Trauma und Heilung

Trauma und Heilung

Wie man an der Ursache ansetzt und nachhaltig heilt

Autor: Ronald Engert
Kategorie: Psychologie
Ausgabe Nr: 97

Traumatherapien gibt es viele. Jede Methode verfolgt ihren eigenen Ansatz. Sie setzen im Denken, am Körper, an den Gefühlen oder im Spirituellen an. Eine Therapie, die alle Ebenen vereinigt, verspricht dabei den nachhaltigsten Erfolg. Dabei sollte das Hauptaugenmerk aber auf den Gefühlen liegen, denn sie sind der primäre Ort, an dem sich das Trauma manifestiert. In den beiden hier vorgestellten effektiven Ansätzen geht es darum, sich ehrlich zu zeigen und diese traumatischen Gefühle zu entladen.

Das Krankheitsbild

Ein Trauma ist eine komplexe Belastung, die schwer zu therapieren ist. Es handelt sich hier nicht um eine normale, alltägliche Verletzung, sondern um eine schwere und außergewöhnliche Verletzung. Diese kann körperlich sein, dann spricht man von einem körperlichen Trauma. Sie kann aber auch auf der emotionalen Ebene geschehen, zum Beispiel wenn wir als Kind von unseren Eltern chronisch vernachlässigt werden, verlassen werden, körperlich misshandelt werden oder sexuell, emotional oder spirituell missbraucht werden.

Als Kind haben wir kaum eine Chance, mit dieser Verwundung umzugehen oder uns vor ihr zu schützen.

Wir sind unseren Eltern hilflos ausgeliefert. Wir können nicht einfach gehen oder uns wehren. Als Kind verstehen wir überhaupt nicht den Unterschied zwischen einer liebevollen und guten Behandlung und einer lieblosen und schlechten Behandlung. Kinder bewerten nicht, sondern befinden sich im Zustand von Unschuld und Vertrauen. So werden wir als Kind geboren. Wir lieben unsere Eltern bedingungslos und akzeptieren das, was sie tun, als gegeben. Wir können es nicht unterscheiden und haben kein Urteilsvermögen.

Die Verletzungen unseres Körpers und unserer Gefühle finden aber dennoch statt. Als Kind merken wir es nicht so sehr, denn wir haben so viel Lebensenergie, dass wir diese Verletzungen und diesen Missbrauch irgendwie kompensieren können. Es ist aber keine wirkliche Verarbeitung oder Lösung des Problems, sondern eher eine Betäubung oder eine Dissoziation, das heißt das Kind spaltet sich von sich selbst ab. Diese Selbstabspaltung ist der Ursprung der meisten folgenden emotionalen und spirituellen Probleme, die ein Mensch haben kann.

Wenn wir uns nicht mehr mit uns selbst in Verbindung fühlen, wenn wir neben uns stehen, wenn wir nichts fühlen können oder uns zum Beispiel mit Süchten oder emotionalen Schutzmechanismen betäuben, liegt der Ursprung dessen in dieser Traumaerfahrung, die wir nicht anders bewältigen konnten als durch diese Selbstbetäubung oder Abspaltung.

Süchte sind somit Bewältigungsstrategien, um mit dem Schmerz, der Angst und der Scham umzugehen, die aus dem Trauma hervorgegangen sind.

Die Erinnerung an die Geschehnisse wird oft ins Unbewusste verschoben. Viele Betroffene berichten davon, dass sie sich an weite Strecken ihrer frühen Kindheit überhaupt nicht oder nur schemenhaft erinnern können. Das hat seine Ursache in einem Verdrängungsmechanismus, der uns vor diesen schmerzlichen Erinnerungen schützen soll. Auch wenn wir das Trauma und den ursprünglichen Schmerz nicht bewusst wahrnehmen können, ist diese Erfahrung dennoch in unseren Zellen und in unserer psychischen Identität gespeichert.

Das Trauma führt zu einer permanenten Stresssituation.

Die Erfahrung der Bedrohung, des Terrors und der Panik macht uns hochsensibel für ähnliche Situationen und hält uns in einem ständigen Modus der Alarmbereitschaft. Auf der physischen Ebene drückt sich das durch eine permanente Hormonflutung durch Adrenalin und Cortisol aus. Wir haben einen Dauerpegel von diesen Stresshormonen, der dazu führt, dass wir bei neu auftretenden, bedrohlichen, gefährlichen, belastenden Situationen keine Reserven und keinen Puffer haben, um mit diesen Situationen gut umzugehen. Wir sind sofort gestresst und überlastet. Das Leben wird zu einem ständigen Erschöpfungszustand. Wir haben wenig Energie und sind oft psychisch beeinträchtigt, zum Beispiel durch Angstzustände, Beziehungsprobleme, Minderwertigkeitskomplexe, Unsicherheit, Depressionen, Narzissmus oder Co-Abhängigkeit.

