Bewusst-Sein für Kreativität

Bewusst-Sein für Kreativität

Die Wesenhaftigkeit des Ganzen erfassen

Autor: Kun Ya Andrea Schmidt
Kategorie: Harmonik / Heilige Geometrie
Ausgabe Nr: 74

Ko-Kreativität bezieht sich nicht nur auf mich und den anderen, sondern schöpft aus einem integralen Bewusstsein im Einklang mit der gesamten Umgebung. Als Architektin macht die Autorin besonders auf die Zusammenarbeit mit der Erde beim Entwurf eines Gebäudes aufmerksam. Oder will der Ort überhaupt bebaut werden? Gelungenen Kunst- und Bauwerken gelingt es, die transzendentale Ebene einzubinden. Das spürt der wache Geist.

Jules Bastien Lepage - Johanna von Orleans

Kein Kunstwerk aus der Malerei hat mich je mehr bewegt als das Gemälde Jeanne d’Arc (Johanna von Orléans) von dem französischen Maler Jules Bastien-Lepage (1848–1884) aus dem Jahre 1882. Es ist schon Jahre her, als ich davorstand, doch meine Ergriffenheit reicht bis heute. Das Gemälde hat eine unbeschreibliche Mystik, eine geheimnisvolle Aura. Ich sehe den Gesichtsausdruck der Jeanne d’Arc, als wäre es gestern gewesen, die wundervollen blauen Augen, die in die weite Ferne blicken und scheinbar durch alles hindurchschauen, voll von Wissen, Kraft und eindrucksvoller Nahbarkeit.

Gleichzeitig fühle ich ihre Verletzlichkeit. Ihr ausgestreckter Arm und die Haltung ihrer Hand deuten auf etwas Unendliches hin oder – so könnte man meinen – reichen ins Göttliche hinein und verbindet sich mit einer heilenden, weiten Energie. Eine mächtige Gestik.

Schmerz, Hoffnung, Zuversicht und Liebe berühren gleichzeitig die Herzen der Betrachter.

In der Architektur können wir ebenfalls solche Momente einer vollständigen Ergriffenheit erleben. Das sind vorwiegend Gebäude oder Orte, die einen an ihrer Kraft, dem Spirit des Ortes und der Idee, weswegen sie überhaupt errichtet wurden, leibhaftig teilhaben lassen. Die Gemeinsamkeit dieser Gebäude bildet eine komplette Verbundenheit mit dem Ort, fast so, als ob sie mit ihm verschmelzen würden. Sie sind eine regelrechte Einheit.

Das Matrimandir in Auroville, Südindien, beispielsweise wurde als Ort der Stille gebaut, der die Einheit von Himmel und Erde erfahrbar macht. An keinem anderen Ort dieser Welt habe ich eine vergleichbare Verwirklichung gespürt. Das Gebäude stellt seine Besucher einfach in diese Einheit hinein. Ob man will oder nicht, dringt ein Gewahrwerden von Einheit, von Weite, von Stille, von Tiefe, von Verbundenheit, von Himmel und Erde in jede Zelle des eigenen Seins ein. Der Körper entspannt, der Geist wird friedlich und ruhig, die Seele rückt ganz nah. Jeder noch so kraftvolle Widerstand oder mögliche Kampf dagegen erlischt, egal wie sehr man sich anstrengen mag. Die Schöpferin dieser erhabenen Architektur ist Mirra Alfassa (1878–1973). Später »Die Mutter« genannt, war sie eine spirituelle Begleiterin des Philosophen und Yogi Sri Aurobindo und Begründerin des Projektes Auroville.

Ein anderes Beispiel ist das Jüdische Museum in Berlin. Ich hatte die Gelegenheit, vor der Eröffnung an einer Rohbauführung teilzunehmen. Obwohl kein einziges Exponat ausgestellt war, hat das Gebäude es aus sich heraus geschafft, mich in diese schreckliche Zeit und in die Bilder dieser Zeit hineinzuziehen, so als ob sie für Momente real wird. Jetzt, da tatsächlich Exponate, Fotos und dergleichen ausgestellt sind, ist die Wirkung noch dramatischer und lässt die damalige Zeit für alle Besucher real werden.

