15 Mai Göttliche Fügungen
Ein Schamane, ein Koch und die Erlösung karmischer Belastungen
Autor: Jigme Dolma
Kategorie: Schamanismus
Ausgabe Nr: 59
Eine Frau reist relativ unbedarft nach Nepal und möchte bei einem Schamanen eine Heilerausbildung machen. Die Beobachtung eines Heilungsrituals schildert sie eindrücklich direkt und authentisch – und verwirft die Idee der Ausbildung. Eineinhalb Jahre später ist sie selbst Teil einer Heilung durch diesen Schamanen – mit erstaunlichen Offenbarungen.
Meine mir bewusste Absicht: eine Heiler-Ausbildung machen
Da ich mich schon immer für alternative Heilmethoden interessierte, besuchte ich im Oktober 2010 während meines Aufenthaltes in Nepal einen Schamanen. Ich wollte wissen, ob ich eine Ausbildung bei ihm machen kann. So ließ er mich an einer »großen Heilsitzung« als Zuschauer teilnehmen. Um 11 Uhr vormittags ging ich ziemlich gespannt zu ihm. Die Patientin war eine junge Nepalesin. Sie klagte über Energielosigkeit und permanente Müdigkeit. Sie war auch sehr dünn und hatte dunkle Augenränder.
Der Schamane hatte einen halben Tag für die Vorbereitungen gebraucht. Er hatte mehrere aus Schilf geflochtene runde Tabletts mit verschiedenen Speisen, Gegenständen und Blumen nett angerichtet: Reis, Äpfel, Bananen, bunte Stofffähnchen, eine kleine Puppe, Kamm und Spiegel, Nagellack, Schleifenbänder, Nüsse, Räucherstäbchen usw. Ich machte Fotos und drehte kleine Videofilmchen. Räucherwerk verqualmte das Zimmer und eine große Öllampe, die auf dem Boden stand, brannte. Der Raum war ein Heiler-Raum, Schlafzimmer, Kinderzimmer und Küche zugleich. Im Hintergrund stand ein großes Bett. In diesem Bett lag eine junge Frau mit einem zwei Wochen alten Säugling: die Frau und der neugeborene Sohn des Schamanen. Im rechten Winkel dazu stand ein zweites schmales Bett. Das war das Bett der beiden Töchter. Fünf Personen teilten sich normalerweise das Zimmer, das etwa sechs mal fünf Meter (großzügig geschätzt) maß. Und nun, zur Heilsitzung, saßen zeitweise 12 Personen darin! An einer Wand befand sich ein buddhistischer Schrein und an einer weiteren ein Poster mit hinduistischen Göttern. Er mixe die Religionen, wurde mir gesagt – das kannte ich ja von mir.
Ich wusste, ich werde das nicht lernen – weder die nepalesischen Mantras singen können, noch die Tänze tanzen, die einem Verrückten gleichen, noch werde ich die Trommeln schlagen können, die sauschwer sind.
Erst zog sich der Schamane seine »Berufskleidung« an: rote Boxershorts, einen weißen Rock, der aus neun Meter Baumwollstoff genäht war, und ein weißes Hemd. Er stülpte sich eine Pfauenfederhaube über den Kopf und band darüber erst einen langen weißen und dann einen langen roten dünnen Baumwollschal als Stirnband. Rot bedeutet Kraft und Weiß bedeutet Frieden. Jeweils über die eine Schulter und dann unter den anderen Arm hindurchgesteckt hatte er kreuzweise Malas (Gebetsketten) angelegt, die aus großen heiligen Nüssen bestanden. In der gleichen Weise trug er schwere Ledergürtel mit vielen, vielen großen Metallglocken, die laut bimmelten, wenn er sich bewegte. Die Malas und Gürtel waren über seine Brust und seinen Rücken gekreuzt – so wie früher die Soldaten ihre Munitionsgürtel trugen. Ich wäre zusammengebrochen, wenn ich versucht hätte, das alles anzulegen. Das schien unglaublich schwer zu sein.
