Zwischen Geheimnis und Humanismus

Zwischen Geheimnis und Humanismus

Autor: Frido Mann
Kategorie: Kunst, Musik & Literatur
Ausgabe Nr: 93

Frido Mann, Enkel des Schriftstellers Thomas Mann und Mitglied der Mann-Familie, skizziert in drei Phasen das sich verändernde Verhältnis Thomas Manns zur Religion – von der Konventionsreligion des gebürtigen Protestanten aus der großbürgerlichen Spätmoderne bis zum praktischen Engagement eines »Angewandten Christentums« in der »First Unitarian Church of Los Angeles« im kalifornischen Exil.

Rom, 29. April 1953. Thomas Mann wird im Vatikan von Papst Pius XII. in einer Audienz empfangen. Der 77-jährige hochgeehrte Schriftsteller aus dem protestantischen Lübeck schildert kurz darauf in seinem Tagebuch sein »rührendstes und stärkstes Erlebnis«: »Die weiße Gestalt des Papstes vor mich tretend. Bewegte Kniebeugung und Dank für die Gnade. Hielt lange meine Hand … Kniete nicht mehr vor einem Menschen und Politiker, sondern vor einem weißen geistlich milden Idol, das zwei abendländische Jahrtausende vergegenwärtigt … Darreichung der Hand. ›Ist das der Ring des Fischers? Darf ich ihn küssen?‹ Ich tat es.«

Wie soll man diese fast bühnen- oder filmreife Szene deuten? Als Ausdruck der Ergriffenheit im Sinne authentisch religiöser Gefühle? Oder ist es »nur« die Hochachtung vor der jahrtausendealten Kultur und dem Christentum als deren besondere Erscheinungsform? Und warum dann diese reichlich theatralisch wirkende Geste von Kniebeuge und Ringkuss? Was für eine verwirrende Doppelgesichtigkeit von Ernst und Spiel, Authentizität und ironischer Zurschaustellung. Besonders wenn man bedenkt, dass sich der Verfasser dieses Berichts darüber bewusst war, dass er über die Freigabe seiner Tagebücher für die Öffentlichkeit 20 Jahre nach seinem Tod verfügt hatte.

Thomas Manns Verhältnis zur Religion

Je weiter weg wir allerdings von diesem nur rund zwei Jahre vor Thomas Manns Tod von ihm selbst geschilderten Ereignis biografisch zurückgehen, desto vielfältiger wird das Bild von seinem Verhältnis zum Religiösen. Beim Rückblick durch die Jahrzehnte eröffnen sich mir drei verschiedene, zum Teil biografisch ineinandergreifende Phasen. Erstens: religiöse Indifferenz im Werk Thomas Manns bis nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Zweitens: eine sich erkennbar intensivierende Beziehung zur Religion auf literarischer Ebene bis Ende des Zweiten Weltkriegs mit Nachklang in der späten Erzählung »Der Erwählte«. Und drittens: Manns praktisches Engagement im Sinn einer »Angewandten Religion« beziehungsweise eines »Angewandten Christentums« in der »First Unitarian Church of Los Angeles« im kalifornischen Exil.

 

Die erste Phase – die Konventionsreligion

 

Als Repräsentant der dem Luthertum angehörigen großbürgerlichen Spätmoderne beschränkte sich beim jungen Thomas Mann wie bei seinen Eltern und Großeltern sein Verhältnis zu Kirche und Religion auf die Praxis einer reinen Konventionsreligion. Als Schüler schrieb er ein antiklerikales Drama mit dem Titel »Die Priester«, und wie viele intelligente Schüler erlebte er den lutherischen Religionsunterricht als langweilig. Und in seiner als Achtzehnjähriger verfassten Schrift über sein literarisches Vorbild, den Ironiker und Spötter Heinrich Heine, bekennt er sich zum »philosophischen Standpunkt«, dass die Wörter ›gut‹ und ›schlecht‹ als soziale Aushängeschilder genauso wenig eine philosophische Bedeutung haben wie die Wörter ›oben‹ und ›unten‹ im Raum (XI, 711). Nach dem Ende seiner Lübecker Jugendzeit stellt er auch seinen Kirchenbesuch endgültig ein (vgl. Hans Küng: in Walter Jens, Hans Küng. Anwälte der Humanität. München 1993, S. 89). Auch in seinem vor allem von einer romantisch ästhetizistischen Grundhaltung getragenen Frühwerk sind bis Mitte der Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts religiöse Tendenzen nur spurenhaft erkennbar.

Dies sind Ausschnitte aus dem Artikel.

Welche Wandlung Thomas Manns Verhältnis zur Religion in der folgenden zweiten Phase erfuhr und wie sich das in seiner Literatur wie dem Roman »Der Zauberberg« niederschlägt, verrät dir der Autor im vollständigen Artikel, der in Tattva Viveka 93 erschienen ist. Bestelle dir jetzt die Ausgabe.

Tattva Viveka 93 - Das spirituelle in der Kunst

Tattva Viveka Nr. 93

Inhalt der Ausgabe

Schwerpunkt: Kunst und Spiritualität
Erschienen: Dezember 2022

Ronald Engert – Die Existenz ist anderswo. Der mystische Kern der Kunst • Cambra Skadé – Kunst als magischer Akt. Die Verbindung von Kunst, Magie und Heilen • Mike Kauschke – Werde wach mit allem. Poesie und Mystik im Gespräch mit dem Geheimnis • Dr. Thomas Anton Weis – Teilen als Synthese von Kunst und Spiritualität. Ein Integrationsprozess • Paula Marvelly – Das Leuchtende in der Kunst. Eine Meditation zu Nicolas Roerich • Alice Deubzer – Surrealismus und Magie – verzauberte Moderne. Ein Ausstellungsbericht • Frido Mann – Zwischen Geheimnis und Humanismus. Thomas Manns Verhältnis zur Religion • Alexandra Mann – Weltkloster – Begegnung durch Verbundenheit. Spiritualität als Brücke zwischen den Religionen • Tilmann Haberer – Von Gott und der Welt. Hat das Christentum heute noch Relevanz? • Dr. phil. Thomas Höffgen – Die Verteufelung der Natur. Religiöse Wurzeln unserer ökologischen Krise • Monika Alleweldt – Der Ruf der Erde an uns Menschen. Rückkehr zur Verbundenheit mit unserem blauen Planeten • Walter Benjamin – Die magische Sprache der Kraft. Wirkende Worte • Buchbesprechungen • u.v.m.

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Über den Autor

Unser Autor Fridp Mann

Dr. Frido Mann, geboren 1940 in Monterey/Kalifornien, arbeitete nach dem Studium der Musik, der Katholischen Theologie und der Psychologie viele Jahre als klinischer Psychologe in Münster, Leipzig und Prag. Er lebt heute als freier Schriftsteller in München.

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