29 Nov »Erste-Hilfe-Koffer« bei Angst und Panik
Fünf wirksame Tipps zur Sofortmaßnahme
Autor: Saskia John
Kategorie: Psychologie
Ausgabe Nr: 97
Ängste kennt ein jeder von uns. Ob Existenzangst, Verlustangst, Leistungsangst oder die Angst vor Ablehnung, die meisten Menschen machen in ihrem Leben mit diesen oder ähnlichen Ängsten Bekanntschaft. Gut, wenn man in einer solchen Situation weiß, wo die Ängste herkommen, und wenn man die geeigneten Werkzeuge und Methoden an der Hand hat, um diese Ängste aufzulösen. Saskia John gibt in diesem Artikel dem Leser konkrete Tipps an die Hand, die genau dann helfen können, wenn man in eine Angstspirale gerät.
Herzrasen, Atemnot, Übelkeit: Die Angst hat viele Gesichter.
Mehr als zwölf Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer Angststörung.
Frauen sind deutlich häufiger davon betroffen als Männer. Oft sind es Krisen und Konflikte im Außen, die unsere verdrängten Ängste triggern. Hinzu kommt, dass unsere Gegenwart von Unsicherheit und Komplexität geprägt ist. Dadurch drängen persönliche und kollektive Existenzängste an die Oberfläche, deren Ursprung wir uns häufig nicht bewusst sind. Infolgedessen ist das Leben im Hier und Jetzt für viele Menschen anstrengend und belastend geworden.
In meiner Praxis erlebe ich viele Menschen, die mit ihren Ängsten und Sorgen kämpfen – und teilweise von ihnen komplett vereinnahmt werden. Das reicht von der Angst, allein zu sein oder nicht mehr genug Geld zu haben beziehungsweise sozial abzusteigen, bis zum Gespräch mit dem Chef oder der Chefin, das Panik auslösen kann. Grundsätzlich ist es ratsam, die Ursache der Angst aufzulösen und nicht nur die Angst an der Oberfläche zu »bekämpfen«. Hier kann es sinnvoll sein, sich professionelle Hilfe zu holen.
Was du konkret tun kannst: fünf Erste-Hilfe-Maßnahmen
Kurzfristig kannst du fünf konkrete Dinge tun, wenn du in eine Angstspirale gerätst. Sie helfen dir, dich wieder zu beruhigen und zu entspannen.
- Gedanken-Stopp: Unterbrich das Gedankenkarussell und stabilisiere dich. Angst beginnt immer mit Gedanken. Wenn deine Gedanken anfangen, sich um die Angst zu drehen, und du bemerkst, wie dein Herz rast oder das Atmen dir schwerfällt, dann stell dich ihnen bewusst gegenüber. Sag laut und deutlich »Stopp«. Im Anschluss lenkst du deine Gedanken bewusst auf ein anderes Thema – auf etwas, das dir guttut, etwas, das dich entspannen und durchatmen lässt. Wenn die Gedanken wieder zu kreisen beginnen, wiederhole das »Stopp« mit noch mehr Entschlossenheit und Klarheit.
Der bewusste Gedankenwechsel stabilisiert dich und verhindert, dass du immer weiter in die Angstspirale abrutschst und in Panik gerätst.
- Realitätscheck – so holst du dich in die Gegenwart zurück: Nachdem du deinen negativen Gedankenstrom unterbrochen hast, beginnst du, deine Umgebung bewusst wahrzunehmen. Schaue dich im Raum um, in dem du dich befindest. Sage laut oder leise deinen Namen, wie alt du bist und wo du wohnst. Benenne alles, was du siehst. Beispielsweise, an der Wand hängt ein Bild mit einem Baum, neben dem Nachttisch steht eine Leselampe, die Vorhänge sind dunkelblau.Auf diese Art und Weise nimmst du die Realität um dich herum bewusst wahr. Das ist hilfreich, wenn die Angst die Wirklichkeit ausblendet und eine Gefahr signalisiert, die in den allermeisten Fällen real nicht vorhanden ist, sondern nur in deinem Kopf existiert: in Gedanken, die sich auf die Vergangenheit oder Zukunft beziehen. Indem du deine Umgebung bewusst wahrnimmst, bringst du dein Bewusstsein in die Gegenwart und die Energie in deinen Körper zurück. Du kommst wieder auf dem Boden der Tatsachen an.
