Singen für die Seele

Singen für die Seele

Ein Leben für den Kirtan – die Kirtaniyas

Autor: Vijay Krishna
Kategorie: Musik
Ausgabe Nr: 50

Die Kirtaniyas sind eine vierköpfige Musikband, die sich dem Kirtan verschrieben haben. Kirtan bedeutet in der indisch-vedischen Kultur das gemeinsame Singen spirituellen Lieder zur Lobpreisung Gottes. Die Musiker sind zugleich Bhaktas, d.h. Gottgeweihte, die Liebe und Hingabe zu Göttin-Gott praktizieren. Sie gehören zur weltweiten Neo-Bhakti-Bewegung, einer nicht-sektiererischen, progressiven Form der Krishna-Bhakti.

RasikaNitaj & VijaySaraswati

TV: Vijay, du bist in einer Krishnabewussten Familie geboren und aufgewachsen? Deine Eltern waren und sind heute noch Krishna-Geweihte, und ihr vier jungen Leute, die Kirtaniyas, seid alle im Krishnabewusstsein groß geworden? Wie war dein Leben und wie war es, von Anfang an so aufzuwachsen, welchen Eindruck hat das hinterlassen? Was bedeutet es, diesen spirituellen Einfluss, die Namen Gottes, von klein auf in seinem Leben zu erfahren?

Vijay: Es war mehr mein Vater, der dem Krishna-Pfad folgte. Meine Mutter liebte auch Krishna, aber sie hatte eher ein universelles, ein breiter gefächertes Verständnis. Sie liebt Krishna, aber sie fühlt sich auch verwandt mit Rastafaris, interessiert sich für tibetanischen Buddhismus und bezeichnet sich selbst als eine afrikanische Frau. Es ist also eine Synthese von dem Einfluss meines Vaters, der mir den Geist von Krishna gab, und meiner Mutter, deren Rolle es war, die Dinge in einer nicht dogmatischen Weise zu verstehen. Als ich in jungen Jahren meine Mutter besuchte – ich war noch sehr jung und unwissend – und beim Essen dogmatische Kommentare machte, wurde sie sehr intensiv, wie Kali Ma, und schnitt quasi diese Haltung aus mir heraus und sagte, wenn du in dieses Haus kommst, lasse diese Haltung draußen zusammen mit deinen Schuhen. Meine Mutter spielte also auch diese Rolle, aber der wichtigste Einfluss von meinen Eltern war die devotionale Musik. Meine Eltern sind beide keine Musiker als solches, aber mein Vater singt und so war ich von klein auf von Kirtan umgeben. Ich erinnere mich immer daran, wie er Kirtans und Bhajans gespielt hat, auch Reggae Musik. Nicht irgendeine Reggae Musik, sondern eine bewusstseinsbetonte Reggae Musik, dann auch Musik der Sufis und Nusrat Fateh Ali Khan. Das alles habe ich tief absorbiert.

Kirtan ist für mich der Weg und das Ziel. Ich chante, um spirituell zu wachsen.

TV: Du hast also deinen Eltern gegenüber keine rebellische Haltung entwickelt, sondern es scheint eher eine harmonische Beziehung zu sein?

Vijay: Es bestand kein Anlass,mich gegen irgend etwas aufzulehnen. Mein Vater war mir und meinen fünf Geschwistern gegenüber sehr entgegenkommend, aber auch meine Mutter. Natürlich gab es auch Disziplin, und mein Vater wollte uns in unserer Suche nach unserem individuellen Weg unterstützen, und so war er auch sehr erfreut, dass wir zum Tempel gingen und am Programm und den Festivals teilnahmen. Es war für uns immer anregend, daran teilzunehmen, und während de rWoche in der Schule freute ich mich wieder auf das kommende Wochenende, um dort ausgelassen zu tanzen, zu chanten, zu feiern etc. Das war meine eigene Entscheidung und ich hatte viel Freude daran, den ganzen Tag meine Trommel zu spielen. Meine Geschwister hatten etwas andere Interessen. Sie sind nicht ausgesprochene Krishna-Geweihte geworden, obwohl sie auch damit aufgewachsen sind. Sie haben ebenfalls schöne spirituelle Namen von unserem spirituellen Meister bekommen; meine Geschwister sind alle sehr natürliche Kinder.

