Die transpersonale Dimension des Sterbens – Teil 2

Die transpersonale Dimension des Sterbens – Teil 2

Selbst, Ich und Ego

Autor: Dr. Sylvester Walch
Kategorie: Psychologie
Ausgabe Nr: 82

Dr. Sylvester Walch schildert uns, wie Meditation sein Leben verbesserte und wie genau unser Ego uns beeinträchtigt und beeinflusst. Um wirklich erkennen zu können, wer wir sind, müssen wir nach innen schauen und zur Stille zurückkehren. Dabei kommen wir zu mehr Klarheit, Wahrnehmungssensibilität und Verbundenheit mit uns selbst und der Welt.

Als ich vor einigen Jahren von einem Seminar nach Hause fuhr, überkam mich eine große Müdigkeit und innere Unruhe. In den zurückliegenden Monaten hatte ich viele Seminar- und Vortragsreisen hinter mich gebracht. Plötzlich merkte ich, wie ich mir in dieser Zeit selber fremd geworden bin. Blockiert, ausgelaugt und überlastet, ohne Zugang zu meiner inneren Quelle. Ich fühlte mich in meiner Haut nicht mehr wohl, hatte keine Lust mehr zu denken und sehnte mich nach einem ganz einfachen Leben.

Es erfasste mich eine große Sehnsucht, mich wieder auf das wirklich Wesentliche zu besinnen.

So entschloss ich mich, ein Meditationsretreat zu besuchen. Dort war alles für den »Weg nach innen« vorbereitet. Doch was passierte? Als ich am Abend ankam, hatte ich heftige Zahnschmerzen, blieb im Zimmer und konnte die Abendveranstaltung nicht besuchen. Ich schlief frühzeitig ein, die Zahnschmerzen verschwanden allmählich und ich fühlte mich am Morgen überraschend gut. Mit mir war etwas passiert. Ich ging in den Meditationsraum, setzte mich nieder und lauschte einem Mantra. Dabei folgte ich meinem Atem und ließ ihn freier und tiefer werden.

Die Gedanken wurden stiller und meine inneren Räume weiteten sich. Ich fühlte mich von etwas Größerem getragen, frei von Belastungen und liebevoll mit der Welt verbunden.

Es war ein mühevoller Weg, aber nur ein ganz kleiner Schritt: einfach innehalten, etwas tiefer atmen und die Öffnung nach innen geschehen lassen.

Das Selbst

Es gibt einen Begriff, der sowohl in der Psychologie als auch in der spirituellen Literatur für dieses Zentrum steht: das Selbst. Es ist sehr persönlich und gleichzeitig hebt es uns über den begrenzten Horizont der individuellen Strukturen hinaus.

Nach allgemeiner Überzeugung unterschiedlicher psychologischer Richtungen steht das Selbst einerseits für den Gesamtumfang der Person, also alles, was ich als zu mir gehörig wahrnehme, und andererseits für den wesenhaften Kern, also das, was den Menschen im Innersten zusammenhält.

Es gibt dem Individuum, durch seine beständigen Integrationsleistungen, die Sicherheit, bei allen Veränderungen, die es erfährt, gestern, heute, morgen das Gleiche zu sein, also eine unveränderte Subjektivität zu verkörpern. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn durch sichere Bindungserfahrungen in der Kindheit gute und stabile innere Strukturen aufgebaut wurden.

Die klinische Psychotherapie weiß, dass schwere psychische Störungen oft auf ein verletztes personales Selbst zurückgehen.

Die Heilung eines in seinen Grundfesten erschütterten Menschen vollzieht sich, wie wir wissen, nur in kleinen Schritten.

Erst das von pathologischen Belastungen befreite Selbst vermag, jene Kräfte zu mobilisieren, die die persönliche Entwicklung vorantreiben und zur kreativen Auseinandersetzung mit den Lebensumständen befähigen.

Es macht sich im Alltag als wegweisende innere Stimme, als Bauchgefühl bemerkbar. Auch befördert es jenes stabile Selbstvertrauen, das das Zutrauen zu anderen Menschen und damit die Verankerung im wirklichen Leben erst ermöglicht.