- Erde dich mit der Gehmeditation: Stelle dich aufrecht hin und fühle in deinen Körper hinein. Lenke die Aufmerksamkeit auf deine Füße. Beginne, den Boden unter deinen Füßen und den Zwischenraum zwischen Fußsohle und Boden zu fühlen. Sobald du dir dessen bewusst bist, beginne langsam zu gehen. Spüre beim achtsamen Gehen weiterhin den Boden unter deinen Füßen. Fühle die Muskeln in deinem Körper, die sich beim Gehen bewegen. Bemerke, wie sich dein Gleichgewicht mit jedem Millimeter verlagert. Laufe bewusst und sehr langsam, wie in Zeitlupe. Spüre, in welcher Körperhaltung du läufst, fühle, wie der Boden dir Halt gibt, wie er dich trägt, wie er dir einen sicheren Stand ermöglicht. Ein Beispiel dafür findest du im Video »Gehmediation« auf meinem YouTube-Kanal.
- Mit der Angst reden: ein Kissen als Symbol. Wenn die Angst dich weiter fest im Griff hat und du nicht mehr klar denken kannst, nimmst du ein Kissen in die Hand. Das Kissen steht für deine Angst. Du erinnerst dich, dass du erwachsen bist, schaust auf die Angst und redest mit dem Kissen wie mit einem kleinen Kind. Warum? Weil wir uns in der Angst meistens sehr klein fühlen. Du sprichst sozusagen mit deinem Inneren Kind und nimmst es in den Arm. Du kannst zu ihm sagen: »Ich sehe und fühle, dass du große Angst hast. Ich bin da.« Diese einfachen Sätze wiederholst du immer wieder wie ein Mantra. »Ich sehe deine Angst. Ich fühle deine Angst. Ich bin da.« In dem Moment, in dem du dich der Angst zuwendest und in einen gefühlten Kontakt mit ihr kommst, baut sie sich wieder ab und entgleist nicht weiter. Auf meinem YouTube-Kanal habe ich den Vorgang erklärt.Kombiniere diese Übung – je nach Notwendigkeit – mit dem Gedanken-Stopp, dem Realitätscheck und der Gehmeditation.
- Alternative: Wenn du das Kissen nicht in die Hand nehmen möchtest, legst du es zwei bis drei Meter vor dich auf den Boden oder auf einen Stuhl (je nach Gefühl auch noch weiter weg). So schaffst du mehr Raum zwischen dir und der Angst und kannst aus einer sicheren Distanz mit der Angst reden. Verwende die gleichen beruhigenden Sätze wie oben. Dabei kannst du, wenn die Angst sehr stark ist, weiterhin laufen. Laufe bewusst und langsam um das Kissen herum und rede weiter wie mit einem ängstlichen Kind. Welche der beiden Möglichkeiten hilfreicher für dich ist, gilt es auszuprobieren.
Dies ist nur der Anfang des Artikels.
Welche die fünfte Maßnahme ist, die die Autorin vorschlägt, und was man auf keinen Fall zu sich sagen sollte, erfährst du im vollständigen Artikel, der in Tattva Viveka 97 erschienen ist.
Tattva Viveka Nr. 97
Wähle: Einzelheft, Abo oder Tattva Members
Schwerpunkt: Trauma und Heilung
Erschienen: Dezember 2023
Gabor Maté – Vom Mythos des Normalen • Thomas Hübl – Trauma reduziert unsere Beziehungsfähigkeit. Adäquate Beziehung als Mittel zur Heilung von individuellem und kollektivem Trauma • Lea Loeschmann – Körperloses Bewusstsein kann nicht sterben. Von der Rückgewinnung des Urvertrauens ins Leben • Ronald Engert – Trauma und Heilung. Wie man an der Ursache ansetzt und nachhaltig heilt • Gabriella Rist – Wie Traumaheilung durch Neurophilosophie und Körperpsychotherapie gelingen kann. Die Suche nach dem wahren Selbst • Saskia John – »Erste-Hilfe-Koffer« bei Angst und Panik. Fünf wirksame Tipps zur Sofortmaßnahme • Prof. Dr. Niko Kohls – Die gesellschaftliche Akzeptanz von Achtsamkeit und Spiritualität. Ein Abbild des Bewusstseinsstandes der gegenwärtigen Gesellschaft Teil 2 • Sarah Rubal – Die Heimkehr der Göttin. Unsere mythische Heldinnenreise (Teil 1) • Christiane Krieg – Dein spiritueller Wegweiser durch die Raunächte. Öffne dich für deine Herzensvision • Martin Auffarth – Atem der Welt. Das Vaterunser in der aramäischen Muttersprache von Jesus • u.v.m.
Zur Autorin
Saskia John ist Therapeutin und Bewusstseinsforscherin und hat sich auf Traumaheilung und Innere-Kind-Arbeit spezialisiert. Als Heilpraktikerin und Autorin unterstützt sie seit mehr als 20 Jahren in ihrer Praxis Menschen auf ihrem persönlichen Weg zu Heilung und spirituellem Wachstum. In ihrer Heilarbeit geht es immer darum, dass die drei Ebenen Körper, Geist und Seele in Einklang kommen und eine Sprache sprechen.
Webseite: saskiajohn.de
YouTube: Saskia John
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