Zeremonien aus dem ewigen Eis

Zeremonien aus dem ewigen Eis

Ein Grönland-Schamane reist um die Welt

Autor: Angaangaq Angakkorsuaq
Kategorie: Schamanismus
Ausgabe Nr: 68

Der Grönland-Schamane Angaangaq wurde bereits in über 60 Länder eingeladen und stellte den Menschen dort die jahrtausendealte, fast unbekannte Eskimo-Tradition, ihre Zeremonien und ihre harmonische Weltanschauung vor. Hier erzählt er uns seine persönliche Geschichte und welche Bedeutung ein Schamane für die moderne Gesellschaft und für unsere Erde hat.

Tattva Viveka: Zuerst wüsste ich gerne etwas über deinen biographischen Hintergrund und deine Familie. Welche Familientraditionen habt ihr? Welchen Bezug hast du zum Schamanismus? Und wie ist es dazugekommen, dass du Schamane geworden bist?

Angaangaq: Mein Land unterscheidet sich stark von den anderen Ländern, die ich bisher gesehen habe. Ich komme aus dem hohen Norden. Mein Land war früher als das verlassenste und unwirtlichste Land auf Erden bekannt. Aber das Positive daran ist, dass es das einzige Land auf Erden ist, in dem es noch nie Krieg gegeben hat. Das ist etwas Besonderes. Außerdem ist mein Land das älteste Land. Es hat die Energien von Mutter Erde erhalten, als sie geboren wurde.

Grönland Eisberg
Grönland ist das einzige Land auf Erden, in dem es noch nie Krieg gegeben hat.

Unsere Großmutter Anakasaa, geboren 1893, gehörte der letzten Generation vor dem ersten Weltkrieg an. Der König von Dänemark ordnete dann wegen des Krieges an, dass die Eskimos aufhören sollten im Land umherzureisen. Die Menschen hörten auf den König. Aber davor reisten die Menschen jeden Sommer zu großen Zusammenkünften, wo viele Menschen aus unterschiedlichen Regionen zusammentrafen, um miteinander Handel zu treiben und Zeremonien abzuhalten. Durch unsere naturverbundene Spiritualität schufen wir die schönsten kunsthandwerklichen Arbeiten, die du dir vorstellen kannst. Die Menschen verschönerten das, was ihnen gehörte. Was auch immer zu dir gehört, lebt, weil es berührt und gepflegt wird, und es repräsentiert die enorme Stärke des Menschen. Aber als der erste große Krieg begann, hörten die Menschen auf zu reisen, und daher war die Generation meiner Großmutter die letzte Generation, die Aasivik, den Ort der Kraft, wo Zeremonien abgehalten wurden, miterlebt hatte. Damals waren die Schamanen anwesend um die Menschen zu leiten und um ihnen die Zeremonien zu bringen.

Der Rat der Großmütter

Zur Zeit meiner Großmutter basierte unser Regierungssystem auf dem Rat der Großmütter. Die Großmütter suchten die Männer aus, die sie wollten, und diese bildeten einen weiteren Rat um zu entscheiden, wie das, was die Großmütter wollten, umzusetzen sei. Aber am Anfang des 20. Jahrhunderts entschied die dänische Regierung, dass die Grönländer eine Regierung bräuchten. Sie setzten die Männer, nicht die Frauen, ein und nannten es Demokratie. Als Folge dessen brach das Gleichgewicht zusammen.

Als Dänemark begann, Grönland zu einer modernen Gesellschaft zu entwickeln, saßen nur die Männer in der Regierung und die Großmütter hatten keine Stimme mehr. Ich glaube, dass in der Zukunft die wahre Demokratie weiblich ist, denn das Weibliche ist dem Herzen näher, und das Männliche ist weiter vom Herzen entfernt. Das ist wie die Flügel des Adlers. Eine Gesellschaft kann sich nicht in die Lüfte erheben, wenn das Männliche und das Weibliche nicht gleichwertig sind.

(…)

Grönland Trommel

Wegen des Christentums verloren wir unsere Traditionen. Sie nahmen uns unsere Medizin weg, unsere Trommeln.