Mit dieser Öffnung zur Mitwelt erweitert und vertieft sich auch der Raum der inneren Erfahrung.

In dieser Fassung sind Auszüge aus dem Artikel wiedergegeben. Den vollständigen Artikel gibt es im Pdf, das unten bestellt werden kann.

Wer zu meditieren beginnt, wird freilich in der Anfangszeit auf größere Schwierigkeiten stoßen. Das frei schwebende Hineinhören in die Stille kann durch die Zerstreutheit des Bewusstseins zu erhöhten körperlichen Spannungen wie zu einem verstärkten Gedankenfluss führen. Gerade dann, wenn wir ruhig werden wollen, wird es zunächst lauter. Das ist normal, denn wenn wir innehalten, beginnen wir erst zu hören, wie viele Geräusche in uns sind. Es ist ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass die Sinne wach werden.

Meditation führt generell zu mehr Wahrnehmungssensibilität, Klarheit und Verbundenheit.

Wenn man nun die inneren Abläufe weder kommentiert noch bewertet, sie also einfach nur sein lässt, kann sich der Geist sammeln und tief in das Innerste seines Wesens versenken. Es kommt zunächst also darauf an, das, was uns 24 Stunden am Tag beschäftigt, loszulassen. Was gar nicht so einfach ist, denn wer bin ich dann eigentlich noch, wenn ich all das, dem ich sonst Bedeutung beimesse, beiseitelasse. Eine scheinbar bedrohliche Leere tut sich auf.

Doch durch das Zurücktreten des identifizierenden Bewusstseins und seine ausschließliche Fokussierung auf den gegenwärtigen Augenblick bemerken wir sehr bald, wie Sorgen, Pläne oder Frustrationen, die uns sonst intensiv beschäftigen, in den Hintergrund rücken.

Somit entsteht in uns ein Ort der Stille, der frei ist von alltäglichen Konflikten, Bewertungen und Erwartungen.

Unser Bewusstsein wird dadurch weiter und offener für das Hintergründige und Umgreifende.

Das ist jedoch eine Zumutung für das Ego, das gern vom Zentrum des Bewusstseins aus das Leben bewertet, kontrolliert und beherrscht. Um nicht an Einfluss zu verlieren, muss es eine Front gegen Erfahrungen aufbauen, die es infrage stellen könnten. Daher geht es auch in den meisten spirituellen Richtungen stets um das Zurückdrängen und letztlich um die Befreiung vom Ego.

Die transpersonale Dimension des Sterbens

Auf die Spur unseres Egos und unserer Egoverstrickung gelangen wir schon durch wenige und sehr einfache Fragen, wie zum Beispiel: Löst der Erfolg eines anderen in mir Neid aus oder erhöhen schlechte Nachrichten über andere mein Selbstwertgefühl? Manipuliere und kontrolliere ich Beziehungen, um Bestätigung zu erlangen? Reagiere ich gekränkt oder beleidigt, wenn mich jemand sachlich kritisiert? Lehne ich andere ab, wenn sie nicht so sind, wie ich sie gerne hätte?

Was sind die Folgen eines starken Egos?

In Situationen, in denen wir vom Ego dominiert werden, erleben wir uns verbissen, gierig, eifersüchtig, unversöhnlich, hart und abwertend. Wir hören nicht zu, halten gern an unseren Vorurteilen fest und beziehen unsere Sicherheit eher aus materiellen Werten und äußerem Ansehen. Das Ego deckt die innere Empfindsamkeit zu und lässt den natürlichen Strom anteilnehmender Gefühle versiegen. Die Folgen sind soziale Kälte, mangelnde Mitmenschlichkeit und fragmentierte Beziehungswelten, in denen keine verlässlichen und langfristigen Bindungen entstehen können.

Das Ego blockiert unsere kreativen Kräfte und macht uns taub für Intuitionen. Vor allem aber zeigt es sich im tiefen Misstrauen gegen alles, was einfach passiert.

