Los ojos del camino – Die Augen des Weges

Los ojos del camino – Die Augen des Weges

Ein Film von Rodrigo Otero Heraud
Peru 2016 | 88 Min. | Originalfassung (Quechua) mit deutschen Untertiteln

Start: 10.05.2018

Der Film ‚Augen des Weges‘ entführt uns durch eindrucksvolle Bilder in die Bergwelt der Anden und ihrer Bewohner. Er beginnt urplötzlich, ohne einführende Worte und Bilder. Auf einmal ist man in den Anden und begleitet diesen Mann, dessen Name nicht genannt wird, auf seiner Reise durch verschiedene Regionen der Anden. Als Zuschauer weiß man nicht, wo genau die Reise begonnen hat, noch wohin sie führen mag. Doch man geht mit, geführt von den Winden, dem Grün der Felder und den sanften Worten dieses Mannes, die direkt ins Herz gehen. Er spricht zu den Elementen, zu den Wassern, dem Wind und den Wolken. Für ihn sind sie alle beseelt und lebendig. Und sie alle lehren den Menschen, der ihnen zuhört, ein gutes Leben zu führen.

Er ehrt und heiligt sie nicht allein durch seine Worte, die voller Liebe und Hingabe sind, teilweise mehr an Gebete an das Leben erinnernd, sondern auch durch seine Lebensweise, die innig mit Mutter Erde und ihren Kindern verbunden ist.

Er schläft unter freiem Himmel, ob es regnet oder nicht. Man fühlt, dass für ihn alles gut ist. Man begleitet ihn auch durch andine Dörfchen, irgendwo in der weiten Andenregion. Fernab jeder Großstadt leben sie und halten ihre Zeremonien und Traditionen durch Gesänge, Tanz und traditionelle Kleidung lebendig. Auch durch ihren entbehrungsreichen Alltag wandeln wir, auf dem Felde während der Kartoffelernte. Er erzählt uns, dass die Arbeit ihn und seine Mitmenschen jeden Tag mit Freude erfüllt, da er dann bei Pachamama sein kann, ihr ganz nah und in sie mit seinen Händen eintauchend.

Sie leben mit, von und in Mutter Erde und sie verehren sie. Man fühlt und sieht ihre starke Verbundenheit und ihre Gefühle für Pachamama und all ihre Wesen. Der Mann sagt, dass die Menschen von Region zu Region ein anderes, eigenes Herz haben. Die Menschen, die auf dem Feld leben, haben ein eigenes Herz, und die, die in den Bergen leben, haben wiederum ein anderes, eigenes Herz. Die Herzen sind verschieden und das sei auch gut so.

Er unterhält sich mit anderen Männern, die von den Apus erzählen, mystische Wesen, die in den Anden leben. Sie können dem erscheinen, der mit offenen Augen und offenem Herzen wandert, und diesen in die Geheimnisse des Lebens einweihen, sowie in ihre Lebensform, die langsam verloren geht.

Auch die Krankheit, die die Menschheit in der Gegenwart befallen hat, wird angesprochen: Dass die Menschen nicht mehr teilen möchten, dass sie nicht mehr gemeinschaftlich leben möchten, dass ihr Herz ein Stein geworden ist, all dies versteht der Mann nicht, und wenn man seinen Worten lauscht, erkennt man die Entfremdung, der die westliche Gesellschaft anheimgefallen ist. Es ist nicht nur eine Entfremdung von der Erde und ihren Lebewesen, sondern auch eine Entfremdung von unseren Mitmenschen und uns selbst. Doch der Mann erhebt nicht den Zeigefinger, er belehrt nicht, sondern er möchte mit seinen Begleitern, den Zuschauern, seine Lebenswirklichkeit teilen. Das Herz ist ein zentrales Thema für ihn und es wird an unterschiedlichen Stellen darüber gesprochen: Dass die Menschen an verschieden Orten unterschiedliche Herzen haben oder dass auch Steine ein Herz haben. Das Herz begleitet uns durch unsere Reise. Man kann nicht sagen, dass es eine Herzlehre sei, sondern vielmehr eine Herz-Lebensweise, die wahrhaftig aus der Verbundenheit mit der Erde und dem Herzen entspringt und die für jedes Lebewesen nur das Gute möchte.

Er trägt das, was ihn in seinem Inneren berührt und begegnet, durch Bilder und Metaphern nach außen und lässt uns dadurch tief in sein Inneres blicken. Die Sprache des Filmes ist Quechua, eine indigene, andine Sprache, welche eine sehr bildreiche Sprache zu sein scheint, die das tiefe Verständnis sowie die genaue Beobachtung der Natur ihrer Sprecher wiederspiegelt. Dies wird von deutschen Untertiteln begleitet, was vom Zuschauer eine gewisse Aufmerksamkeit erfordert, da durchgehendes Mitlesen notwendig ist, um den Worten des Mannes folgen zu können.

Es ist ein durch und durch wundervoller und berührender Film, der durch grandiose Bilder und eine subtile und gleichzeitig verzaubernde Atmosphäre spricht und dessen Worte und Bildern mein Herz dankbar angenommen hat. Das Erlebnis dieses Films kann allen Menschen nahegelegt werden, denn seine Aussage ist sowohl universell wie auch hochaktuell in Zeiten von Umweltzerstörung und wachsender Entfremdung. Er erinnert uns an unsere Wurzeln und an das, was tatsächlich wichtig ist: ein Leben in Liebe und Verbundenheit mit allem, was lebt.

Alice Deubzer

 

 

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