Vom Selbstverständnis zur Selbsterkenntnis

Vom Selbstverständnis zur Selbsterkenntnis

Über die tiefgründige Bedeutung von Heilung im Ayurveda

Autor: Michael Rohrschneider
Kategorie: Philosophie
Ausgabe Nr: Sonderheft Ayurveda

Die ayurvedische Wissenschaft zeigt uns eine Lebensweise in Einklang und Harmonie mit der Natur auf. Wenn wir ihre Gesetzmäßigkeiten beachten, verhilft sie uns nicht nur zu körperlicher Heilung, sondern zu wahrer innerer Selbsterkenntnis. Dass dazu mehr gehört als das Anhäufen von Wissen, weiß Michael Rohrschneider.

Ayurveda behandelt gutes und schlechtes, glückliches und unglückliches Leben, seine Förderer und Nichtförderer, sein Maß und seine Natur.
Hitahitam sukham duhkam-ayustasyahiahitam Manam ca tacca yatroktam ayurvedam sa ucyate.
- Charaka Samhita

Ayurveda, die Wissenschaft vom Leben – Ayur das Leben und Veda das Wissen. »Die uralte, 3000 Jahre existierende Heilkunde vom langen, gesunden Leben«, so beginnen unzählige Bücher und Artikel. Sind die Begriffe Wissenschaft, Leben, Heilkunde für sich selbst redend oder geben wir ihnen eine vorgefertigte Bedeutung?

Was ist das Leben, was ist Wissenschaft und was ist Heilung?

Um Ayurveda wirklich zu verstehen, sollten wir uns vielleicht erst einmal diesen Begriffen auf eine andere Weise annähern und nicht einfach die gängigen Erklärungen aus der anerkannten, modernen Wissenschaft, mögen sie biochemisch, philosophisch, mechanistisch oder atomisch sein, anwenden. In den später erwähnten Shad Darshana (sechs philosophischen Systemen) finden wir einige Parallelen. In der folgenden kleinen Geschichte wird deutlich, dass eine wissenschaftliche Betrachtungsweise nicht die allein gültige sein kann und stets nur bis an die Grenze des Denkbaren führt.

Ein Zen-Meister und ein Biologe wandern durch die Berge und finden eine äußerst seltene Pflanze, die der Biologe ausgräbt, um sie im Labor zu untersuchen und zu analysieren. Der Zen-Meister lächelt und sagt: Du wirst das Wesen der Pflanze nie verstehen.

Sie möchten wissen, wie Ayurveda das Leben und die Wissenschaft erklärt? Antworten finden Sie im vollständigen Artikel, den Sie unten bestellen können.

Die Heilung, das Heil-Sein, Heilig-Sein

Die klassischen Ayurveda-Schriften, wie die Charaka Samhita, beginnen mit Aussagen zur Gesunderhaltung und beinhalten erst später heilkundliche Vorgehensweisen. Der Begriff Heilung wird in der Schulmedizin meist mit Symptomfreiheit gleichgesetzt. Im Zusammenhang mit Ayurveda wird immer wieder der Begriff »ganzheitlich« verwendet. Was bedeutet »ganzheitlich«? Es bedeutet, den Menschen nicht nur in seiner Komplexität zu betrachten, sondern auch zu verstehen und zu begleiten. Zuerst muss uns klar sein, dass niemand heilen kann, nur die Natur selbst. Krankheit und Heilung sind dem Organismus inhärent. Auch der beste Arzt oder Therapeut kann durch therapeutische Intervention nur das innere Milieu beeinflussen, um den Organismus zu unterstützen, das individuelle Gleichgewicht der Kräfte wiederherstellen zu können.

Ayurveda bedeutet, aus dem Körper das zu entfernen, auszuleiten, was im Übermaß da ist (Panchakarma), und das zu geben, was in zu geringem Maße vorhanden ist (Rasayana).

Gesundheit ist kein Zustand, Gesundheit ist ein Prozess im Sinne der Homöostase, sowohl in uns als auch im erweiterten Sinne in Bezug auf die Umwelt, in Form einer natürlichen Interaktion im geschlossenen System Universum.

Ayurvedische Heilkunde setzt Wissen, Erfahrung, Empathie und Erkenntnis voraus. In diesem Zusammenhang verwende ich den Begriff Therapeut in seiner altgriechischen Bedeutung: Diener. Ein Diener des Ayurveda, unserem Herrn, dem Leben selbst dienen. Ein guter Diener folgt den Anweisungen des Herrn, weiß, was notwendig ist, um diese Vorgaben zu erfüllen, übt sich in Hingabe an seine Aufgaben und kennt sich in allen Belangen bestens aus. In der Charaka Samhita gibt es Aussagen über die Eigenschaften eines Ayurveda-Lehrers, hier von mir etwas modernisiert, die auch auf einen Ayurveda-Therapeuten mit entsprechend abgeänderten Begrifflichkeiten angewendet werden können.

  • Ein Ayurveda-Lehrer oder ein Ayurveda-Arzt und -Therapeut sollte die entsprechenden Schriften gut kennen;
  • er sollte praktische Erfahrung besitzen, sollte weise und spirituell sein;
  • sollte gesund und rein, frei von Neid, Zorn, Gier und Betrug sein;
  • sollte alle notwendigen Dinge zur Behandlung von Krankheiten besitzen;
  • sollte sich den Menschen gegenüber väterlich verhalten und Zuneigung für sie empfinden;
  • und er sollte fähig sein, Ayurveda verständlich zu vermitteln.

Heilung ist ein Prozess der Annäherung an den ausgewogenen Zustand einer Spezies körperlich, psychisch, mental und spirituell.

