Rückkehr aus der Transzendenz

Rückkehr aus der Transzendenz

Gespräche mit erwachten Frauen

Autor: Dr. Thomas Wachter
Kategorie: Spiritualität allgemein
Ausgabe Nr: 77

Eine sehr tiefe Auflösung der mentalen Struktur geht mit einem Verlust der Erinnerung einher, der das praktische Alltagsleben unmöglich machen kann. Die Auflösung kann von Panik begleitet sein. Nach dem Durchbruch stellt sich jedoch ein tiefer innerer Friede ein. In den hier beschriebenen Erfahrungen des non-dualen Erwachens bleiben die individuelle Identität und das Fühlen erhalten.

Meine spirituelle Suche begann Anfang der 1980er-Jahre, als ich mich um Selbstverwirklichung und Erleuchtung bemühte. 1997 begegnete ich meinem ersten Satsang-Lehrer. Während eines Seminars öffnete sich mein Bewusstsein auf eine Weise, dass es mir erschien, als würde mein Selbst eine Illusion sein. Fortan ließ ich mich von den Umständen treiben und war davon überzeugt, dass ich und alle Menschen von einem unpersönlichen Bewusstsein gelenkt werden. Sieben Jahre später erkannte ich jedoch, dass ich auch als Individuum weiterhin existierte und dies immer getan habe. Von dieser Zeit berichtete ich in der Tattva Viveka 45. Seitdem sind acht Jahre vergangen. Ich habe mich aus der Transzendenz weiter »zurückgearbeitet« und empfinde mich wieder als persönlich und individuell. Dabei haben mir einige Frauen geholfen, die ich in den Jahren 2013 bis 2015 über ihr Erwachen interviewen durfte.

Gespräche mit erwachten Frauen

Der Alltag als existenzielle Überforderung

In der darauffolgenden Woche führte ich die vereinbarten Interviews. Jedes Gespräch war von einer großen Tiefe und Ernsthaftigkeit geprägt, da es um existenzielle Krisen und Erfahrungen ging, aber auch um eine besondere Sichtweise des menschlichen Lebens.

Übereinstimmend berichteten die Frauen, dass zu Beginn des Prozesses körperliche Symptome auftraten, die von einer zunehmenden Vergesslichkeit begleitet wurden.

Für eine Frau begann alles mit Erschöpfung und Müdigkeit. Gleichzeitig machte sie sich dafür Vorwürfe, weil das ihren Alltag erschwerte. Erst als sie ihre Arbeit in einem Coffeeshop aufgeben musste, weil sie das Wechselgeld nicht mehr erkennen, geschweige denn zählen konnte, wurde ihre besondere Verfassung bemerkt. Bei einer anderen Frau begann der Prozess mit Kopfweh und Migräne. Später kamen ebenfalls die Symptome des Vergessens hinzu und auch ihr fiel es zeitweise schwer, sich an die Namen von Bekannten und Freunden zu erinnern. Einmal rief sie aus der Stadt ihren Mann an, weil sie nicht mehr wusste, wie man Auto fährt. Anfangs nahm sie ihre Vergesslichkeit sogar mit Humor auf. Als die Erinnerungen jedoch immer länger ausblieben, wurde sie ebenfalls von Panik ergriffen. Drei Frauen berichteten gleichermaßen davon, dass sie einmal ihren Ehemann nicht mehr erkannten und über den »Fremden« an ihrer Seite erschraken. Besonders aufschlussreich war für mich, wie eine Frau die Phasen der mentalen Auflösung beschrieb.

In dieser Fassung sind Auszüge aus dem Artikel wiedergegeben. Den vollständigen Artikel gibt es im Pdf ( 4 Seiten), das unten bestellt werden kann.

Veränderte Selbstwahrnehmung

Meine Frage, ob sie sich weiterhin für individuell hielten, bejahten alle Frauen.

