Die Suche nach dem wahren Selbst

Die Suche nach dem wahren Selbst

Wie Traumaheilung durch Neurophilosophie und Körperpsychotherapie gelingen kann

Autor: Gabriella Rist
Kategorie: Psychologie
Ausgabe Nr: 97

Die Suche nach Heilung führte die selbst von einem Trauma betroffene Autorin zur Neurophilosophie und zur Körperpsychotherapie. Sie entdeckte die alte Weisheit des Yoga als einen Weg zur Heilung und kombinierte ihn mit Erkenntnissen aus der Gehirnforschung und zahlreichen psychologischen Ansätzen. Dabei betont sie, dass bei allen Zugängen traumasensitiv vorgegangen werden muss, um das Trauma nicht weiter zu verstärken.

Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihre tiefsten Wunden heilen, indem Sie das Potenzial Ihres Gehirns nutzen. Klingt das zu schön, um wahr zu sein? Nun, es gibt zwei aufstrebende Disziplinen, die genau das versprechen – Neurophilosophie und Körperpsychotherapie.

Die Bedeutung ganzheitlicher Heilung von Traumata

In unserer modernen Gesellschaft wird das Thema Trauma und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden immer wichtiger. Immer mehr Menschen sind auf der Suche nach ganzheitlichen Ansätzen, um ihre traumatischen Erfahrungen zu verarbeiten und sich davon zu heilen.

In unserer Welt, in der wir immer noch oft dazu neigen, Körper, Seele und Geist als getrennte Entitäten zu betrachten, eröffnet uns die Neurophilosophie ein neues Verständnis davon, wie unsere körperlichen Erfahrungen und unser geistiges Wohlbefinden miteinander verbunden sind. Körperpsychotherapie ermöglicht uns zugleich die heilende Begleitung des Körpers mit Augenmerk auf die seelische Auswirkung.

Warum wir all das benötigen? Traumata – insbesondere interpersonelle Traumata der Kindheit – können sich tief in unserem Nervensystem und in unserem Gehirn verankern. Sie hinterlassen nicht selten alte und verkrustete Spuren, die unsere Denkweisen, Emotionen, Verhaltensmuster und Anatomie beeinflussen. Sie erzeugen im wahrsten Sinne des Wortes Scherben oder Fragmente sowohl in unserer Ich-Wahrnehmung als auch in unserem Körper.

Neuroplastizität und die Bhagavad-gita

Die Funktionsweise des Gehirns ist äußerst komplex, und wir verstehen noch lange nicht alles darüber. Dennoch sind wir in der Lage, einige grundlegende Prinzipien zu identifizieren. Das Gehirn besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die miteinander kommunizieren und Informationen verarbeiten. Diese Kommunikation erfolgt durch elektrische Impulse und chemische Botenstoffe, die als Neurotransmitter bezeichnet werden.

Neurotransmitter spielen eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung von Traumata.

Insbesondere die Stresshormone Adrenalin und Cortisol werden vermehrt ausgeschüttet, wenn wir traumatischen Erfahrungen ausgesetzt sind.

Diese Hormone versetzen den Körper in einen Alarmzustand, der es uns ermöglicht, schnell auf potenziell gefährliche Situationen zu reagieren. Dieser Mechanismus ist evolutionär bedingt und hat uns in der Vergangenheit oft das Überleben gesichert.

Allerdings kann ein übermäßiger und lang anhaltender Stress zu einer Dysregulation des Hormonhaushalts und Stoffwechsels führen und das Gehirn in einen Zustand der Übererregung versetzen. Dies kann zu einer Reihe von psychischen und körperlichen Symptomen führen, die typisch für Traumata sind, wie zum Beispiel Angstzustände, Schlaf- und Verdauungsstörungen und Schmerzen. Wenn das Nervensystem sich nicht von selbst entspannen kann, kann es sein, dass dieser Zustand immer wieder durch die auslösenden Reize hervorgerufen und chronifiziert wird.

Die gute Nachricht ist, dass das Gehirn in der Lage ist, sich an diese Veränderungen anzupassen und zu heilen. Dieser Prozess wird als Neuroplastizität bezeichnet. Das Gehirn kann neue Verbindungen zwischen Nervenzellen herstellen, alte Verbindungen verstärken oder abschwächen und sogar neue Nervenzellen bilden. Diese Veränderungen können dazu führen, dass die negativen Auswirkungen von Traumata reduziert werden.

Und jetzt fragen Sie sich, wie die Bhagavad-gita die Neuroplastizität beeinflussen kann? Durch ihre Einladung, die Reise zur Selbsterkenntnis anzutreten und die durch Verletzungen entstandenen inneren Scherben wieder zum Ursprung, zu der Einheit unseres Körpers, Geistes und unserer Seele zu transformieren. »Yoga is the journey of the self, through the self, to the self.« – Bhagavad-gita

Die Suche nach dem wahren Selbst

Wie das Gehirn sich anpassen und ein Trauma heilen kann

Neuroplastizität bezieht sich auf die Fähigkeit des Gehirns, sich ständig zu verändern und anzupassen. Früher glaubte man, dass das Gehirn im Erwachsenenalter festgelegt ist und sich nicht mehr verändern kann. Doch neuere Forschungen zeigten, dass dies nicht der Fall ist. Tatsächlich ist das Gehirn äußerst flexibel und kann sich sogar in hohem Maße regenerieren.