TV: Du bist also auf eine staatliche Schule in England gegangen?

Vijay: Ja, bis zum 10. Lebensjahr in England, dann sind wir für 3 Jahre nach Spanien gezogen und dann wieder zurück nach England. Aber seit meinem Schulabschluss mit 17 Jahren bin ich auf Reisen und war viel mit Predigern und Musikern in der ganzen Welt unterwegs. Jetzt bin ich 26.

Die Kirtaniyas

Die Kirtaniyas

TV: Deine Entscheidung, diesen Weg zu verfolgen, kam also immer aus der Anziehung zu diesem Bhakti-Pfad heraus?

Vijay: Ja, genau. Diese Entscheidung war immer von dem Wunsch gesteuert, solche Erlebnisse zu suchen. Es basierte ausschließlich auf Anziehung und dem tiefen Wunsch, solche Erfahrungen zu machen, wie ich sie gemacht habe, wenn ich mit meinem Guru Maharaja zusammen war, oder die ich beim Chanten erfuhr, sowie den Austausch, den ich mit anderen hatte. So entschloss ich mich, dieses zu meinem Leben zu machen. Ich war nicht ein akademisch ausgerichtetes Kind, ich war zwar gut in der Schule, war aber von der Leidenschaft für die Musik und das spirituelle Leben getrieben.

TV:Was ist es, was du in dieser Sadhu Sanga (der Gemeinschaft mit Gottgeweihten) empfindest und erlebst, und was ist dein Verständnis davon?

Vijay: Wir hören so viel über Gott und das Göttliche, über Mantras usw. Seit aller Ewigkeit debattieren die Menschen über diese Dinge: Gibt es einen Gott? Funktionieren diese Mantras oder nicht? Atheismus, Theismus, Agnostik usw. – ich weiss es nicht. Aber wenn das, was ich persönlich erlebe und empfinde, Gott ist, dann ist es mir recht. Was ich durch die Gemeinschaft mit meinem spirituellen Meister erlebt habe, das Chanten und das Leben auf diese Art undWeise zu feiern, ist fürmich so gut wie Gott. Philosophisch ist dieses auch belegt. Wir hören, dass der Vorgang des Chantens und der Name Gottes der Weg zu Gott sind, der Vorgang und das Ziel sind eins. Für mich ist das gleichzeitig so, dass ich durch das Chanten an dem höchsten Ort bin, wo ich sein kann, imHier und Jetzt. Solch eine Erfahrung suche ich und habe es zu meiner Lebensaufgabe gemacht, immer danach zu streben.

Wir hören, dass der Vorgang des Chantens und der Name Gottes der Weg zu Gott ist, der Vorgang und das Ziel sind eins.

TV: Du würdest also sagen, dass dein Leben und das Chanten nicht zwei verschiedene Dinge sind, sondern miteinander verbunden und integriert sind? Du würdest also sagen, dass es keinen Unterschied zwischen deinem Leben und dem Chanten gibt, weil es nicht nur bedeutet irgendwohin zu gehen und dieses zu tun, wie z.B. zu einem Arbeitsplatz?

Vijay: Ja, genau, ich habemein Leben danach ausgerichtet, zu chanten und die Gemeinschaft von erleuchteten Menschen zu suchen. Auch mein Alltag dreht sich um dieseDinge – es bedeutetmirmein Leben.

TV: Es war also ganz natürlich, dass du ein Kirtaniya, ein Kirtan-Sänger, geworden bist?

Vijay: Ja.

TV: Worin besteht der Unterschied, einfach Musik zu machen und Musik mit einer spirituellen Haltung für Gott zu machen?