Heil-Sein ist der Prozess des erfolgreichen Ausgleichens von lebensbedingten Intervallen des Gleichgewichts und Ungleichgewichts durch eine natürliche Eigenregulation.

Heilig-Sein ist die Erkenntnis der wahren Existenz, des Selbst, jenseits des Wandelbaren.

Ayurveda – eine biochemische, philosophische, mechanistische und atomische Wissenschaft

Shad Darshana sind die sechs philosophischen Systeme des Ayurveda: Shamkya, Nyaya, Vaisheshika, Mimamsa, Yoga und Vedanta. In diesen sechs Systemen finden wir wesentliche Grundlagen des Ayurveda wieder. Wege, um Wissen zu erlangen und dieses im Leben umzusetzen, Modelle vom Aufbau des Universums, Schulung der Unterscheidung und Wege zur Selbsterkenntnis. Hieraus ist deutlich zu ersehen, dass Ayurveda weitaus mehr als eine Heilkunde im üblichen Sinne ist, sondern eine wirkliche Wissenschaft vom Leben, nicht nur im Sinne von Theorien, sondern auch mit klaren Hinweisen auf die praktische Umsetzung im Leben, als eine entwicklungsfördernde Lebensweise.

Shamkya, Nyaya und Vaisheshika befassen sich hauptsächlich mit der materiellen Welt,

Mimamsa, Yoga und Vedanta beschäftigen sich mit der inneren Welt, um die äußere Welt besser zu verstehen, als Basis geistiger Entwicklungsmöglichkeiten.

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Körperliche Existenz und Heilung stehen aus meiner Erfahrung meist im Vordergrund einer ayurvedischen Behandlung oder Beratung. Körperliche Beschwerden zu beseitigen oder die körperliche Unversehrtheit zu erhalten, sind die häufigsten Anlässe, sich ayurvedisch betreuen oder behandeln zu lassen. Die prominente Identifikation mit der Körperlichkeit darf nicht über komplexere Zusammenhänge hinwegtäuschen. Den Körper als Fahrzeug für unser jetziges irdisches Dasein zu betrachten, wirft natürlich die Frage nach dem Fahrer, seinen Fähigkeiten und dem Verhältnis zum Fahrzeug auf, worauf ich noch später zurückkommen werde. Unser Fahrzeug, der Körper, will ebenso gepflegt sein, in der rechten Weise belastet und mit gutem Betriebs- und Baustoff versorgt sein. Die von der Natur vorgegebene Konstitution gibt uns die nötigen Hinweise auf Maß, Zeitpunkt, Umstände und Dauer.

Ayurveda ist eine Elemente-Lehre, nach der alles Materielle in diesem Universum aus den fünf Elementen, den Pancha Maha Bhutas (fünf großen Elementen) Äther, Luft, Feuer, Wasser und Erde, zusammengesetzt ist. Maßgeblich für unsere körperliche Verfassung ist das individuelle Gleichgewicht der drei Doshas Vata, Pitta und Kapha, die von Geburt an unveränderbar festgelegt sind; sie bestimmen die Konstitution, die Prakruti. Jedes dieser Doshas besteht ebenfalls aus den fünf Elementen, nur in unterschiedlichem Proporz. Das optimale Zusammenspiel dieser drei Wirkungsprinzipien ist abhängig vom Zustand des Agni, unserer Verdauungs- und Stoffwechselfunktion. Vata ist das Bewegungsprinzip, Pitta das Stoffwechselprinzip und Kapha das Struktur gebende Prinzip. Ist durch falsche Lebensweise, Denkweise, Ernährungsweise, emotionale Störungen oder spirituelles Fehlverhalten die Interaktion der Doshas untereinander belastet oder gestört, hat das Krankheit, ein Ungleichgewicht der Doshas (Vikruti) zur Folge.

Über die tiefgründige Bedeutung von Heilung im Ayurveda

Der Begriff Dosha kann mit »Verderber« übersetzt werden, was daher rührt, dass die aus dem Gleichgewicht geratenen Doshas krank machend, zerstörerisch wirken. Ziel einer ayurvedischen Behandlung ist es, das natürliche Gleichgewicht wiederherzustellen, zum Beispiel den Körper von Ama zu befreien (Amapacan), das Agni zu stärken (Agnideepan) und die Doshas zu optimieren, die Lebensweise und die Ernährung entsprechend der Konstitution und dem Alter anzupassen, um das erreichte Gleichgewicht zu erhalten. Die Empfehlungen für die Dinacharya, die tägliche Routine, und die Rutacharya, die jahreszeitliche Routine, geben konkrete Hinweise auf den Tagesrhythmus beziehungsweise auf den jahreszeitlichen Rhythmus.

Dies sind Ausschnitte aus dem Artikel.

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Michael Rohrschneider
Vom Selbstverständnis zur Selbsterkenntnis
ber die tiefgründige Bedeutung von Heilung im Ayurveda

Die ayurvedische Wissenschaft zeigt uns eine Lebensweise in Einklang und Harmonie mit der Natur auf. Wenn wir ihre Gesetzmäßigkeiten beachten, verhilft sie uns nicht nur zu körperlicher Heilung sondern zu wahrer innerer Selbsterkenntnis. Dass dazu mehr gehört als das Anhäufen von Wissen, weiß Michael Rohrschneider.
 

 

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Über den Autor

Unser Autor Michael Rohrschneider

Michael Rohrschneider ist Heilpraktiker in eigener Praxis seit 1989, mit den Schwerpunkten Psychotherapie, Ayurveda und Panchakarma-Therapie. Seit 2004 ist er Referent und Leiter von Ayurveda Aus- und Weiterbildungen in kleinen Gruppen. Er ist Autor für Fachzeitschriften und Referent an verschiedenen Ayurveda-Ausbildungsstätten.

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