24 Aug Die Amazonen
Freie Frauen – ein uraltes und modernes Thema im Spannungsfeld von Wissenschaft und Mythologie
Autor: Eire Rautenberg
Kategorie: Griechische und Aegyptische Antike
Ausgabe Nr: 88
In der Antike war die Existenz der weiblichen Gesellschaften unumstritten. Sie lebten überwiegend rund um das Schwarze Meer, weshalb man es damals auch das Amazonenmeer nannte und das Herrschaftsgebiet der Frauen allgemein respektierte.
Heute wird wieder einmal das infrage gestellt, was alte Quellen schon lange bezeugten. Wollen sich die Anhänger der angeblich seit zehn Jahrtausenden bestehenden Patriarchate gegenseitig bestätigen, aus Angst vor der politisch und gesellschaftlich seit dem Zweiten Weltkrieg wieder erstarkenden Freien Frau? Hat der seit 2.000 Jahren maßgebliche Einfluss der patriarchal orientierten christlichen Kirche alle gegenteiligen Aussagen ins Abseits gedrängt? Die Katholiken vergangener Tage rezitierten oft, dass die Frauen eine Gefahr seien, sündhafte Wesen in den Augen Gottes. Mit der Vorstellung von freien, von Männern unabhängigen Frauen wollten sie ›auf Teufel komm raus‹ geistig nicht umgehen. Wurden deswegen die europäischen Hexen verbrannt?
Allerorten und über Jahrhunderte fühlten sich die Christen von dem Freiheitswillen der Frauen bedroht.
Als Hebammen beherrschten sie die Themen Geburt und Tod, bis man ihnen auch dieses Privileg nahm. Die Amazonen der Antike saßen den männlichen Machthabern als geistiges Schreckgespenst vermutlich im Nacken, und eine derartige Blasphemie des strengen christlichen Glaubens, der auf einer festgelegten Ordnung von Mann und Frau basierte – von einem männlich gedachten Gott auf Erden gegeben –, durfte nicht infrage gestellt werden. Konnte nicht sein, was nicht sein durfte? All dies sind Fragen, die ich mir im Laufe meiner Forschung zum Thema Amazonen gestellt habe.
Lesen Sie im vollständigen Artikel all die Erkenntnisse und Antworten, die die Autorin nach langer Forschung rund um das Thema Amazonen gesammelt hat.
Die Amazonen – nur ein Mythos?
Es wurde in den letzten Jahrhunderten an europäischen Schulen gelehrt, dass es Amazonen nie gegeben hätte, weil sie nur mythologisch seien. Die Mythologie ist aber die Geschichtsüberlieferung aus früheren Zeiten, in denen es keine Schrift gab und vieles mündlich überliefert wurde. Eine spätere Ausschmückung des unwiderruflichen Wahrheitskerns jeder mythologischen Überlieferung ist impliziert.
Das Denken und Fühlen antiker und vorantiker Gesellschaften unterschied sich grundsätzlich und maßgeblich vom Denken und Fühlen der Moderne.
Obwohl das klar und anerkannt ist, findet dieser Umstand oft zu wenig Beachtung in modernen wissenschaftlichen Interpretationen.
Wissenschaftlicher Sachverstand muss mit tiefen Mythologiekenntnissen einhergehen.
Vielleicht entsteht dementsprechend ein neues Bild der legendären Geschichten und wir kommen dem Wahrheitsgehalt ein Quantum näher. Als freie Journalistin und geschichtlich interessierte Autorin würde ich mir wünschen, dass einiges von den Fachleuten neu überdacht wird, zumal es inzwischen unwiderlegbare Beweise für die frühere Existenz der Amazonen gibt, auch durch archäologische Funde.
Es gab zu allen Zeiten Frauen, die gegen das Patriarchat ankämpften.
In der Antike verteidigten sich Amazonenstämme in Afrika, in Mazedonien und in Syrien gegen Invasoren und kämpften gegen den revoltierenden, machthungrigen Sohn, den aufstrebenden Sonnengott, um das Matriarchat, ihre ureigene Kultur und die Religion der Großen Mutter zu bewahren.