Ebenso gibt es vergleichbare Beispiele in der Musik. Hier können wir wohl die meisten Momente einer vollständigen Ergriffenheit erleben, und zwar immer dann, wenn der Interpret die Herzen der Zuhörer tief berührt, wenn die Musik durch und durch geht, uns im Herzen zu zerreißen droht, weil wir die Botschaft in Form von Schmerz, Freude, Sehnsucht oder Liebe in uns spüren. Diese Musik rührt nicht selten zu Tränen. Jeder hat dies schon erlebt. Adele beispielsweise ist eine Künstlerin, die es schafft, fast mit jedem Titel die Menschen zu berühren. Ihre Zuhörerschaft ist riesengroß. Und sie ist eine von vielen Künstlern, die das vermögen.

Die schöpferische Kraft des Bewusstseins

In den spirituellen Traditionen ist Bewusstsein immer schon vorhanden. Es ist etwas, auf das man unentwegt zugreifen kann. Es durchdringt alle Daseinsbereiche und ist nie getrennt von etwas. Denn jeder von uns kann für sich in seinem ganz persönlichen Zustand frei wählen, was er sich bewusstmachen möchte oder nicht. Körperliches Bewusstsein, emotionales Bewusstsein, seelisches Bewusstsein, universelles, höheres Bewusstsein, Unterbewusstsein, Unbewusstsein, Überbewusstsein und so weiter – es ist immer alles zur gleichen Zeit, an jedem Ort, in jeder Dimension da. Es gibt keine Grenzen. Selbst die Stufen von Bewusstheit gehen fließend ineinander über. Bewusstsein geschieht also immer gegenwärtig und in Verbundenheit. Es bildet eine Einheit mit allen Dingen, somit durchdringt es alles. Und weil es die Voraussetzung von allem ist, ist es eine Form des Da-Seins, aus der Schöpfung entstehen kann.

Bewusst-Sein für Kreativität
Bewusstsein geschieht also immer gegenwärtig und in Verbundenheit.

Wenn Bewusstsein eine grundlegende Daseinsform ist, bedeutet das gleichzeitig, dass man das Wahrnehmen von Bewusstsein nicht lernen oder üben kann. Achtsamkeit können wir üben. Es ist eine Art Konzentration, in der wir entschlüsseln, definieren, einordnen, urteilen, bewerten; und zwar auch dann, wenn wir bemüht sind, es nicht zu tun.

Denn sobald man übt, aufmerksam, wachsam und achtsam wahrzunehmen, wird man notwendigerweise zu einem Beobachter. Ein Beobachter ist aber immer getrennt von dem, was er beobachtet. Es entsteht keine Einheit zwischen beiden Polen. Der Beobachter bleibt fast unnahbar im Hintergrund.

Beobachten allein ist keine schöpferische Kraft. Es ist auch nicht das Gleiche wie bewusst zu sein. Beim Beobachten stärkt sich das Ich-Gefühl. Wir sind auf uns selbst konzentriert und stärken unser Ego. Deshalb kann das Üben von Achtsamkeit nur der erste Schritt in ein schöpferisches Bewusstsein hinein sein.

Dieser Schritt ist grundlegend wichtig, denn indem wir achtsam werden in dem, was wir denken, fühlen und tun, erleben wir immer wieder sehr kurze Momente von Bewusstsein. Wir dürfen nur nicht den Fehler begehen, in diesem Prozess ein Bewusstwerden mit einem Bewusstsein zu verwechseln.

Bewusstsein bedeutet Dasein in der Verbundenheit, in der Einheit. Um diesem gewahr zu werden, brauchen wir die Ebene unseres Herzens.

In dieser Fassung sind Auszüge aus dem Artikel wiedergegeben. Den vollständigen Artikel gibt es im Pdf ( 7 Seiten), das unten bestellt werden kann.

Das Potenzial der Ko-Kreativität

Integrales Bewusstsein für die Zusammenarbeit, die Teamarbeit oder allgemein für das Gemeinschaftliche bedeutsam, denn kein Mensch alleine findet die Lösungen, die unsere Welt in der heutigen Zeit braucht. Kräfte müssen sich bündeln und Menschen sich gezielt finden.

Deshalb ist Ko-Kreativität zeitgemäß und sehr wichtig. Doch im allgemeinen Verständnis von Ko-Kreativität bezieht sie sich eher auf das Empathische, das soziale Miteinander und wird verbunden mit einer offenen und wertschätzenden Haltung gegenüber den Impulsen des anderen. Es geht außerdem darum, eine angstfreie Umgebung zu schaffen, eine gegenseitige Motivation zu stärken und Engagement hervorzuholen.

