27 Nov Kunst als magischer Akt
Die Verbindung von Kunst, Magie und Heilen
Autorin: Cambra Skadé
Kategorie: Kunst, Musik & Literatur
Ausgabe Nr: 93
Kunst gehört zu unseren ältesten spirituellen und heilerischen Wurzeln. Sie war und ist die Sprache der SchamanInnen, der Medizinmänner und -frauen, der HeilerInnen. Wir können uns an die alte Verbindung von Kunst, Magie und Heilen erinnern und sie zu einer Vision werden lassen, in der es um das Gestalten von Wirklichkeiten geht, um unsere Schöpfungskraft. Dann betten sich die Künste, die Kreativität in ein größeres Feld ein, dann wird es wieder eine ganzheitliche Verbindung, und dies braucht es gerade jetzt in diesen mächtigen Umbruchzeiten.
Menschen sind gestaltende, kreative, sich ausdrückende Wesen. Das waren sie immer schon.
Der kreative Ausdruck ist unsere Muttersprache. Sich kreativ auszudrücken, ist zutiefst heilsam.
Dabei geht es nie darum, dass unsere Stimme optimal ist, dass wir den Kriterien von irgendjemandem entsprechen oder unsere Bilder für den Kunstmarkt verwertbar sind. Heilsam ist es, wenn wir uns ausdrücken, das alleine ist es. Von unserem kreativen Ausdruck, von unserem alten Mutterland ist im Laufe unseres Lebens viel enteignet oder beschämt worden. Das ist schmerzhaft und ein großer Verlust für uns und für die Gesellschaft. Gerade in diesen herausfordernden Wandelzeiten braucht es die Kreativität von allen, deine und meine, die unserer Nachbarn und die all derjenigen, denen wir Kreativität erst mal gar nicht zuschreiben würden.
Wenn wir uns ermächtigen und gegenseitig ermutigen, uns unser altes Mutterland der Kreativität, des künstlerischen Ausdrucks wieder anzueignen und unsere kreative Muttersprache ganz zu uns zu nehmen, dann ist das ein großes Geschenk an die Gemeinschaft. Wie erfüllend ist es, wenn wir immer tiefer in den ganzheitlichen Ausdruck hineinwachsen, in die eigene Kraft, mit der wir unser unverwechselbares Sein ausdrücken. Wir bringen so viele Gaben mit, die sich danach sehnen, gelebt zu werden. Unsere kreativen Schatzkammern sind voll, auch wenn wir nicht gelernt haben, daran zu glauben. Es ist ein aufregendes Abenteuer, wenn wir bereit sind, uns auf unser ganzes Ausdrucksrepertoire einzulassen und es auszuschöpfen. Vielleicht durfte jemand musizieren, weil es als vielversprechend eingestuft worden ist, aber der Tanz wurde ihr abgesprochen. Bei anderen war es das geförderte Singen und die Beschämung der Bilder. Wir sind jahrzehntelang trainiert worden, zu werten, auf und ab, zu vergleichen, zu benoten. Das ist in unserem Kollektiv so und daraus erwächst eine kollektive Wunde. Bei mir wurde das Singen beschämt. Zweifel an meiner Stimme kamen auf und dann die Gewissheit, dass ich es nicht kann. Es gab immer dieses »im Vergleich zu …«. So habe ich lange Zeit kaum gesungen, es anderen überlassen und es in die hinterste Schublade weggepackt. Meiner Stimme wieder zu vertrauen, hat damit begonnen, dass ich für einen Stein und eine Katze gesungen habe. Sie haben mir geholfen, meine Stimme freizugeben und mir die Magie meiner Gesänge zurückzuholen.
Die Wiederentdeckung der uns innewohnenden Kreativität
Bei schamanischer Kunst betreten wir ein Feld mit völlig anderen Kriterien und Ausrichtungen als das uns angelernte und vertraute Kunstfeld. Am ehesten wussten wir noch als Kinder davon. Als Kind habe ich stundenlang tiefe, seltsame Töne von mir gegeben und riesige Flächen mit Zeichenteppichen überzogen, mich in Trance gesungen und alles knarzend benannt. Bewegung, Klang, Bild – alles war noch miteinander verknüpft. Viele Menschen finden ähnliche Beispiele aus ihren Kindertagen, die von diesem heilen Ausdruck erzählen. Was hat uns damals Freude bereitet? Wie war unser kreativer Ausdruck? Es ist eine Spurensuche, die uns zu wichtigen Schatzkammern führen kann.
