Durchbruch zum Menschsein – Teil 2

Durchbruch zum Menschsein – Teil 2

Wie sich seelische und spirituelle Prozesse auf dem Wege zur Ganzheit ergänzen

Autor: Dr. Sylvester Walch
Kategorie: Psychologie
Ausgabe Nr: 69

Transpersonale Psychologie weiß: Spiritualität und spirituelle Praxis ersetzen keine Psychotherapie. Es bedarf einer gefestigten Persönlichkeit um spirituelles Erleben sinnvoll in das eigene Leben einzubetten. Psychotherapie dient dazu biografische Bruchstellen zu heilen. Spiritualität ist der Weg das Mysterium des Lebens zu ergründen. Wenn jeder bei sich seinen Weg geht und seine Wunden heilt, kann er dadurch der Menschheit als Ganzes dienen.

Seelische Integration und Psychodynamik

Da sich viele Menschen gerade aus inneren Nöten heraus spirituellen Richtungen anvertrauen, lassen Sie mich genau an dieser Stelle eines ganz klar zum Ausdruck bringen: Eine spirituelle Praxis macht Psychotherapie nicht überflüssig.Trotz der Hochkonjunktur esoterischer, schamanischer und spiritueller Angebote landet man allmählich wieder auf dem harten Boden der Realität, nachdem überzogene Heilserwartungen enttäuscht worden sind. Man muss leider feststellen, dass die dauerhafte Veränderung von chronifizierten behindernden Lebensmustern nur sehr schwer gelingt.

Eine spirituelle Praxis macht Psychotherapie nicht überflüssig.

Es ist auch klar geworden, dass umfassende Bewusstseinsexperimente und langjährige Meditationspraxis alleine keine psychischen Probleme lösen können. Freimütig bestätigt das Ram Dass (vgl. 1989), wenn er einräumt, dass er in der gesamten Zeit seines spirituellen Weges nicht eine einzige seiner Neurosen losgeworden sei.
Es ist der Gefahr entgegenzutreten, dass sich hinter einer spirituellen Fassade eine einsame, an sich selbst leidende Persönlichkeit verbirgt, die sich überdies dafür schämt und verachtet.

Psycho-Schatten im spirituellen Leben

Aus diesem Grunde bleibt die psychodynamische Perspektive immer aktuell und ist nicht mit dem Eintreten in eine spirituelle Praxis erledigt.
Psychische Probleme können, falls sie unbearbeitet bleiben, sogar spirituelle Prozesse nachhaltig behindern. Zum Beispiel berichtete ein Klient, der seit Jahren in einem Ashram lebt und sich regelmäßig den Übungen unterzieht, eines Nachts von Selbstbefriedigung geträumt zu haben. Anschließend litt er unter Verfolgungs- und Bestrafungsfantasien, sobald er sexuelle Gelüste bekam. Das spirituelle Gebot, ein gutes Leben zu führen, wurde durch ein bestrafendes Über-Ich ersetzt. Anerkennung von spiritueller Autorität hat aber nichts mit Unterwerfung und Strafe zu tun.

Gesunde Spiritualität ist auch eng mit der Bewusstmachung von Schattenaspekten verknüpft.

Ein offener Umgang mit Konflikten, Aggressionen und Sexualität ist unumgänglich.

Die mangelnde Integration des je eigenen Schattens kann folgende Auswirkungen haben: Rigidität, unbarmherzige Strenge, subtile Aggressivität, Fassadenhaftigkeit, Falschheit, Härte gegen sich und andere. Selbstdestruktive Askese, Kasteiung oder Selbstverletzungen, wie sie zum Beispiel in ekstatischen Selbstgeißelungsritualen vorkommen, sind extreme Formen eines Krieges gegen die Natur.
Ein offener Umgang mit Konflikten, Aggressionen und Sexualität ist unumgänglich, denn sonst entstehen Tabus, verdeckte Normen, ein Hang zur Harmonisierung von Widersprüchen und ein rigider Umgang mit Zweifeln. Das Eingeständnis von Zweifeln ist indes kein Zeichen von Schwäche, sondern eine Folge ehrlichen Interesses um innere Wahrhaftigkeit und für den spirituellen Weg von hoher Bedeutung. (…)

 

Wie die Verdrängung der psychologischen Probleme zu Abhängigkeit führen kann oder Spiritualität zur Ersatztherapie gemacht wird, können Sie im vollständigen Artikel lesen. (Bestellmöglichkeit am Ende des Beitrags!)

