Die Freiheit der Wissenschaft

Die Freiheit der Wissenschaft


Zum Buch »Der Wissenschaftswahn« von Rupert Sheldrake. Ein Plädoyer

Autor: Prof. Dr. Dr. Harald Walach
Kategorie: Bewusstsein
Ausgabe Nr: 59

 

Rupert Sheldrake, der Begründer der Theorie vom morphogenetischen Feld, ist in einer positivistischen Wissenschaftslandschaft immer wieder starker Kritik ausgesetzt. Harald Walach wirft hier einen nüchternen und befreiten Blick auf Sheldrake und die Wissenschaft.

Ich kenne Rupert Sheldrake schon ein ganzes Weilchen; vor kurzem war er auch bei uns in Frankfurt (Oder) zu Gast. Angefangen hat unsere Bekanntschaft, als wir seine Versuche zum Phänomen des »Angeschautwerdens« kritisierten und darüber ins Gespräch kamen. Ich habe ihn wegen seiner Offenheit, auch gegenüber Kritik, und seiner genuinen Neugier schätzen gelernt. Und ich habe, auch ihm gegenüber, nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich seine Theorie der »morphogenetischen Felder« für empirisch nicht belegt halte, genauer gesagt, ich glaube sogar, dass die Daten eher gegen ein solches Feldmodell sprechen. Denn es gibt allzu viele Versuche, bei denen genau das Gegenteil dessen, was man erwarten würde, herauskam. Aber das würde jetzt zu weit führen. Allerdings gehe ich mit ihm in einigen wichtigen Punkte überein: Die Phänomene, von denen er spricht, seien sie jetzt dem Bereich der »Parapsychologie« zuzurechnen oder seltsame »Feldphänomene« in der Biologie, verdienen die vermehrte Aufmerksamkeit der Wissenschaft, gerade weil sie unserer Erwartung zuwiderlaufen.

 

Eine Zensur, die dem Mittelalter angehört, muss endlich aufhören!

 

Man lernt nämlich mehr aus der Enttäuschung von Erwartung als aus ihrer Bestätigung. Und darin bewundere ich ihn sehr. Er ist konsequent darin, die Finger in die kollektive Wunde des Geistes zu legen, der sich für solche Phänomene taub stellt. Nun wird man sagen: »Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert«. In der Tat, der Rufmord und damit das Ende einer viel versprechenden Karriere kam, als Sheldrake 1981 sein Buch »A New Science of Life« veröffentlichte. Das wurde übrigens erst vor kurzem wieder neu aufgelegt, diesmal mit einem langen Anhang empirischer Daten (die ich noch nicht gesichtet habe). In diesem Buch hatte er damals seine Hypothese der »morphogenetischen Felder« und der »morphischen Resonanz« vorgestellt. Diese muss man sich vorstellen wie ein elektromagnetisches Feld, nur eben nicht unbedingt materiell (wie genau, das sagt er leider nicht und das ist auch der Streitpunkt).

Immer wenn ein Lebewesen, eine Art, eine Gruppe ein neues Verhalten lernt, wird das dazugehörige »morphogenetische Feld« entsprechend verändert, so seine Theorie, und andere Mitglieder der Art oder der Gruppe können das entsprechende Verhalten anschließend schneller lernen. Ein morphogenetisches Feld wäre also so etwas wie eine dynamisch sich verändernde platonische Idee; das hat Rupert Sheldrake mir übrigens in einem Gespräch einmal bestätigt. Weil das entsprechende Feld überall wirkt, können auch Mitglieder einer Gruppe zu anderen Zeiten oder an anderen Orten mit ihm in Resonanz treten, eben in »morphische Resonanz« und so z.B. rascher lernen. Menschen würden also heute leichter Englisch lernen als noch vor etwa 100 Jahren, einfach weil inzwischen mehr Menschen an verschiedenen Orten der Erde Englisch gelernt haben. Ein aktuelles empirisches Beispiel ist der Flynn-Effekt: das empirisch belegte Ansteigen der mittleren Intelligenz, seit es Intelligenztests gibt. So jedenfalls interpretiert Sheldrake dieses Phänomen. Ansonsten bleibt es ein teilweise nicht erklärtes Phänomen.

 

Die Freiheit der Wissenschaft

 

Wegen dieser These der morphogenetischen Felder also wurde er vor mehr als 30 Jahren gleichsam offiziell aus der Wissenschaftlergemeinde verstoßen, könnte man sagen. Maddox, der damalige Chefredakteur der Wissenschaftszeitschrift Nature, nannte das Buch »the best candidate for burning there has been in many years. Er bemühte damit das hoch problematische Bild eines von Dogmatismus getriebenen Fanals der Bücherverbrennung, und genau darum ging es. Der Rest ist rasch erzählt und lässt sich in Sheldrakes neuem Buch, »The Science Delusion« im Einführungskapitel detailliert nachlesen: Ein hochdotierter, exzellent publizierender Wissenschaftler, der wichtige Entdeckungen gemacht hatte, verlor von heute auf morgen die Basis für seine weitere Karriere und musste auf Forschung als Privatgelehrter umsteigen. Das hat er, finde ich, mit bewundernswürdiger Hartnäckigkeit und ausgesprochener Kreativität verfolgt, etwa über seine eindrucksvollen Studien zu Telepathie bei Tieren und andere Themen. Eine entsprechende Anekdote habe ich übrigens selbst erlebt.

Nun hat Rupert Sheldrake also ein neues Buch geschrieben, »The Science Delusion«, auf Deutsch »Der Wissenschaftswahn«, etwas zu reißerisch betitelt. Denn es geht zwar um eine weitreichende Täuschung, man muss sie aber vielleicht nicht gleich zum Wahn erklären. Kurz gesagt argumentiert er in diesem sehr gut geschriebenen, leicht lesbaren und solide belegten Werk dafür, Wissenschaft und Wissenschaftsglaube auseinanderzuhalten. Manche Menschen verwechseln Wissenschaft als Methode zur Gewinnung von Erkenntnissen mit Wissenschaft als Glaubenssystem, zu dem bestimmte »Glaubenssätze« gehören, die man im weitesten Sinne dem philosophischen Materialismus zuordnen würde. So etwa den, dass nur materielles Sein wirklich und relevant sei und geistiges Sein daraus abgeleitet sei. Oder dass Bewusstsein nur aus der Gehirnaktivität zu erklären sei und daher nur innerhalb unseres Kopfes lokalisiert ist, solange wir leben, und dann erlischt. Oder dass Gedächtnis nur als materielle Veränderung im Gehirn zu begreifen sei. […]

 

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Zum Buch »Der Wissenschaftswahn« von Rupert Sheldrake

Rupert Sheldrake, der Begründer der Theorie vom morphogenetischen Feld, ist in einer positivistischen Wissenschaftslandschaft immer wieder starker Kritik ausgesetzt. Harald Walach wirft hier einen nüchternen und befreiten Blick auf Sheldrake und die Wissenschaft.
 

 

 
 

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