Wir können Reisende und Forschende sein, die sich aufmachen, etwas wiederzuentdecken – neue Impulse in den Ländern der Kunst, freie Räume, zerbröckelnde Formdiktaturen, unsere Wahrheit, unseren authentischen, ganzheitlichen Ausdruck, unsere ganz eigene Lebensform.
Wenn wir uns die Enteignung von Kreativität bewusst machen und sie anerkennen, betreten wir bereits einen Heilraum. Wir haben vieles vergessen, was erinnert werden will, zum Beispiel, dass Kreativität kein Gnadengeschenk ist, sondern dass es uns zusteht, ein kreatives Leben zu führen, nach unseren Visionen.
Viel ist in den Bildungsstätten passiert, in denen wir vereinbarte Codes erlernen mussten, in denen Intellekt gefragt war samt dem rationalen Zwang. Es ist ein langer Weg, konditioniert im jahrzehntelangen Schul- und Ausbildungswesen und in einem jahrhundertelangen abendländischen Infofeld. Aber wie die Kraft des Wassers, die irgendwann die größten Felsen ausspült und unterhöhlt, wird das stetige, sanfte Herausgehen aus dem Bewerten etwas bewirken. So wird es immer weniger, sich und andere zu beurteilen und uns zu vergleichen. Dann geht die Türe ins Feld schamanischer Kunst wieder auf. In dem Moment, wo wir Kunst als einen heilerisch-magischen Akt verstehen, beginnen wir, uns von Bewertungsschemen in Bezug auf Kreativität zu befreien.
Kreativität gehört zu den kostbarsten Ressourcen von uns Menschen.
Wie unglaublich selbstschädigend ist es für eine Gesellschaft, sie zu schwächen? Kreativität ist allerdings auch extrem machtvoll und so wird es klarer, warum viele Machthabende nicht an zu großer freier Kreativität interessiert sind. Was würde denn passieren, wenn wir uns alle enteigneten Facetten unserer Kreativität wieder aneignen würden? Oder warum sollten wir alle unsere kreative Kraft nutzen? Weil es uns Menschen großzügig, froh, mutig und mitfühlend werden lässt.
Dies sind Ausschnitte aus dem Artikel.
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Tattva Viveka Nr. 93
Wähle: Einzelheft, Abo oder Tattva Members
Schwerpunkt: Kunst und Spiritualität
Erschienen: Dezember 2022
Ronald Engert – Die Existenz ist anderswo. Der mystische Kern der Kunst • Cambra Skadé – Kunst als magischer Akt. Die Verbindung von Kunst, Magie und Heilen • Mike Kauschke – Werde wach mit allem. Poesie und Mystik im Gespräch mit dem Geheimnis • Dr. Thomas Anton Weis – Teilen als Synthese von Kunst und Spiritualität. Ein Integrationsprozess • Paula Marvelly – Das Leuchtende in der Kunst. Eine Meditation zu Nicolas Roerich • Alice Deubzer – Surrealismus und Magie – verzauberte Moderne. Ein Ausstellungsbericht • Frido Mann – Zwischen Geheimnis und Humanismus. Thomas Manns Verhältnis zur Religion • Alexandra Mann – Weltkloster – Begegnung durch Verbundenheit. Spiritualität als Brücke zwischen den Religionen • Tilmann Haberer – Von Gott und der Welt. Hat das Christentum heute noch Relevanz? • Dr. phil. Thomas Höffgen – Die Verteufelung der Natur. Religiöse Wurzeln unserer ökologischen Krise • Monika Alleweldt – Der Ruf der Erde an uns Menschen. Rückkehr zur Verbundenheit mit unserem blauen Planeten • Walter Benjamin – Die magische Sprache der Kraft. Wirkende Worte • Buchbesprechungen • u.v.m.
Über die Autorin
Cambra Skadé erforscht als Künstlerin und Lehrende weibliche Weisheitswege und die heilenden Künste und webt daraus Bilder und Geschichten, die in ihren Büchern, im Blog und in Filmen zu sehen sind. Die Verbindung von Kunst, Magie und Heilen ist in ihren Arbeiten und in ihren Seminaren ein wichtiges Thema. Aus ihren Lebenslandkarten entstehen Mythenpoesien mit unterschiedlichen Mitteln und viel Alltagstaugliches.
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Bildnachweis: © Cambra Skadé
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