Vier oder fünf weitere nepalesische Männer, offensichtlich Helfer, kamen und setzten sich auf den Boden. Die Kranke saß neben dem Schamanen auf dem Boden. Keiner konnte Englisch sprechen. Der Schamane begann Mantras zu singen und seine Trommel zu schlagen. Herrje, war das laut! Ich schielte auf das Baby. Es schlief bombenfest! Der Schamane fiel in Trance und schüttelte sich wie ein »Irrer« etwa fünf Minuten lang, dann legte er ein Ende eines dicken Baumwollfadens zu einem der vorbereiteten Tabletts und wickelte das andere Ende der Kranken um die Hände. Er schüttelte sich wie verrückt weiter. Die Glocken schepperten und die Federn auf seinem Kopf wippten im Takt. Er brannte den dicken Baumwollfaden in der Mitte durch. Die Frau sollte sich schnell umdrehen und das Tablett wurde aus dem Zimmer getragen – und ich nehme an, die Krankheit auch. Mit jedem der angerichteten Tabletts wurde ein anderes Ritual durchgeführt. Das Trommeln, Scheppern und Schütteln schien kein Ende zu nehmen. Irgendwann erschienen die beiden Töchter (geschätzte sechs und 13 Jahre alt) und setzten sich in ihr Bett. Ich wurde dazu gebeten und hockte im Schneidersitz daneben. Rauchschwaden vom Räucherwerk zogen durch das Zimmer. Das Baby wurde immer wieder gestillt und gewickelt. Es war trotz Lärm, Rauch und Menschenmengen äußerst entspannt.
Zwischendurch weinte die Kranke, aber nicht aus Angst oder weil ihr irgendetwas wehtat. Ich glaube, sie war mit ihrer Seele in Kontakt und es waren reinigende heilende Tränen.
Zwischendurch wurde ein großer Topf Wasser auf einem Spirituskocher zum Sieden erhitzt. Die kranke Frau musste ihren Rücken freimachen. Sie tat es ein wenig verschämt. Zu einem Strauß gebundene belaubte Zweige eines bestimmten Baumes wurden in das brühend heiße Wasser getaucht und ihr dann auf den Rücken geschlagen. Das sah nicht nur furchterregend aus, sondern hörte sich auch ziemlich schmerzhaft an. Nun waberten zusätzlich Dampfwolken durchs Zimmer. Dann deutete der Schamane auf mich und forderte mich auf mich daneben zu setzen. Nun sollte auch ich meinen Rücken frei machen. Ich befürchtete das Schlimmste, aber es gab nun kein Entrinnen – und die Bude war voll nepalesischer Männer. Ich wickelte mich aus meiner Kleidung und hoffte, meine weiblichen Habseligkeiten unter Kontrolle halten zu können, indem ich meine Klamotten gegen meine Brust drückte. Und dann bekam ich die heißen nassen Blätter zu spüren. Och, die waren gar nicht so heiß, und wehgetan hat es auch nicht, obwohl es lautstark auf meinem Rücken klatschte. Nur hinterher war ich pudelnass, wie geduscht. Ich zog meine Klamotten wieder an und setzte mich zurück aufs Bett.
Das Wasser wurde rausgetragen und eine runde Eisenscheibe von etwa 6 Zentimetern Durchmesser, an der ein Stiel war wie bei einem Bratkartoffelwender, wurde in die Spiritusflamme gelegt und zur Rotglut erhitzt. In mir stieg ein Unwohlsein auf. Ich ahnte Böses und mir fielen die Cowboys ein, die irgendwelche Rinder mit glühenden Eisen markieren. Da traf sich mein Blick mit dem Blick der jungen Kranken. Sie schaute mich groß an und deutete auf das glühende Eisen und machte eine Geste wie eine Backpfeife und deutete auf ihre Handflächen. Neeehhh, oder? Ihre Handflächen, Stirn und Fußsohlen wurden mit Butter bestrichen und der Schamane nahm das Eisen und klatschte es ihr erst auf die Handflächen. Nach erneutem Erhitzen des Eisens (ja bloß nicht abkühlen lassen!), wurde es der Kranken auf die Stirn und dann auf die Fußsohlen geschlagen. »Gut, dass er so zielsicher ist, der Schamane«, dachte ich. Es gab jeweils ein klatschendes Geräusch, die Butter brutzelte leise und die Kranke lachte. Offensichtlich hatte die Butterschicht die Hitze von der Haut ferngehalten. Mir blieb dieses Ritual erspart – Gott sei Dank. Aber es wurde noch extremer.
Es gab jeweils ein klatschendes Geräusch, die Butter brutzelte leise und die Kranke lachte.