Die meisten berichteten davon, dass sie sich nun als Seele erfahren würden. Eine Frau antwortete, für sie sei heute Seelen-Sein und Mensch-Sein dasselbe. Und alles, was man vor einem solchen Ereignis nicht geheilt hätte, würde wieder zurückkommen. Eine andere hatte vor ihrem non-dualen Event die Erfahrung, als gehe sie durch das Leben; nun sei es vielmehr so, als gehe das Leben durch sie hindurch. Die vierte Frau antwortete auf ungewöhnliche Weise. Entscheidend war für sie, dass sie sich nach ihrem Event in den Augen der Begleiter gleichzeitig in menschlicher Form, im Nichtsein und im Allsein erkennen konnte. Dadurch halfen sie ihr, sich »als Seelenwesen in menschlicher Form zu verkörpern«. Ohne diesen Spiegel hätte sie durchaus glauben können, ihr Selbst verloren zu haben. Am Schluss wollte ich von den Frauen noch wissen, ob sie ein besonderes Hobby hätten. Interessanterweise verbrachten sie alle gern ihre Freizeit im Garten. Für sie war es einfacher, bei den Pflanzen zu sein, als sich in der Öffentlichkeit aufzuhalten und mit Menschen Gespräche zu führen.

Offensichtlich wurden die Frauen durch ihre non-duale Erfahrung nicht von ihren Gefühlen abgeschnitten, sondern diese wurden im Gegenteil noch stärker in das Erleben gebracht.

In den folgenden Jahren habe ich viel darüber nachgedacht, was mit den Frauen geschehen ist und was der Auslöser für die spontan auftretenden Prozesse gewesen sein könnte. Unser Lehrer führte die Ereignisse auf den Einfluss der kosmischen Yin-Energie zurück, die seiner Meinung nach während der Zeitenwende um den 21. Dezember 2012 verstärkt aufgetreten war. Dass nur Frauen und keine Männer von dem Phänomen erfasst wurden, galt als Beleg, dass es sich um eine Yin-Energie handelte. Diese These lässt sich weder bestätigen noch lassen sich daraus Hinweise für eine zukünftige Praxis ableiten, weil sich die damalige Gemeinschaft vor drei Jahren aufgelöst hat. Ich stehe auch nur noch mit einer Frau in Verbindung. Aufschlussreich erscheint mir zumindest, dass bei allen Frauen das Erwachen vom Fühlen tiefster Ängste begleitet war, dass sie sich alle weiterhin als individuell und persönlich wahrnahmen und dass die innere Arbeit, die Integration der Erfahrung, von zentraler Bedeutung war.

Der Autor Thomas Wachter

Über den Autor

Thomas F. Wachter wurde 1963 in Süddeutschland geboren. Nach dem Studium der Landschaftsökologie promovierte er in Berlin. Heute lebt er mit seiner Frau in Hamburg und arbeitet als Umweltplaner. Ökologie und Spiritualität sind für ihn zwei Seiten derselben Medaille. Webseite: www.thomas-wachter.de

Dieser Text ist ein Auszug aus Thomas Wachters kürzlich erschienenem E-Book »Rückkehr aus der Transzendenz«.

Erfahren Sie mehr über das non-duale Event dieser Frauen und wie diese Gespräche den Autor prägten.
Die vollständige Fassung des ersten Teils lesen Sie in der Tattva Viveka 77 Auch für 1,00 € als ePaper erhältlich (Pdf, 4 Seiten).

Rückkehr aus der Transzendenz (PDF)

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Dr. Thomas F. Wachter
Rückkehr aus der Transzendenz

Eine sehr tiefe Auflösung der mentalen Struktur geht mit einem Verlust der Erinnerung einher, der das praktische Alltagsleben unmöglich machen kann. Die Auflösung kann von Panik begleitet sein. Nach dem Durchbruch stellt sich jedoch ein tiefer innerer Friede ein. In den hier beschriebenen Erfahrungen des non-dualen Erwachens bleiben die individuelle Identität und das Fühlen erhalten.
 

 

 
 

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