Mystik und Mythos. Wenn das Unsagbare zur Sprache kommt.

Mystik und Mythos. Wenn das Unsagbare zur Sprache kommt.

Was uns die alten Götter noch zu sagen haben

Autor: Astrid Gutowski
Kategorie: Spiritualität
Ausgabe Nr: 52

Mythos und Mythen scheinen in einer modernen hoch technisierten Welt lediglich als naive Erinnerung an vergangene Zeiten, denn als Erfahrungs- und Wissensdimension. Feine Wahrnehmungen können hier nicht gegen harte Fakten ankommen. Muss das aber so sein? Oder ist das überhaupt wahr? Ein Symposium auf dem Benediktushof in Unterfranken möchte darüber Aufschluss geben.

Da betrat Prometheus die Erde, ein Sohn aus dem alten Göttergeschlecht, das einst von Zeus entmachtet und in den Tartaros verbannt worden war. Er hatte die Klugheit seines Vaters geerbt und wusste daher von dem göttlichen Samen, der im Boden schlummerte. Er nahm Ton und formte aus diesem Ebenbilder der Götter. Die Göttin Pallas Athene bewunderte sein Werk und beschloss, den Gestalten mit ihren göttlichem Atem den Geist einzuhauchen.
So waren die ersten Menschen entstanden.

 

Der Titan Prometheus, hier als Erschaffer des Menschengeschlechts, ist eine der vielgestaltigen Figuren aus dem Götterreich der griechischen Mythologie. Seit ewigen Zeiten versuchen Mythen, in all ihren mannigfaltigen, kulturellen Ausprägungen, eine Welterklärung, spirituelle Anbindung und Sinnstiftung für uns Menschen zu geben. Schon Goethe betrachtete den Mythos als »Menschenkunde in höherem Sinne« und meinte in ihm »die abgespiegelte Wahrheit einer uralten Gegenwart« zu spüren. So bedeuten Mythen ewig junge Geschichten von Krieg und Liebe, von Eifersucht und Neid, von Glaube und Wahrheit.

Astrid Gutowski - Was uns alte Götter noch zu sagen haben

Doch welche Gültigkeit haben die alten Mythen in unserer heutigen, hoch technisierten und pfeilschnellen Zeit? Haben sie uns überhaupt noch etwas Wesentliches mitzuteilen? Und wenn ja, welcher Sprache bedienen sie sich dabei? Gibt es überhaupt eine Sprache, um das Unaussprechliche, das Göttliche auch nur näherungsweise auszudrücken? Oder versagt hier nicht all menschliches Bemühen und verweist auf die Dimension der Mystik, einer allein möglichen Erfahrbarkeit der unio mystica, der mystischen Begegnung mit Gott?
All diese Aspekte und Überlegungen waren zentraler Diskussionsgegenstand des Symposiums »Mystik und Mythos – Wenn das Unsagbare zur Sprache kommt« auf dem Benediktushof (Unterfranken) im Frühjahr dieses Jahres. Der Theologe, Philosoph und Autor Christoph Quarch hatte mit Willigis Jäger, dem spirituellen Leiter des Benediktushofes, dazu eingeladen, mit Wissenschaftlern und Künstlern gemeinsam ein Wochenende lang darüber zu diskutieren und zu philosophieren, »was die mythologische Welt im Innersten zusammenhält«.

Bevor verschiedene Perspektiven aus den Bereichen der Traumforschung, der Psychologie, Theologie und Ethnobotanik vorgestellt wurden, ging es in den einführenden Vorträgen zunächst um eine Differenzierung der Begriffe »Mystik« und »Mythos«. Willigis Jäger bezeichnete in seiner Eröffnungsrede die mystische, kontemplative Erfahrung als einen transpersonalen Vorstoß, als ein »Einbrechen auf den göttlichen Seinsgrund«. Dies bedeute eine Seinserfahrung jenseits aller sprachlichen Begriffe, dies sei in der unio mystica die Vermählung mit Gott, das Erkennen des eigenen, wahrhaft göttlichen Wesenskerns.

Gibt es überhaupt eine Sprache, um das Unaussprechliche, das Göttliche auch nur näherungsweise auszudrücken?

 

Auch für Christoph Quarch bedeutet die Mystik der stille Weg, der Weg der Innerlichkeit, der letztendlichen Einkehr in das göttliche Sein. Allerdings räumte Quarch ein, das die Mystik häufig eine monastische, weltabgewandte Blickführung habe, der Mythos dagegen sich aber mitten im Leben, mitten in der Welt ereigne. Der Mythos suche die Begegnung mit dem Göttlichen im Außen, in den alltäglichen Geschehnissen und in ihren Gestalten. So verhalten sich für Quarch beide Begriffe komplementär und gleichzeitig konträr zueinander.

Astrid Gutowski - Was uns alte Götter noch zu sagen haben

Der Benediktushof in Holzkirchen

Wobei der Mythos den großen Vorteil für uns Menschen aufweist, so Quarch weiter, mit den ihm innewohnenden Kräften richtiggehend in Resonanz zu treten: »Mythos bedeutet für mich Leben in Hochpotenz. Weil dann diese Lebensmächte, die in den mythischen Gestalten und Göttern verdichtet sind, in uns selbst mächtig werden können. Dann kommen wir in die Tat eines Herkules oder in die praktische Klugheit einer Athene oder in die mäßigende Kraft eines Apollon«. Für Quarch sind mythologische Gottheiten richtiggehende »Stimmgabeln«, für deren Schwingungen wir uns öffnen können und diese gleichermaßen neue »Räume« in uns eröffnen, aus denen heraus neues oder anderes, erweitertes Handeln und Denken möglich wird.

Wir brauchen eine Spiritualität, die uns Ja sagen lässt zum ganzen Leben.

 

Bezogen auf den eingangs genannten Sprachaspekt spricht für Quarch der Mythos die »Sprache der Seele«. Ein jeder Mensch verfüge über verschiedene Bewusstseinsebenen und so gleichermaßen über mehrere sprachliche Ebenen. Er definierte sie wie folgt:

1. Dimension: das Körper-Bewusstsein
(Oberfläche, Körperlichkeit, Begrenzung)

2. Dimension: das Ich-Bewusstsein
(Ego, Ratio, Wille)

3. Dimension: das Seelen-Bewusstsein
(Emotionen, Träume, Unbewusstes, Schattenanteile)

4. Dimension: das Geist-Bewusstsein
(mystisches Bewusstsein, Alleinheit)

Das Seelenbewusstsein oder die »Sprache der Seele« lässt uns mit dem Mythos in einen ganz speziellen Dialog treten und ermöglicht uns, seine Wirkung und Bedeutung ganzheitlich zu erfahren und zu verstehen. »Der Mythos bedeutet eine offenbar gewordene Urerfahrung, die älter ist, grundsätzlicher und tiefer liegt als all unsere Wissenschaft und Logik. Da heraus und da hinein spricht der Mythos und spiegelt uns in all unserem Sein und Tun.«

[…]

Lesen Sie den kompletten Artikel in der TATTVA VIVEKA 52

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Astrid Gutowski
Mystik und Mythos
Was uns die alten Götter noch zu sagen haben

Mythos und Mythen scheinen in einer modernen hoch technisierten Welt lediglich als naive Erinnerung an vergangene Zeiten, denn als Erfahrungs- und Wissensdimension. Feine Wahrnehmungen können hier nicht gegen harte Fakten ankommen. Muss das aber so sein? Oder ist das überhaupt wahr? Ein Symposium auf dem Benediktushof in Unterfranken möchte darüber Aufschluss geben.
 

 

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