Die Kranke wurde mit ihrem Höckerchen, auf dem sie saß, in die geöffnete Tür geschoben, mit dem Blick auf den Hausflur. Ihr wurde eine Art Bettlaken über den Kopf und den Rücken gelegt. Trommeln, trommeln und nochmals trommeln, und der Schamane fiel zwischendurch bei diesem ohrenbetäubenden Trommeln immer wieder in Trance. Das Baby schlief tief und fest (unglaublich). Der Schamane tanzte um die Kranke herum. Er tanzte wie ein Wilder. Einmal guckte er mich mit weit aufgerissenen Augen an – wie ein Irrer – es war, als ob im Schamanen niemand mehr »drin« war … Ich gab immer Obacht, dass sein Rock sich nicht an der Öllampe, die auf dem Boden stand, entzündete. Es war kein Platz im Zimmer und er tanzte mit wallendem Rock, scheppernden Glocken und ohrenbetäubenden Trommeln durch den Raum. Dann entzündete er eine große Fackel aus dünnen Holzstäben an der Spiritusflamme des Kochers. Die 6-jährige Tochter verkroch sich hinter meinem Rücken. Sie wusste, was kommen würde. Ich saß ja noch mit ihr und ihrer großen Schwester im Bett. Es war inzwischen Abend und die Sonne war untergegangen, ich war müde. Die Fenster waren vergittert. Die große Fackel, auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers, brannte lichterloh – und weit und breit war kein Feuerlöscher zu sehen. Zu all dem schmiss der Schamane irgendein Pulver, irgendeinen Brandbeschleuniger über den Kopf der Kranken in die Luft, die da – in das Laken gehüllt – den einzigen Fluchtweg versperrte. Ein Feuerball schoss über das Bettlaken zur Zimmerdecke und wälzte sich an der Decke durch den Raum in Richtung der Betten. Ich dachte, jetzt wird mein Skalp abgesengt. Dieses Ritual wiederholte er drei Mal. Ich saß mit großen Augen da und war sprachlos. Was für eine Performance. Und das alles ohne eine Eintrittskarte zu bezahlen.
Ich wusste, ich werde das nicht lernen – neeee! – ich würde weder die nepalesischen Mantras singen können, die unaussprechlich scheinen, noch die Tänze tanzen, die einem Verrückten glichen, noch würde ich die Trommeln schlagen können, die sauschwer sind. Junge Männer versuchten es abwechselnd und nach drei Minuten fehlte ihnen die Kraft, die schwere Trommel zu halten und zu schlagen. Und schon gar nicht würde ich das mit dem Feuer hinkriegen. Anschließend kann ich die Bude renovieren und die Feuerwehr rückt mir auf die Pelle und ich habe für Haarersatz zu sorgen. Der »Mummenschanz« endete gegen 20 Uhr. Es war unglaublich beeindruckend und ich glaube, die Kranke wird Heilung erfahren. Zwischendurch weinte sie, aber nicht aus Angst oder weil ihr irgendetwas wehtat. Ich glaube, sie war mit ihrer Seele in Kontakt und es waren reinigende heilende Tränen.
Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung und werde nicht mehr der Phantasie einer schamanischen Ausbildung nachhängen. Ich glaube, dass man damit aufwachsen muss und es nur von den Eltern an die Kinder weitergegeben werden kann. […]
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Artikel zum Thema in früheren Ausgaben:
TV 30: Sabina Tschudi – Das Medizinrad des Verzeihens
TV 36: Dr. Helmut Zander – Seelenwanderung. Ein weltweites Phänomen
TV 37: Dhyani Ywahoo – Kristallheilung. Das Erwachen der Erde
TV 41: Monika Radha Hickstein – Briefe aus dem Feenwald
TV 42: Nana Nauwald – Winde des Wandels.
Ein neuer Blick auf schamanische Rituale
TV 55: Günther Friedrich – Weltrevolution der Seele. Ein Erfahrungsweg
Bildnachweis: © Alle Bilder: Jigme Dolma
Larry Labovitz
Gepostet am 11:52h, 07 JuliAchtung Andy! Explosion ! Jimmy! Laufen!
Su Anna
Gepostet am 22:41h, 06 Julidas denke ich auch. Sowas kann man am besten in der Familie, wenn man damit aufwächst am besten lernen. Aber interessantes Erlebnis (Y)