Den meisten heutigen Menschen sind die Amazonen aus der griechischen Mythologie bekannt. Eine der letzten Schlachten, bevor sie ins Vergessen versanken, führten sie in Griechenland gegen griechische Männer. Diese Schlacht verloren sie letztlich, nachdem sie bis zum Tod gekämpft hatten. In Erinnerung an ihren Heldenmut wurden in ganz Griechenland Denkmäler errichtet, an den Orten, wo sie gekämpft haben und gefallen waren. Auch in der griechischen Kunst finden sich viele Darstellungen, in denen die Schönheit, die Stärke und der Mut der Frauen gepriesen werden.
Priesterinnen, Königinnen und Kriegerinnen in der Antike
Legenden erzählen, dass die Wildpferde zum allerersten Mal von Amazonen im alten Libyen (= heutiges Marokko) gezähmt und geritten wurden, und seitdem steht die Mondgöttin überall in Beziehung zu den Pferden. In den Mythen des Frauenvolkes wurde die Göttin oft als Stute verehrt. Auf Kreta zum Beispiel als Leukippe, die Weiße Stute, deren Priester kastriert wurden und Frauenkleidung trugen. Auch unter den Skythen sollen Männer freiwillig in den Dienst der Göttin getreten sein und Frauenkleidung getragen haben. Einige der Skythen ließen sich in Parthien nieder (im Norden des heutigen Iran), dem Jungfrauland, das nach der Göttin benannt war. Die Skythen wurden von Priesterköniginnen beherrscht, die gewöhnlich einzeln in reich ausgestatteten ›Kurgans‹ beigesetzt wurden. Im südlichen Russland wurden 1954 fünf Kurgans (Grabhügel/Tumuli) entdeckt. David W. Anthony schrieb 2007 über eine ähnliche Kurgan-Ausgrabung: »Etwa zwanzig Prozent der geöffneten Kurgans von Skythen- und Sarmatenkriegern auf dem unteren Don und unteren Wolga haben Frauen enthalten, die für den Kampf gekleidet waren wie Männer, ein Phänomen, das wahrscheinlich die griechischen Geschichten über die Amazonen genährt hat.« Nach Diodor kämpften skythische Frauen »wie Männer und sind ihnen in keiner Weise an Tapferkeit unterlegen«. Skythische Priesterinnen waren alt und grauhaarig, repräsentierten also wohl den Aspekt der Schwarzen Alten, den letzten Aspekt der Dreifaltigen Göttin. Sie benutzten die sogenannte Mondsichel, eine langstielige Form der Sichel, die Sense des Todes, die im Englischen heute noch ›scythe‹ heißt, als Waffe bei religiösen Zeremonien und in der Landwirtschaft. Die kleine Form der Mondsichel gebrauchten später auch die keltischen Priester, die Druiden, allerdings nur für rituelle Zwecke. Heutige initiierte Hexen tragen ebenfalls noch die kleine Sichel als Arbeitsmesser, die sogenannte Boline.
Mehrere antike Autoren verorten die Amazonen mit ihren Volkswanderungen von Zentralasien bis nach Afrika, wo sie – abgesehen von ihren großen Gebieten im Nordosten/Zentralasien und in Kleinasien (Anatolien/Kappadokien) – ein großes Reich gehabt haben sollen, ein sogenanntes Amazonien. Auch verschiedene Mittelmeerinseln sollen von den Amazonen eingenommen worden sein, so zum Beispiel Malta und Zypern, mit der überlieferten Stadtgründung von Paphos. Auch Tauros, Lemnos und Lesbos sollen rein weibliche Besiedelungen gehabt haben.
In welchen weiteren Gebieten in Kleinasien und Europa befanden sich weiblich geprägte Gesellschaften? Und lassen sich diese Thesen durch archäologische Funde stützen? Lesen Sie dies und vieles mehr im vollständigen Artikel. Unten können Sie das Pdf bestellen.