Gefahren ganzheitlicher Ansätze

Eine Seminarteilnehmerin schildert nach einer holotropen Atemsitzung folgendes eindrucksvolles Erlebnis:

»… Es ist so viel Licht da, göttliches, strahlendes Licht. Seine Gegenwart ist überwältigend … Es ist zu viel für mich und Tränen der Seligkeit, des Überwältigtseins brechen aus. Das ganze Sein ist ausgebreitet, Ihm entgegen. Frieden, Seligkeit, Glück, Liebe, Schönheit, eingetaucht in das Eine, aufgehoben, wie eine Blüte, die sich ganz öffnet, sich Ihm entgegenhaltend … Tränen strömen unentwegt, tiefes Weinen dringt aus dem Innersten, ein hoher erschütternder Ton des Weinens steigt gerade und hoch auf in den Himmel. Es ist nicht Schmerz über Irdisches, es ist Erschütterung und Erlösung, die Überwältigung durch Seine Schönheit – unglaublich, dass so viel Schönes und Erhabenes existiert, unauslöschbar.«

Spiritualität ist ein lebenslanger Entwicklungsweg, um dem Geheimnis des Lebens auf die Spur zu kommen.

Robert Spaemann (2006, FAZ), ein zeitgenössischer Moralphilosoph, gibt uns zur Beurteilung von möglichen Gotteserfahrungen einen hilfreichen Hinweis:
»Angesichts der überwältigenden Dauer und Allgemeinheit des Gerüchts von Gott und angesichts der Gotteserfahrungen vieler Menschen trägt derjenige die Begründungspflicht, der dieses Gerücht als irreführend und diese Erfahrung als Einbildung abtut.«

Im spirituellen Erwachen wird der Suchende gefunden, denn er ist für das offenbarende Erlebnis bereit. Der Erfahrende fühlt sich von etwas Größerem getragen und mit allem verbunden. Es kommt zu Lichterscheinungen, Energiephänomenen, spontanen Zuständen des Glücks, der Hingabe und der Demut. Davon tief bewegt, ist man gleichzeitig gelassen und ruht in der inneren Mitte.

 

Eine ausführliche Beschreibung der transpersonalen Perspektive und die Schönheit der Selbstverwirklichung finden Sie im vollständigen Artikel. 😉 Unten können Sie bestellen!

 

Vom Ego zum Ich

(…) Auf die Spur unseres Ego und unserer Egoverstrickung gelangen wir schon durch wenige und sehr einfache Fragen, wie zum Beispiel: Löst der Erfolg eines anderen in mir Neid aus oder erhöhen schlechte Nachrichten über andere mein Selbstwertgefühl? Manipuliere und kontrolliere ich Beziehungen, um Bestätigung zu erlangen? Reagiere ich gekränkt oder beleidigt, wenn mich jemand sachlich kritisiert?
Lehne ich andere ab, wenn sie nicht so sind, wie ich sie gerne hätte?
In Situationen, in denen wir vom Ego dominiert werden, erleben wir uns verbissen, gierig, eifersüchtig, unversöhnlich, hart und abwertend. Wir hören nicht zu, halten gerne an unseren Vorurteilen fest, beziehen unsere Sicherheit eher aus materiellen Werten und äußerem Ansehen.
Vor allem aber zeigt sich das Ego im tiefen Misstrauen gegen alles, was einfach passiert. Das hat zur Folge, dass wir uns einer kreativen Auseinandersetzung mit Lebensumständen, die uns voranbringen könnten, verweigern.

Dort, wo der Egoismus krankhafte Züge trägt, wenn wir an die unterschiedlichen Formen des Narzissmus denken, sollten wir allerdings nicht von Ego in spiritueller Hinsicht sprechen.
Wenn wir bereit sind, am Ego zu arbeiten, beginnt ein Prozess des Loslassens und Entdeckens. Die inneren Schwingungen werden subtiler erfahren, Fassaden beginnen sich aufzulösen. Das Leben selbst wird lebendiger und wahrhaftiger. Aus den transformierten Egoanteilen entstehen neue Ich-Qualitäten. Das Ich wird dann zum Sinnesorgan des Selbst, kann flexibel reagieren und ist fähig, kontraproduktive Konzepte wieder loszulassen. Dadurch fällt es uns auch leichter, schwierigen Situationen gegenüber offener zu sein und eigene Vorstellungen und Konzepte zu relativeren.