Es hat zur Folge, dass wir uns einer kreativen Auseinandersetzung mit Lebensumständen, die uns voranbringen könnten, verweigern. Die Überbetonung des »Ich kann«, »Ich bin« und »Ich habe« führt früher oder später in eine Sackgasse. Dabei offenbart sich, dass vieles, was bisher wichtig war, wie etwa Prestige oder äußerliche Werte, auf Dauer nicht wirklich zufrieden macht, und wir beginnen, die Schieflage unserer Vorstellungen vom Leben zu erkennen. Das ist das, was spirituelle Richtungen des Ostens als Maya, als Täuschung bezeichnen, die die Notwendigkeit der Ent-täuschung herausfordert.

Diese Krise, die meistens in der Mitte des Lebens einsetzt, ist dann oft der Ausgangspunkt des spirituellen Suchens, das von der Frage »Wer bin ich wirklich?« motiviert wird. Dabei wirkt das Ego oft als Barriere auf dem Weg zur Selbstfindung.

Ähnlich wie bei der Arbeit an Widerständen in der Psychotherapie ist aber zu berücksichtigen, dass derjenige, der sich sich selber gegenüber mitfühlend und wertschätzend verhält, das Ego abbauen kann.

Wenn wir bereit sind, am Ego zu arbeiten, beginnt ein Prozess des Loslassens und Entdeckens, die innere Wahrnehmung wird intensiver, Fassaden beginnen, sich aufzulösen.

Wenn Sie mehr über das Ego erfahren möchten, können Sie den vollständigen Artikel als Pdf unten bestellen und herunterladen.

Es sind ungewohnte Wege, die sich auftun, wenn wir uns auf diese Einsichten einlassen. Wir dürfen aber fest darauf vertrauen, dass wir durch den Prozess der Bereitschaft zur inneren Verwandlung auch in unserem Alltag zu Furchtlosigkeit, Gelassenheit und tiefer Empathie befähigt werden. In diesem Offensein für Reifung und Wandel erfahren wir, dass das Leben mit seinen Krisen und Übergängen von einem sicheren überraumzeitlichen Wesensgrund getragen wird, der Sinnstiftung und Entwicklung erst möglich macht. So sind wir auch imstande, den Anruf jeden Augenblicks bewusst anzunehmen und auch unserem Ende versöhnt und gelassen entgegenzusehen.

Der Autor Dr. Sylvester Walch

Zum Autor

Sylvester Walch, Dr., geb. 1950. Studium der Psychologie, Psychiatrie und Philosophie. Lehrtherapeut für Integrative Therapie und Integrative Gestalttherapie. Gesamtleiter der Curricula für Transpersonale Psychotherapie und Holotropes Atmen sowie körperbezogene Psychotherapie. Er leitete über viele Jahre eine stationäre psychotherapeutische Einrichtung und hat Lehraufträge an verschiedenen Universitäten. Er verfasste zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten und Bücher, u. a. Die ganze Fülle deines Lebens, Vom Ego zum Selbst, Dimensionen der menschlichen Seele sowie Subjekt und Realität. Sylvester Walch verfügt über eine langjährige Meditationspraxis und entwickelte einen kulturübergreifenden psychospirituellen Weg, in dem seelische Heilung und geistige Praxis verbunden werden. Ehrenvorsitzender des IHTP.

Dies sind Ausschnitte aus dem Artikel.

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Die transpersonale Dimension des Sterbens (Teil 1-2) (PDF)

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Dr. Sylvester Walch
Die transpersonale Dimension des Sterbens

Sterben ist ein unverzichtbarer Teil des menschlichen Lebens. Kein Weg führt daran vorbei und es trifft jeden, dennoch wird in unserer Gesellschaft wie kaum über ein anderes Thema so sehr geschwiegen wie über den Tod. Für die transpersonale Psychologie stellt der Tod einen wesentlichen Bezugspunkt für die Reifung und Entwicklung des Menschen in vielerlei Hinsicht dar. Vom sogenannten Egotod über Nahtoderfahrungen bis zum Tod des menschlichen Körpers.
 

 

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