Wie man an der Ursache ansetzt und nachhaltig heilt

Die üblichen Therapien

So universell verbreitet die Traumata sind, so vielfältig sind auch die therapeutischen Ansätze und Lösungsvorschläge. Die allgemeinsten klassischen Zugänge sind die Gesprächstherapien. Hier wird auf der kognitiven Ebene versucht, den Betroffenen ein besseres Verständnis ihrer Probleme zu vermitteln, sodass diese kraft ihrer Einsicht und Vernunft verstehen, dass das Trauma schon längst vorbei ist und dass es gar nicht notwendig ist, weiterhin diese psychischen Beeinträchtigungen zu haben. Die Gefühle werden hier wahrscheinlich auch angesprochen, aber eher auf der kognitiven Ebene. Es wird eine Priorität des Denkens über das Fühlen angenommen, und die Idee besteht darin, dass man durch das Denken die Gefühle ändern kann. Dies ist ein großer Irrtum. Dazu später mehr.

Ein weiterer Zugang, der zunehmende Popularität gewinnt, ist der über den Körper. Moderne Körpertherapien gehen davon aus, dass das Trauma im Körper gespeichert ist und durch bestimmte Bewegungen oder die Atmung aufgelöst werden kann. Verspannungen sollen durch Yogastellungen oder durch andere Körperübungen gelöst werden. Das soll dann wieder auf die Gefühle oder das Trauma selbst zurückwirken, das sich dadurch auflöst. Hier wird die Ursache des Traumas oft nicht adressiert. Viele Therapeut:innen gehen davon aus, dass sich diese Gefühle überschreiben lassen.

Dies ist nur der Anfang des Artikels.

Welche weiteren Therapieansätze existieren und welche der Autor für am wirksamsten erachtet, erfährst du im vollständigen Artikel, der in Tattva Viveka 97 erschienen ist.

Tattva Viveka 97

Tattva Viveka Nr. 97

Inhalt der Ausgabe

Schwerpunkt: Trauma und Heilung
Erschienen: Dezember 2023

Gabor Maté – Vom Mythos des Normalen • Thomas Hübl – Trauma reduziert unsere Beziehungsfähigkeit. Adäquate Beziehung als Mittel zur Heilung von individuellem und kollektivem Trauma • Lea Loeschmann – Körperloses Bewusstsein kann nicht sterben. Von der Rückgewinnung des Urvertrauens ins Leben • Ronald Engert – Trauma und Heilung. Wie man an der Ursache ansetzt und nachhaltig heilt • Gabriella Rist – Wie Traumaheilung durch Neurophilosophie und Körperpsychotherapie gelingen kann. Die Suche nach dem wahren Selbst • Saskia John – »Erste-Hilfe-Koffer« bei Angst und Panik. Fünf wirksame Tipps zur Sofortmaßnahme • Prof. Dr. Niko Kohls – Die gesellschaftliche Akzeptanz von Achtsamkeit und Spiritualität. Ein Abbild des Bewusstseinsstandes der gegenwärtigen Gesellschaft Teil 2 • Sarah Rubal – Die Heimkehr der Göttin. Unsere mythische Heldinnenreise (Teil 1) • Christiane Krieg – Dein spiritueller Wegweiser durch die Raunächte. Öffne dich für deine Herzensvision • Martin Auffarth – Atem der Welt. Das Vaterunser in der aramäischen Muttersprache von Jesus • u.v.m.

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Zum Autor

Ronald Engert

Ronald Engert, geb. 1961. 1982–88 Studium der Germanistik, Romanistik und Philosophie, 1994–96 Indologie und Religionswissenschaften an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt/M., 1994 Mitgründung der Zeitschrift Tattva Viveka, seit 1996 Herausgeber und Chefredakteur. 2015–23 Studium der Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. 2023 Masterabschluss zum Thema »Mystik der Sprache«. Autor von »Gut, dass es mich gibt. Tagebuch einer Genesung« (2012) und »Der absolute Ort. Philosophie des Subjekts« (2 Bände, 2014 und 2015).

Blog: www.ronaldengert.com
Zeitschrift: www.tattva.de

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