Parapsychologie im rationalen Zeitalter

Parapsychologie im rationalen Zeitalter

Außergewöhnliche Erfahrungen in der Psychotherapie

Autor: Dr. Sarah Pohl
Kategorie: Psychologie
Ausgabe Nr: 87

Unsere kritisch-rational eingestellte Gesellschaft lässt außergewöhnlichen, parapsychologischen Erfahrungen wenig Raum, doch nichtsdestotrotz machen viele Menschen unerklärliche Erfahrungen, mit deren Verarbeitung und Integration manche überfordert sind. Unter anderem aus diesem Grund schrieb Dr. Sarah Pohl ein Buch darüber, das sich sowohl an Psychologen und Seelsorger als auch an Menschen, die solche Erfahrungen gemacht haben, richtet und sich jenseits von ‚wahr‘ oder ‚nicht wahr‘ bewegt.

Dr. Sarah Pohl: Circa 75 Prozent der Menschen machen im Laufe ihres Lebens eine außergewöhnliche Erfahrung, wie Untersuchungen verschiedener Institute zeigten. Wenn man sich im eigenen Freundeskreis umhört, dann berichten viele, dass sie irgendwann etwas Unerklärbares erlebt hätten, sei es nach dem Tod von jemandem oder in anderen Zusammenhängen. Wir erlebten in der Parapsychologischen Beratungsstelle immer wieder, dass Menschen in unserer Kultur, die solche Erfahrungen gemacht hatten, sich sehr schwer damit taten, darüber zu berichten – aus Angst, in eine bestimmte Schublade gesteckt zu werden. Nach dem Motto: »Du bist doch ein Spinner, oder das hast du dir nur eingebildet.«

In anderen Kulturen nehmen solche Erfahrungen indes einen selbstverständlicheren Platz ein, man begegnet ihnen nicht mit Ächtung.

Tattva Viveka: In anderen Kulturen werden diese zum Teil auch als Gabe angesehen. Oftmals fallen die Konnotationen wesentlich positiver aus, oder?

Pohl: Genau, in manchen Kulturen wird es als Gabe oder als etwas Besonderes, als etwas Hilfreiches angesehen. Andere Kulturen pflegen teilweise einen unvoreingenommeneren Umgang damit.

Bei uns hingegen bleibt – im kritisch-rationalen Zeitalter – wenig Platz für außergewöhnliche Erfahrungen.

Das Buch ist auch eine Sammlung von vielen Fällen, die ich in den vergangenen acht Jahren, während ich dort arbeitete, begleitet habe. Oft waren die Menschen erst einmal froh, überhaupt einen Ansprechpartner gefunden zu haben. In unserem Versorgungssystem ist wenig Platz für solche Erfahrungen, allzu schnell werden Menschen pathologisiert. So wird manchmal auch unseriösen Anbietern Tür und Tor geöffnet, die teilweise Abhängigkeiten erzeugen oder Ängste schüren. Zum Beispiel können auf dem Esoterikmarkt gegen viel Geld Flüche aufgehoben werden, aber danach befinden sich viele immer noch an der gleichen Stelle.

Jenseits der Wahrheitsfrage

TV: Sie machen in Ihrem Buch eine Gratwanderung zwischen den Polen, ob diese Phänomene real sind oder psychologisch? Gibt es wirklich solche Effekte wie Telepathie?

Pohl: Darüber wird viel in der Wissenschaft und in der Forschung zu Parapsychologie diskutiert. Ich lehne mich in dem Buch ein wenig zurück und vertrete folgende Meinung: Wenn wir damit umgehen möchten,

ist es nicht unbedingt wichtig, ob sie real sind oder nicht. Es ist wichtig, zu sagen, dass ich das, was jemand so erlebt hat, erst einmal als dessen Wirklichkeit respektiere.

Ich maße mir nicht an, es besser zu wissen als der Erlebende selbst; ich war ja nicht dabei. Deswegen ist es wichtig, das Erlebnis als solches erst einmal zu wertschätzen. Im Weiteren geht es mir darum, herauszufinden, welche individuelle oder biografische Bedeutung das Erlebnis haben könnte.

Die Diskussion darum, ob echt oder nicht echt, ist auch ein Stück weit müßig, weil sich diese Phänomene kaum ins Labor bringen lassen. Sie treten oft spontan auf und haben ihre eigene Struktur. Bereits seit vielen Jahren wird dazu geforscht. Ich mache es mir ein wenig leicht und sage, dass ich mich in diesem Buch auf diese Diskussion nicht einlasse, weil es als Beraterin nicht meine Aufgabe ist, den Menschen zu sagen, was Wirklichkeit sei und was nicht bzw. was sie glauben sollten und was nicht. Ich gehe von einem konstruktivistischen Weltbild aus und respektiere die Wirklichkeitskonstruktion meines Gegenübers. Solche Erfahrungen können ein wichtiger Schlüssel sein.