 

Heutzutage gibt es keine Gleichberechtigung zwischen den Frauen und den Männern. In Deutschland haben wir zwar das großartige Gesetz der gleichen Rechte, aber es gibt keine Gleichberechtigung. Die Frauen verdienen hier weniger Geld als die Männer, sogar noch im Jahr 2016, obwohl das Gesetzbuch sagt, dass es Gleichberechtigung gibt. Es ist so wie im Rest der Welt. Wir haben diese Fähigkeit verloren, doch davor hatten wir sie und langsam kommt sie zurück. Ich bin in dieser Tradition aufgewachsen, als letzte Generation, die in dieser alten Welt groß geworden ist.

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Im Januar 1996 starb meine Großmutter und meine Mutter übernahm die Fortsetzung meiner Ausbildung. Schließlich – wir waren insgesamt acht Kinder – fragten sie mich, wirst du auf den Berg gehen? Ich antwortete, ich denke über die Idee nach auf den Berg zu gehen. Aber sie sagten zu mir, wir wollen nicht wissen, ob du darüber nachdenkst, sondern ob du auf den Berg gehen wirst oder nicht.

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Lesen Sie im vollständigen Artikel mehr darüber, was seine Großmutter für eine Rolle spielte und wie es mit Angaangaq weiter geht.

Schamanische Initiation und Zeremonien

In der schamanischen Welt muss man auf einen heiligen Berg gehen und unser heiliger Berg heißt Inngik. Wenn ich dort hochgehe, ist meine Absicht, mit Ihm, dem Wesen, das uns geschaffen hat, zu sprechen. So kann er wissen, wer ich, in meinen eigenen Worten, bin. Ich dachte, dass es mir einfach fallen würde, mich mit dem Kerl dort oben zu unterhalten. Wir wissen nicht, wer er ist, wir können ihn nicht sehen. Ich sprach mit ihm so, wie ich mit dir spreche. Ich sprach über mich selbst. Ich dachte, es würde so einfach sein, denn ich glaubte, ich würde mich kennen. Aber sobald ich zu dem Berg kam, erkannte ich, dass mein ganzes Leben so flach gewesen war wie seichtes Wasser. Es hatte keine Tiefe.

Schamanen und Älteste für die Welt

Alle spirituellen Kulturen entspringen einer gemeinsamen Quelle.

 

Ich bin immer mit dem Sprechen beschäftigt gewesen, sodass ich niemals in die Tiefe meines Selbst eingetaucht bin. Jedoch weiß ich, wie meine Großmutter sagte, dass in meinem Inneren, wie in deinem Innern, eine Tiefe ist, die tiefer als der tiefste Ozean auf Erden ist. Aber als ich am Berg ankam, erkannte ich, dass ich ohne Tiefe im Innern war. Das hat mir unglaublich große Angst gemacht. Ich fing an zu weinen und weinte und weinte. Am Ende erkannte ich, ich müsse mich mit ihm über meine Geheimnisse unterhalten.

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Lesen Sie im vollständigen Artikel, wie er seine schamanischen Einweihung vervollständigte und was es in seinem Leben seither bewirkt hat.

Die Fähigkeit zu lieben

Für ungefähr 200 Jahren ist keiner aus meiner Familie zu dem Berg gegangen. Ich bin der Erste gewesen, der wieder zu dem Berg gegangen ist. Viele Male in meinem Leben habe ich mich gefragt, wieso ich? Wieso bin ich hochgestiegen? Um Eindruck zu machen? Bin ich hochgestiegen, um den großen Mann zu spielen? Bin ich aus den richtigen Gründen hochgestiegen? Ich frage mich diese Fragen sehr oft. Letztendlich erkannte ich, dass ich wahrscheinlich etwas falsch gemacht habe. Wenn ich wie die starke Schwanzflosse des Wals bin, dann sollte mich das, was andere Menschen sagen, nicht kümmern. Aber es tut es.