Letztlich ist die Bedeutung des Namens wissenschaftlich bisher nicht gesichert. Warum nicht? Für mich ist das nicht nachvollziehbar, da die mythisch-religiöse Bedeutungswelt dieser Frauen offensichtlich ist, sodass ich eine linguistische Annäherung wage: Die Bezeichnung des Volkes ist von altpersisch uma sonna abgeleitet, was Töchter der Uma (Mondgöttin) bedeutet. Uma entstammt indoarischen Sprachen, meint den gnädigen, mütterlichen, mondhellen Aspekt der Großen Göttin. In alten vedischen Zusammenhängen deutet der Begriff auf übersteigerte Askese in jeder Form, was grundsätzlich ebenfalls zu Amazonen passen würde. Ama/Amme (Mutter, Säugende) meint gleichbedeutend die Wortwurzel -uma. Uma heißt auch aktuell eine hinduistische Göttin, Beiname von Parvati, der Mutter der Welt, was ›die Segnende, Gnädige‹ oder ›die Glänzende‹ bedeutet. Der Sonnen-Aspekt der indischen Uma heißt Gauri. Parvati selbst nennt sich in der hinduistischen Mythologie Gauri (= die Blonde, Goldene, Helle, Glänzende, Weiße). Sie ist die ›Kuh des Gaur‹ (= Bos gaurus), ein Beiname von Varunas Frau (s. den iranischen Gott Varuna). Waren die Amazonen blondhaarig? In der iranischen Mythologie ist Ama eine weibliche Gottheit des Mutes und der Kraft, analog zum griechischen Kampfgott Ares. So ist es aus dem Avesta übertragen, dem heiligen Buch des Zoroastrismus. Es wäre logisch, wenn sich Amazonen selbst so gesehen hätten, da sie Ares (römisch: Mars) als männliche Variante von Mut und Kraft verehrten.
Zone wird allgemein mit (griech.) Gürtel übersetzt. Der ›Chiton‹, die kurze Bekleidung der Kampfweiber, wurde in der Mitte durch einen Gürtel zusammengehalten, in doppelter Gürtung mit dem vollständigen Wehrgehänge.
Amazone hieße in der ersten Version zusammengesetzt ›Gürtel der Großen Mutter‹ oder ›Kraftgürtel‹. In der griechischen Mythologie gibt es den Zaubergürtel der Amazonenkönigin Hippolyte. Ursprünglich soll der kostbare Gürtel dem Gott Ares (Mars) gehört haben, doch das scheint ein Ammenmärchen zu sein, denn sogenannte Zaubergürtel entwickelten sich frühzeitlich aus einer weiblich orientierten Symbolik, die später von männlichen Helden übernommen wurde. Hippolytes edler Gürtel wurde von Herakles entwendet, der deshalb viele ihrer Kriegerinnen tötete. (Anmerkung: In anderer Variante erinnert der Zaubergürtel an Donar-Thor, der ebenfalls einen ›Gürtel der Kraft‹ besaß und mit Ares-Mars verglichen wird. Der magische Gürtel lässt außerdem an das ›Halsband der germanischen Göttin Frija/Freia‹ denken: das ›Brisingamen‹.) (Anmerkung: In der nordischen Mythologie haben die sieben Zwerge den magischen Halsring aus edlen Steinen geschmiedet und der Liebesgöttin für den von ihnen gewünschten Beischlaf geschenkt.) Zone begreift man darüber hinaus als Region eines örtlichen Herrschaftsbereiches. Der gesamte Begriff Amazone hieße demnach in dieser zweiten stimmigen Version Reich der Großen Mutter.
Dies sind Ausschnitte aus dem Artikel.
Erfahren Sie mehr über die Frauen, die als Amazonen bezeichnet wurden, und die Verbreitung weiblich geprägter Gesellschaften in Europa und Kleinasien.
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Eire Rautenberg
Die AmazonenFreie Frauen – ein uraltes und modernes Thema im Spannungsfeld von Wissenschaft und Mythologie
In der Antike war die Existenz der weiblichen Gesellschaften unumstritten. Sie lebten überwiegend rund um das Schwarze Meer, weshalb man es damals auch das Amazonenmeer nannte und das Herrschaftsgebiet der Frauen allgemein respektierte.
Über die Autorin
Eire Rautenberg (geb. 1956 in Dortmund) schreibt seit ihrer Jugend Lyrik und Prosa, die in zahlreichen eigenen Werken, Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht wurde. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit ist sie als Freie Journalistin tätig. 1984 war sie Gründerin und Inhaberin der bekannten Buchhandlung Pentagramm in Dortmund. Als Verlagsvertreterin bereiste Eire NRW von 2003 bis 2006 und gründete 2007 ihre eigene Media-Agentur Rautenberg. Seit zehn Jahren ist sie als Dozentin im Bereich Literatur und Dichtkunst an Hochschulen tätig und leitet Seminare in den Bereichen Lebenshilfe und Naturreligion. Im September 2021 erscheinen zwei neue Sachbücher.
Alle Informationen finden Sie auf: www.eire-rautenberg.de
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