 

Wie handelt ein Mensch, der vom Ego zum Ich gewachsen ist? Tja, das steht im vollständigen Beitrag. Denn können wir hier leider nicht kostenlos abdrucken. Aber für nur 2,00 € Unterstützungsbeitrag sind Sie dabei! 🙂

Auch Krisen können, wie wir wissen, Entwicklungsschübe auslösen und ruckartig klar machen, was zu tun ist. Dabei werden oft vertraute Bezüge aufgebrochen und Prioritäten neu geordnet.
Jede Situation wird so zum helfenden Freund, jedes Hindernis zum ermutigenden Lehrer. Keshab (1958) sagt: »Ich bin ein vollkommener Schüler. Ich lerne von allem.«

Es ist eine ungewohnte Sprache, die wir lernen müssen, wenn wir uns auf diese Einsichten einlassen. Wir dürfen aber darauf vertrauen, dass sich mit der Bereitschaft zur inneren Verwandlung auch die äußeren Lebensumstände zum Besseren ändern werden. Wenn wir diese Einstellung, die mit dem Satz »Alles kann sich zum Besten entwickeln« ausgedrückt werden kann, inmitten des Alltags verwirklichen, werden Furchtlosigkeit, Gelassenheit und tiefer Frieden eine neue atmosphärische Qualität in unser Leben bringen.

Das Leben mit seinen Krisen und Übergängen wird dann zu einem täglichen Abenteuer, getragen von einem universalen, zeitlosen und beständigen Wesensgrund, von dem her sich Polaritäten und Bewertungen in ein sinnvolles Ganzes einordnen.

Psychotherapie, Arbeit mit veränderten Bewusstseinszuständen und spirituelle Übungspraxis können sich auf dem Weg zur Ganzheit in wunderbarer Weise ergänzen. Dabei ist es allerdings wichtig, dass wir uns selber gegenüber stets geduldig und achtsam bleiben.

In diesem Sinne möchte ich meinen Artikel mit den Worten von Gurumayi Chidvilasananda (1994, S. 37), einer geistigen Lehrmeisterin unserer Tage, beschließen:
»Viele Leute möchten in ihrer Entwicklung immer große Sprünge machen. Das ist schon recht, doch bedenke, dass du dabei die Schönheit jedes einzelnen Schrittes übersiehst. Jeder kleine Schritt hat seinen eigenen inneren Plan. Möchtest du ihn nicht kennen lernen? Wenn du achtsam Schritt für Schritt in deiner inneren Entwicklung weitergehst, machst du die Erfahrung, dass du innerlich stärker wirst, und dir wird auch bewusst, was du für das große Ziel getan hast.«

Zum Autor

Sylvester Walch

Dr. phil., geb. 1950. Studium der Psychologie, Psychiatrie und Philosophie. Ausbilder für Psychotherapie und Lehrsupervisor für Integrative Therapie, Integrative Gestalttherapie, Transpersonale Psychotherapie und Holotropes Atmen. Lehraufträge an verschiedenen Universitäten im deutschsprachigen Raum. Er leitete über viele Jahre eine stationäre psychotherapeutische Einrichtung und verfasste zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten und Bücher: u.a. »Dimensionen der menschlichen Seele«, »Vom Ego zum Selbst« und »Subjekt und Realität«.

Dr. Sylvester Walch

Dies sind Ausschnitte aus dem Artikel.

Erfahren Sie mehr über die Bedeutung von Ego, Selbst, Psychotherapie und Spiritualität.

Lesen Sie die beiden Teile des Artikels in Tattva Viveka 68 und 69 oder downloaden Sie die vollständige Fassung als ePaper für 3,00 € (Pdf, 15 Seiten).

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Dr. Sylvester Walch
Durchbruch zum Menschsein

Spiritualität und spirituelle Praxis ersetzen keine Psychotherapie, so erläutert der Autor treffend. Es bedarf einer gefestigten Persönlichkeit um spirituelles Erleben sinnvoll in das eigene Leben einzubetten. Psychotherapie dient dazu biografische Bruchstellen zu heilen, Spiritualität ist der Weg das Mysterium des Lebens zu ergründen. Wenn jeder bei sich seinen Weg geht und seine Wunden heilt, kann er dadurch der Menschheit als Ganzes dienen.
 

 

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Bildnachweis: © h.koppdelaney

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