Das Geistige ist die treibende Kraft

Das Geistige ist die treibende Kraft

Wie das Bewusstsein die Materie erzeugt

Autor: Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Dürr
Kategorie: Bewusstsein
Ausgabe Nr: 96

Der Quantenphysiker Hans-Peter Dürr gelangte nach Jahrzehnten der Forschung zu dem Ergebnis, dass zuerst der Geist gegeben war und dann die Materie entstand. Konkret spricht er von einer Gestalt ohne materielle Substanz, im Sinne einer Potenzialität, die die Wirklichkeit entstehen lässt. Materie ist verknöcherter, ausgefällter Geist und somit das, was nicht mehr an der Evolution beteiligt ist. Die Zukunft ist nicht vorgegeben, sondern ein offener Prozess, der durch unseren Geist, d. h. unser Bewusstsein, bestimmt wird.

Hans-Peter Dürr: Ich bin ein in der Wolle gefärbter Quantenphysiker, d. h., ich habe im vollen Bewusstsein die Entwicklung mitgemacht, die am Anfang dieses Jahrhunderts stattfand. Es fing mit Max Planck und Albert Einstein an, aber das Wichtige ist, dass Planck und Einstein diese Entwicklung zwar angestoßen haben, aber nicht an sie glaubten.

Sie störten sich an der Unschärferelation und diesem ganzen Komplex der Quantenphysik. Sie waren der Meinung, dass dies nur ein Übergangsstadium sein kann. Es waren die jungen Leute wie Werner Heisenberg, der als Zwanzigjähriger darin den Durchbruch sah! Wir müssen die Wirklichkeit total anders sehen, nicht mehr materiell, sondern viel offener. Für diese Forschenden trat dann folgende Schwierigkeit auf: Wie kann man aus etwas, was so offen ist – etwas, das auch den Menschen miteinschließen konnte –, je so etwas wie eine Naturgesetzlichkeit ableiten?

Wir Menschen wollen uns nicht dem Determinismus unterwerfen, da wir uns selbstverständlich als kreativ verstehen.

Daraufhin stellte man fest, dass dies möglich sei. In dieser Potenzialität, durch diese Gerinnungsvorgänge entstehen Gesetzlichkeiten, die genau den Gesetzen der klassischen Physik entsprechen, und das war der Durchbruch. Nicht, dass diese streng gelten, sondern dass es so aussieht, als ob sie gelten würden. Für uns, die wir hier überleben wollen und etwas begreifen müssen – greifen müssen, um uns zu ernähren –, reicht diese Annäherung vollkommen aus.

Aber das klassische Verständnis reicht nicht aus, um unseren Ursprung und die Welt zu verstehen. Ich nenne die moderne Physik nicht ›Quantenphysik‹, sondern ›holistische Physik‹.

Das Wesentliche in der Quantenphysik war, dass wir streng genommen nicht mehr von Teilen sprechen können. Es gibt nicht so etwas wie Teile. Es existiert immer nur das Ganze.

Dieses Ganze ist bereits differenziert. Es hat gewissermaßen Zäune und Abgrenzungen, aber es verhält sich mehr wie die Wellen auf der Oberfläche des Ozeans, und man sollte nicht denken, dass der Ozean aus Wellen zusammengesetzt ist. So ist es nicht, aber wenn ich es oberflächlich betrachte, trifft dies zu.

Die Oberfläche des Ozeans ist aus Wellen zusammengesetzt, das ist eine gute Beschreibung, und für den oberflächlich Denkenden ist dies auch ausreichend. Jemanden, der Schifffahrt betreibt, interessiert es nicht, was zwei Kilometer unter dem Ozean ist. Für diesen ist die Oberflächenstruktur des Meeres weitaus wichtiger als die Zusammenhänge des Meeres unterhalb des Wassers.

Das Geistige ist die treibende Kraft

Der Urknall als Anfang der Welt?

Es gibt nicht nur die Urknall-Theorie, aber diese ist im Augenblick diejenige, die am meisten akzeptiert wird.

Ich würde vermuten, dass die Urknall-Theorie, so wie sie jetzt besteht, auch nicht richtig ist.

Sie ist für mich noch zu sehr in der Sprache der alten Physik formuliert, also an der Materie orientiert. Ich glaube, wenn wir mal so weit sind, die Kosmologie in der Sprache der modernen Physik zu schreiben, also auf der Basis der Quantentheorie, dann werden wir eine andere Formulierung haben.

Wie funktionieren die Naturgesetze?

Die alte Vorstellung besagt, dass wir mit einer materiellen Basis anfangen. Früher sprach man von Atomen, die sich immer wieder anders anordnen, und daraufhin fragte man sich: Warum ordnen sie sich so an, dass wir am Schluss ein so komplexes System wie den Menschen erhalten?

