Sinnfragen, denen sich dieses System eher verweigert.

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Dieser Eindruck wurde für mich noch durch eine besonders drastische Erfahrung verschärft: meine mehrjährige Mitarbeit im Graduiertenkolleg Geschlechterverhältnis und sozialer Wandel. Handlungsspielräume und Definitionsmacht von Frauen. In diesem Programm führten sechs Professorinnen aus drei Universitäten zahlreiche talentierte junge Frauen zur Promotion oder zur Habilitation. Alle diese Frauen waren in der sogenannten Familienbildungsphase. Doch in all den Jahren dieses Kollegs wurde nach meiner Erinnerung ein einziges Kind (bei, wenn ich dies korrekt erinnere, mehr als 50 Frauen, die in das Programm eingebunden waren) geboren und diese Frau verließ das Kolleg nach einiger Zeit. Meine Nachforschungen ergaben, dass viele der Frauen mit Krankheitssymptomen zu kämpfen hatten und dass sie die Wissenschaft so sehr als Konkurrenzsystem erlebten, dass ihnen die Vereinbarkeit von Mutterschaft/Familie und Karriere unmöglich erschien. Der Gedanke, der sich mir hier aufdrängte, war naheliegend: Etwas an dem System selbst stimmt nicht. So wie es aufgestellt und ausgerichtet ist, ist es – zumindest zu Teilen – äußerst lebensfeindlich. Es ist von Prinzipien geprägt, die die Grundlage unseres Lebens nicht ausreichend respektiert und damit beschädigt.

Das Ergebnis dieser vielfältigen Erfahrungen und Fragen: Ich begab mich erneut auf die Suche, zuerst durch eine neue Verbindung von Theorie und Praxis, dann durch eine neue Verbindung von Wissenschaft und Spiritualität. Zu beiden möchte ich hier einige Gedanken mitteilen. […]

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Rationales Erkennen ist ein wesentlicher Grundpfeiler wissenschaftlicher Forschung. Positivistische Methoden untermauern diesen Erkenntnisweg. Diese Form des Erkennens hat unsere Kultur seit der Aufklärung zu hohen Kulturleistungen – aber auch zu viel Zerstörung – geführt. Um im Einklang mit der Schöpfung und für weitere Entwicklungen ist es nun an der Zeit auch die Intelligenz des Herzens in die bisherigen Methoden der Erkenntnis zu integrieren.
 

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