Der Psychologe Donald O. Hebb fand im Jahr 1949 heraus, dass sich unsere Gehirnverbindungen verändern können. Das nennt man synaptische Plastizität. Er stellte eine Regel auf, wie das Lernen im Gehirn funktioniert. Diese Regel nennt man die Hebbsche Lernregel. Donald O. Hebb schrieb darüber in seinem Buch »The Organization of Behavior«. Diese Entdeckung ist wichtig, um Menschen zu helfen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben und ihr Leben verbessern möchten.

Einer der Hauptmechanismen der Neuroplastizität ist die Bildung neuer Verbindungen zwischen den Nervenzellen, den sogenannten Neuronen. Diese Verbindungen werden durch wiederholtes Üben oder Lernen gestärkt. Wenn wir also eine neue Fähigkeit erlernen oder uns neuen Herausforderungen stellen, bildet das Gehirn neue Verbindungen, um diese Aufgaben zu bewältigen. Traumaüberlebende benötigen nicht nur neue Körperreaktionsmuster, sondern auch neue emotionale Muster, ein neues, gesundes Selbstbild und die Fähigkeit, sich neue Erlebnisse der Sinneswahrnehmung anzueignen.
Ein weiterer Mechanismus der Neuroplastizität ist die Umorganisation der bestehenden neuronalen Schaltkreise. Das bedeutet, dass sich die Funktion bestimmter Bereiche des Gehirns verändern kann. Wenn beispielsweise eine bestimmte Region des Gehirns aufgrund einer Verletzung nicht mehr richtig funktioniert, kann eine andere Region diese Funktion übernehmen.

Dieser Prozess wird als funktionelle Umorganisation bezeichnet und ist ein wichtiger Aspekt der neuroplastischen Heilung.

Für Menschen mit Traumaerfahrung aus der Kindheit ist diese Eigenschaft der Neuroplastizität besonders von Bedeutung.

Dies ist nur der Anfang des Artikels.

Wieso diese Eigenschaft der Neuroplastizität die Auswirkungen des Traumas mildern und sogar heilen kann und welche Rolle Neurotransmitter und Hormone bei der Heilung spielen, erfährst du im vollständigen Artikel, der in Tattva Viveka 97 erschienen ist.

Tattva Viveka 97

Tattva Viveka Nr. 97

Inhalt der Ausgabe

Schwerpunkt: Trauma und Heilung
Erschienen: Dezember 2023

Gabor Maté – Vom Mythos des Normalen • Thomas Hübl – Trauma reduziert unsere Beziehungsfähigkeit. Adäquate Beziehung als Mittel zur Heilung von individuellem und kollektivem Trauma • Lea Loeschmann – Körperloses Bewusstsein kann nicht sterben. Von der Rückgewinnung des Urvertrauens ins Leben • Ronald Engert – Trauma und Heilung. Wie man an der Ursache ansetzt und nachhaltig heilt • Gabriella Rist – Wie Traumaheilung durch Neurophilosophie und Körperpsychotherapie gelingen kann. Die Suche nach dem wahren Selbst • Saskia John – »Erste-Hilfe-Koffer« bei Angst und Panik. Fünf wirksame Tipps zur Sofortmaßnahme • Prof. Dr. Niko Kohls – Die gesellschaftliche Akzeptanz von Achtsamkeit und Spiritualität. Ein Abbild des Bewusstseinsstandes der gegenwärtigen Gesellschaft Teil 2 • Sarah Rubal – Die Heimkehr der Göttin. Unsere mythische Heldinnenreise (Teil 1) • Christiane Krieg – Dein spiritueller Wegweiser durch die Raunächte. Öffne dich für deine Herzensvision • Martin Auffarth – Atem der Welt. Das Vaterunser in der aramäischen Muttersprache von Jesus • u.v.m.

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Zur Autorin

Die Autorin Gabirella Rist

Gabriella Rist, geb. 1972 in Ungarn, ist eine Überlebende und Expertin für Entwicklungstrauma und emotionalen Missbrauch. Gabriella ist Entwicklerin der Ganeshashala® Methode, Verlegerin und Autorin. Studium der Psychologie und der Neurowissenschaften, Körperpsychotherapeutin für Traumasensitives Yoga nach Dr. Bessel van der Kolk, Ashtanga- Yogalehrerin (BDY 500h), AYI® Advanced-Yoga-Therapeutin sowie ZPP-zertifizierte Entspannungspädagogin.

Webseite: ganeshashala.com

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