Wie Betroffenen von paranormalen Erfahrungen im psychotherapeutischen Kontext geholfen werden kann, lesen Sie im vollständigen Interview mit Dr. Sarah Pohl. Dieses können Sie unten downloaden!

Der Umgang mit paranormalen Phänomenen

Mir ist wichtig, den Menschen immer einen Selbstbezug zu der Erfahrung zu vermitteln, ihnen also zu zeigen, dass dies irgendetwas mit der eigenen Person zu tun hat.

Pohl: Selbst wenn die Person glauben möchte, dass es ein Geist war, brauche ich nicht zu sagen: »Nein, Geister gibt es nicht«, denn das weiß ich schlichtweg nicht. Ich bleibe also in den Bildern des Klienten und ermuntere zur Frage, was der Geist durch die Phänomene möglicherweise mitteilen möchte. Wichtig ist es dabei, einen Selbstbezug herzustellen. Die Erfahrungen rücken immer wieder zum Menschen zurück.

Die Einkleidung der Erfahrung kann sogar nützlich sein und darf auch als Geist gesehen werden, oder als was auch immer. Das ist zweitrangig für die Frage, wie ich sinnvoll damit umgehe. Themen wie Kontrolle, Abgrenzung und Selbstwirksamkeit spielen beim Umgang mit solchen Erfahrungen eine wichtige Rolle.

Zudem bestehen für die unterschiedlichen Phänomene verschiedene Ansätze. Oft geht es um Themen wie Autonomie, Bindung oder Abgrenzung. Wenn jemand jedoch davon berichtet, verhext worden zu sein, ist der Weg ein anderer als beim Spuk.

Zentrales Thema bei Verhexung ist oft, sich selbst und die eigenen Grenzen besser zu spüren.

Erst wenn ein Gefühl der Kontrollierbarkeit zurückerlangt wurde, geht es um die Frage, wo die Ursachen liegen können. Manchmal ist ein Problem auch eine temporär systemstabilisierende Lösung. Unter diesem ressourcenorientierten Gesichtspunkt versuche ich, die außergewöhnlichen Erfahrungen zu betrachten. Die Frage ist dann: Wozu nutzen die Phänomene möglicherweise?

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Pohl: Über all die Jahre hat sich viel an meiner Haltung verändert. Anfangs ging ich recht skeptisch daran und interessierte mich eher für die Wahrheitsfrage und die Oberfläche der Phänomene als für die Betroffenen. Meine Haltung hat sich zum Beispiel dahin gehend geändert, dass ich mich nicht als Richter sehe. Ich richte nicht über ‚falsch‘ und ‚richtig‘. Auch denke ich, dass viel wichtiger als die Phänomene die Menschen sind, die solche Phänomene erleben, deren Biografie und individuelle Lösungsstrategien. Mich interessiert die Bedeutung, die die Menschen diesen Phänomenen zuerkennen.

Ich habe großen Respekt vor den Menschen und vor dem, was sie erlebt haben, und auch Respekt vor dem, was wir noch nicht wissen. Es ist wichtig, aushalten zu können, dass wir noch nicht alles erklären können und manches uns schlichtweg noch unbekannt ist. Manche Fragen dürfen offen bleiben. Das auszuhalten, ist nicht immer leicht, aber nützlich im Umgang mit Menschen, um keine vorschnellen Antworten zu liefern, sondern mit Menschen auch Hilflosigkeit oder Fragezeichen hinzunehmen.

Dies sind Ausschnitte aus dem Artikel.

Erfahren Sie mehr über die Integration von außergewöhnlichen Erfahrungen.

Lesen Sie die vollständige Fassung in Tattva Viveka 87 oder downloaden Sie diesen Artikel einzeln als ePaper für 2,00 € als ePaper erhältlich (Pdf, 6 Seiten).

Parapsychologie (PDF)

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Dr. Sarah Pohl
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Außergewöhnliche Erfahrungen in der Psychotherapie

Unsere kritisch-rational eingestellte Gesellschaft lässt außergewöhnlichen, parapsychologischen Erfahrungen wenig Raum, doch nichtsdestotrotz machen viele Menschen unerklärliche Erfahrungen, mit deren Verarbeitung und Integration manche überfordert sind. Unter anderem aus diesem Grund schrieb Dr. Sarah Pohl ein Buch darüber, das sich sowohl an Psychologen und Seelsorger als auch an Menschen, die solche Erfahrungen gemacht haben, richtet und sich jenseits von ‚wahr‘ oder ‚nicht wahr‘ bewegt.
 

 

Artikelnummer: TV087e_11 Schlagwort:

 
 

Zur Autorin

Dr. Sarah Pohl

Dr. Sarah Pohl, Diplom-Pädagogin, Systemische Paar- und Familienberaterin und Heilpraktikerin für Psychotherapie, leitet die Zentrale Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen des Landes Baden-Württemberg. Sie arbeitete acht Jahre in der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg und ist seit Langem als Referentin und Autorin in diesem Themenfeld tätig.

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