Die moderne Vorstellung postuliert, dass die Materie selbst bereits das Ergebnis einer Entwicklung ist. Am Anfang war die Möglichkeit, die Potenzialität, etwas, was immer ganzheitlich ist, und was selbstverständlich alle zukünftigen Möglichkeiten bereits irgendwie eingebaut hatte, aber noch nicht in der realisierten Form, die nun anfängt, sich zu formen. Auch die Naturgesetze gelten nicht in der Art und Weise, wie wir das aufgrund der alten mechanistischen Form glauben, dass etwas wie ein Uhrwerk abläuft, sondern die Naturgesetze sind auch nur ein Ergebnis der Evolution. Ihre Herausbildung ist auch nur eine Möglichkeit. Vermutlich wären auch andere Möglichkeiten der gesetzlichen Anordnung möglich gewesen, aber es ist dann auf eine bestimmte Art und Weise eingerastet, beinahe wie eine Art Gewohnheit.

Ich beobachte immer, wenn ich Zug fahre und es fängt an zu regnen, wie das Wasser außen an der Scheibe herunterläuft. Es fließt auf die krummsten Arten und Weisen nach unten, aber wenn es mal einen Pfad gefunden hat, dann fließt das ganze Wasser dort entlang. Das führte dazu, dass ich mich frage: Warum ist das Wasser genau diesen Pfad gegangen? Es hätte auch einen anderen Pfad gehen können, aber wenn es mal den Weg gefunden hat, dann wird es gewissermaßen zu einer Naturgesetzlichkeit für den Ablauf des Wassers.

Der Text basiert auf einem Interview, das Prof. Dr. Martin Gertler im Max-Planck-Institut in München im Sommer 1997 mit Hans Peter Dürr geführt hat. © Martin Gertler. Transkription und Abdruck mit freundlicher Genehmigung.

Dies ist nur der Anfang des Artikels.

Wie die Gesetzmäßigkeiten der Natur zur Evolution führten, erklärt der Autor im vollständigen Artikel, der in Tattva Viveka 96 erschienen ist.

Tattva Viveka 96

Tattva Viveka Nr. 96

Inhalt der Ausgabe

Schwerpunkt: Bewusstsein
Erschienen: September 2023

Prof. Dr. Niko Kohls – Die gesellschaftliche Akzeptanz von Achtsamkeit und Spiritualität. Ein Abbild des Bewusstseinsstandes der gegenwärtigen Gesellschaft • Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Dürr – Das Geistige ist die treibende Kraft. Wie das Bewusstsein die Materie erzeugt • Saskia Baumgart – Von Märchen, Heiligen Büchern & anderen Narrativen. Auf dem Weg zum Bewusstsein des dritten Jahrtausends • Ronald Engert – Wie funktioniert die Wirklichkeit? Die Bedeutung der Quantenphysik für die Philosophie • Marcus Schmieke – Bewusstsein, Leben und Kohärenz. Den Verschränkungen des Lebens auf der Spur • Martin Bertsch – Holistische Bewusstseinsentfaltung • Preethaji – Jenseits des Verstandes das Göttliche erkennen. Der innere Weg als Lösung für die Probleme der Welt • Dr. Heide Göttner-Abendroth – Die Erstentstehung des Patriarchats – einmal oder mehrmals? • Saskia Baumgart – Waters Of Life: Exploring Mythos, Divinity, Beings, and Ecology • Bericht zur Konferenz der Association for the Study of Women and Mythology • Guido Nerger – Die Hermetik als Bindungsglied zwischen Geist und Materie. Ein lebensbejahendes Erkenntnismodell • Dandapani – Konzentration für ein Leben voller Sinn und Freude. Wie wir mit mehr Fokus unsere Ziele erfolgreich erreichen • u.v.m.

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Zum Autor

Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Dürr

Hans-Peter Dürr (1929-2014), Studium der Physik, 1958-74 Mitarbeiter von Werner Heisenberg im Max-Planck-Institut für Physik. Später Leiter des Instituts sowie des Werner-Heisenberg-Instituts in München bis 1997. Professor an der Universität München, Gastprofessuren in Berkeley, China und Indien. Seit den 1980er Jahren Engagement in der Umwelt- und Friedensbewegung und Anti-Atom-Bewegung. 1987 Alternativer Nobelpreis, 1995 Friedensnobelpreis (als Mitglied von Pugwash), 2004 Großes Bundesverdienstkreuz. 2008 Ehrenbürger der Stadt München. Mitglied im Club of Rome. Ratsmitglied des World Future Council. Gründer des Global Challenges Network und von WorkNet:future.

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