In einer integralen Bewusstheit jedoch liegt das Potenzial von Ko-Kreativität ganz woanders: Im Bewusstsein für den größeren Zusammenhang erkennt auch hier jeder Beteiligte die größere Bestimmung für das Vorhaben, seine Rolle dabei und vor allem seine Zuständigkeit.

Ganz unabhängig von persönlichen, emotionalen oder gelernten Kompetenzen kann es durchaus vorkommen, dass das Wesenhafte, das Seelenfeld der einzelnen Beteiligten bisher unbekannte Fähigkeiten oder Wahrnehmungen für das Projekt fordert und fördert. Hierbei sind nicht unbedingt Fähigkeiten wie besser zuhören, reden oder kombinieren gemeint, hier sind seelische Fähigkeiten gemeint, die das spirituelle energetische Potenzial des Einzelnen betreffen.

Lesen Sie im vollständigen Artikel mehr über die Herausbildung spiritueller Fähigkeiten im Bewusstseinsprozess

Dies beinhaltet auch vorhandene Entwicklungswege. Das Bewusstsein, das sich dem Wahrnehmenden über die Energie des Herzens vermittelt, ist eine Wahrnehmungs- und Handlungsebene zugleich. Eine Ebene, die jedoch so innig mit dem Betrachter der Dinge verknüpft ist, dass sich ihre Beschreibbarkeit sehr oft einer wirklichen Objektivierbarkeit entzieht: Denn die Energie des Herzens, die als Freude oder Liebe erlebt wird, beeinflusst das Feinstoffliche bereits beim Wahrnehmen. Damit kehren sich alle Ansätze von Ursache und Wirkung um.

In einer ko-kreativen Arbeit finden sich demnach die Potenziale von allen Mitspielern und die Reihenfolge ihrer Einsetzbarkeit im Sinne des Entwicklungsprozesses. Das heißt: Nicht nur das Projekt entwickelt sich, sondern jeder Beteiligte vollzieht einen Bewusstseinsschritt.

Dieses Verlassen des Prinzips von Ursache und Wirkung ist die Voraussetzung, um integrales Bewusstsein zu erfahren. Dies gelingt am besten in der Meditation

Bewusst-Sein für Kreativität

Hier beschreiten wir den Weg des Nachinnengehens und nehmen an dem immerwährenden Lebensfluss teil, der Gesetzmäßigkeit, in deren Natur sich alles bewegt. Verstand und Gefühl verbinden sich mit dem Seelischen.

Vorausgesetzt ist, man wählt eine Meditationsform, die nicht statisch ist, wie beispielsweise die reine Übung von Achtsamkeit. Die Meditationsform, die integrales Bewusstsein erwachen lässt, bezieht Schritte der Transformation mit ein. Sie lehrt Lichtbewusstsein ebenso wie eine tiefe innere Stille. Sie lehrt, die Herzensebene als wahrnehmendes und handelndes Organ zu nutzen, den Prozess der Wandlung anzuregen oder zu beschleunigen. Gleichzeitig stellt sie Lösungen zur Verfügung. Lösungen, die sich aus den inneren Universen der Meditierenden offenbaren.

Om namah shivaya

Unsere Autorin Kun Ya Andrea Schmidt

Über die Autorin

Kun Ya Andrea Schmidt, geb. 1967, ist spirituelle Lehrerin und Architektin, Mitbegründerin von Integrale Vision und dem Zentrum für Kan Yu, einer Lehre des Tiefenbewusstseins. Sie lehrt seit über 30 Jahren Soulful Meditation für Einzelpersonen und in Unternehmen.

www.integrale-vision.de, www.kanyu-zentrum.de

Dies sind Ausschnitte aus dem Artikel.

Erfahren Sie mehr über das integrale Bewusstsein und sein allumfassendes Wesen.
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Bewusst-Sein für Kreativität (PDF)

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Die Wesenhaftigkeit des Ganzen erfassen

Ko-Kreativität bezieht sich nicht nur auf mich und den anderen, sondern schöpft aus einem integralen Bewusstsein im Einklang mit der gesamten Umgebung. Als Architektin macht die Autorin besonders auf die Zusammenarbeit mit der Erde beim Entwurf eines Gebäudes aufmerksam. Oder will der Ort überhaupt bebaut werden? Gelungenen Kunst- und Bauwerken gelingt es, die transzendentale Ebene einzubinden. Das spürt der wache Geist.
 

 

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