Vijay: Wenn ich chante, erfahre ich etwas im Geiste (ich bin mir nicht sicher, ob es nur eine Angelegenheit im Gehirn ist). Durch die Namen Gottes, ganz gleich welcher Name Gottes, erfahre ich eine bestimmte Form von Freude und Glück. Es ist ein Hauch des Göttlichen und das erlebe ich nicht mit gewöhnlicher Musik, aber deswegen lehne ich sie nicht ab. Wenn ich etwas Interessantes höre, überlege ich, wie ich es fürs Chanten verwenden kann. Ich habe eben eine besondere Erfahrung beim Kirtan, aber auch Qawwali und manche Sufi Chants liegen mir ebenfalls sehr am Herzen.

Die Kirtaniyas in Konzert

Die Kirtaniyas in Konzert

TV: Du verwendest also dieses Handwerk der Musik für die Musik der Hingabe und stellst es damit in Gottes Dienst?

Vijay: Ja, genau, darum geht es. Die meisten Menschen denken, dass die Pfade des Yoga und Jnana etwas damit zu tun haben, diese Welt abzulehnen. Ich finde, es ist ein höheres Verständnis, diese Dinge im hingebungsvollen Dienst zu verwenden und dazu zu gebrauchen, sich selbst und andere zu erheben.

TV: Du erwähntest es schon, dass dieNamen Gottes etwas Besonderes sind, und gleichzeitig denWeg und das Ziel darstellen. Kannst du mehr über den spirituellen Aspekt des Kirtans und des Heiligen Namens erläutern?

Vijay: Theoretisch bedeutet »man« der Verstand und »tra« zu befreien und zu beschützen. Dieses erlebe ich. Ich fühle mich sozusagen high nach einem Kirtan. Ich habe keine Erfahrung mit bewusstseinsverändernden Drogen oder Alkohol, sondern habe intensive Kirtans gewählt, die mich öffnen. Das ist die praktische Erfahrung. Wenn jemand keine Erfahrungmit Zucker hat, weiß er nicht, was süß ist. Es ist schwierig, anderen zu erklären, wie Zucker schmeckt, wenn sie nie Süße erfahren haben.Wie werden sie es je verstehen können? Sie müssen es selbst probieren, umdie Verwirklichung des Süßen zu haben. Der Test besteht imProbieren, wieGeorgeHarrison sagte, der auch ein Chanter war. Von dieser Erfahrung bin ich überzeugt.

TV: Wie ich herausgefunden habe, chantest du ausschließlich Bhajans und Kirtans über Radha und Krishna.Warum bist du insbesondere auf diese Gottheiten spezialisiert?

Vijay: Das Prinzip, das von Radha und Krishna ausgeht, ist das von Liebhaber und Geliebte.Wenn wir die Stimmung der Geliebten und des Geliebten verherrlichen, nehmen wir deren Stimmung selber an. Mein Gurudeva pflegte zu sagen, wenn du jemanden kritisierst, baust du eine Brücke von deinemzu seinemHerzen, und gerade diese Eigenschaften kommen dann zu dir in dein Herz herüber marschiert. Und durch die Verherrlichung von Radha und Krishna möchten wir Deren Herzensstimmung in unser Herz einladen. Für gewöhnlich bin ich auf Radha und Krishna ausgerichtet, weil ich auf das Prinzip der Geliebten und des Liebhabers fixiert bin, da ich auch ein Teil davon sein möchte. Unter keinen Umständen will ich andere Gottheiten ablehnen, wie z.B. Durgadevi oder Shivji, oder sonst jemand. Sie haben auch ihre eigenen Stimmungen, die sie repräsentieren. Ich bin einfach natürlicherweise auf Radha und Krishna eingestellt.


Das vollständige Gespräch lesen Sie in der Tattva Viveka 50

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Vijay Krishna und die Kirtaniyas
Singen für die Seele.
Ein Leben für den Kirtan

Die Kirtaniyas sind eine vierköpfige Musikband, die sich dem Kirtan verschrieben haben. Kirtan bedeutet in der indisch-vedischen Kultur das gemeinsame Singen spirituellen Lieder zur Lobpreisung Gottes. Die Musiker sind zugleich Bhaktas, d.h. Gottgeweihte, die Liebe und Hingabe zu Göttin-Gott praktizieren. Sie gehören zur weltweiten Neo-Bhakti-Bewegung, einer nicht-sektiererischen, progressiven Form der Krishna-Bhakti.
 

 

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