Es ist unmöglich, einen schönen Geist zu töten, der gelächelt, gelacht und seine Liebe erklärt hat

Manchmal ziehe ich mich in mein Inneres zurück, wenn ich höre, was andere Menschen so sagen. Ich schüttele mich und realisiere, dass ich stärker sein sollte. Ich sollte die Fähigkeit haben, dir in die Augen, in deinen Geist zu blicken und auf einer guten Weise ›ich liebe dich‹ zu sagen – unabhängig von dem, was du sagst und tust. Ich muss tief einatmen um so stark zu sein. Es ist unglaublich wichtig zu erkennen, dass man sehr viel Kraft braucht um in die Augen, in den Geist von deinem Gegenüber zu blicken, ohne sich daran zu erinnern, was sie gesagt oder getan haben, sondern sie nur anzunehmen. Das ist die Bedeutung der schamanischen Tradition.

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Lesen Sie im vollständigen Artikel alles über das schamanische Verständnis des Lebens, der Liebe und des Menschen.

Angaangaq: Wir brauchen all die Hilfe, die wir kriegen können. Das sagte meine Großmutter. Ich weiß, dass du ihr nie begegnet bist. Dennoch waren ihre Anweisungen nicht nur für mich, sondern für die ganze Welt. Deswegen reise ich um die Welt und lehre. Was ich aber am meisten an meiner Großmutter liebe, ist, dass sie sagte: »Mein Weg ist nicht der einzige Weg.« Das ist Weisheit. Ich weiß nicht, woher sie das hat. Das berührt mein Herz und ich ziehe den Hut vor ihr. Ich liebe sie dafür.

Zum Autor

Angaangaq Angakkorsuaq

Angaangaq wurde 1947 in Grönland (Kalaallit Nunaat) geboren. Er ist Ältester, traditioneller Heiler und Schamane aus einer Familientradition. Hauptredner auf internationalen Konferenzen und Symposien über Klima, Umwelt und indigene Themen, von 1978 bis 2004 Vertreter der Ältesten der Indigenen bei den Vereinten Nationen. Derzeit plant er in Grönland den Bau des »Anakasaap Illua Heilzentrums«.

Bücher: Schmelzt das Eis in euren Herzen! / Heiliges Feuer / Schamanische Weisheit / Der Alltagsschamane.

Filme: Bridgewalkers / Eqqissineq

Weitere Informationen und Veranstaltungen: www.icewisdom.com

Zeremonien aus dem ewigen Eis (PDF)

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Angaangaq Angakkorsuaq
Zeremonien aus dem ewigen Eis

Der Grönland-Schamane Angaangaq wurde bereits in über 60 Länder eingeladen und stellte den Menschen dort die jahrtausendealte, wenig bekannte Eskimo-Tradition, ihre Zeremonien und ihre harmonische Weltanschauung vor. Hier erzählt er uns seine persönliche Geschichte und welche Bedeutung ein Schamane für die moderne Gesellschaft und für unsere Erde hat.
 

 

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2 Kommentare
  • jana korte
    Gepostet am 13:52h, 31 August Antworten

    hallo liebe redakteure und mitarbeiter von tattva viveka, könnt ihr bitte die bezahlung über lastschrift ohne pay pal konto ermöglichen. ich hätte schon öfter mal artikel kaufen wollen wie auch den jetzt über den nordischen schamanen.
    alles liebe ansonsten
    yanda

    • Tattva-Archiv
      Gepostet am 19:31h, 05 September Antworten

      Hallo Yanda, das kriegen wir technisch nicht hin, weil wir so ein kleiner Fisch sind … Man muss da gewisse Vorgaben erfüllen bei der Bank.
      Und wenn wir eine Überweisung von 2 € händisch abwickeln, dann sind die Kosten dafür höher als die Einnahme. Das lohnt sich nur, weil es automatisiert ist. Ich mache die Arbeit hauptberuflich, muss also davon leben. Falls Du so ab 10 € was bestellen willst, könnten wir dir entgegenkommen und das manuell abwickeln. Mit Rechnung, Überweisung. Ich weiß, ist keine optimale Situation. Wir versuchen, es zu verbessern… Gruß Ronald

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