30 Aug Weltkrise und Weltformel
Von der Trennung zur Einheit
Autor: Ronald Kahle
Kategorie: Physik
Ausgabe Nr: 100
Bereits Werner Heisenberg hoffte, die Weltformel zu finden, eine Gleichung, die alle physikalischen Phänomene im bekannten Universum präzise beschreibt und verknüpft. Die Physik entdeckte alsbald, dass das Ganze mehr ist, als die Summe seiner Teile und dass der Mensch Teil der höheren Ordnungsstruktur der Natur ist. Evolution geschieht demnach, wenn sich der Mensch gegenüber dieser höheren Ordnungsstruktur hin öffnet und statt der Trennung von der Natur die Einheit mit ihr erfährt.
Aktuell befindet sich die Menschheit in der schwersten globalen Krise seit Menschengedenken. Das Artensterben hat ein Ausmaß angenommen, das seinesgleichen nur noch beim Aussterben der Dinosaurier findet. Der synchrone Verlauf zwischen Industrialisierung und globaler Veränderung ist augenfällig. Die Industrialisierung ihrerseits ist im Wesentlichen das Produkt physikalischer Erkenntnisse. Es ist darum legitim, die Frage nach der Mitverantwortung der Physik zu stellen. Wir wissen, dass die Physik bis heute kein abgeschlossenes Ganzes ist und sie die »Weltformel« noch nicht gefunden hat. Es muss also in Betracht gezogen werden, dass elementare Erkenntnisse noch fehlen.
»Du bist – und so wie du bist, bist du wertvoll und wunderschön, eben Natur«.
Die Physik ist, wie die Chemie, die Biologie, Medizin, Psychologie und Religion, ein Teilaspekt der Alchemie, die bis zur Zeit Newtons als Universalwissenschaft galt. Wenn sie auch heutzutage gern belächelt wird, so zeichnete sie sich doch durch die Verknüpfung der heutigen wissenschaftlichen Teildisziplinen aus. In komplexen Systemen ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile, das wissen wir heute. Das in der Alchemie noch vorhandene verbindende geistige Element ist durch ihre Zerstückelung verloren gegangen. Goethe gibt diesem Geschehen bildhaft Ausdruck, wenn er seinen Mephistopheles die Verse in den Mund legt:
»Wer will was lebendiges erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist herauszutreiben,
Dann hat er die Teile in der Hand,
Fehlt, leider! Nur das geistige Band.«
Da die Physiker in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der Entwicklung der Relativitäts- und Quantenphysik sehr elementare Prinzipien der Materie zu formulieren vermochten, hoffte Werner Heisenberg in absehbarer Zeit eine grundlegende Materiegleichung, die sogenannte Weltformel zu finden. Sein Physiker-Kollege Wolfgang Pauli, der die Arbeit daran anfangs mit großem Interesse verfolgte, hatte für die verfrühte Veröffentlichung der noch lückenhaften Ergebnisse 1958 nur Spott übrig. Gleichwohl sah auch er in der Physik das Potential einer umfassenden Welterklärung. Er vertiefte sich, im Austausch mit dem Psychologen C. G. Jung, in die archetypische Symbolik und die Alchemie, in der er den Versuch einer »psychophysischen Einheitssprache« vermutete. Diese alte Sprache scheiterte seiner Meinung nach, »weil diese auf die sichtbare, konkrete Realität bezogen wurde.« In der neuen Physik sah er nun ein geeigneteres Mittel, denn nun habe man in der »unsichtbaren Realität (der atomaren Objekte)« und einer gewissen Freiheit des »Beobachters« eine Parallele zu Vorgängen in der Psychologie des Unbewussten, die auch »nicht immer eindeutig einem bestimmten Subjekt zugeschrieben werden können.«
Die Einheit der Natur
1971 machte Carl Friedrich von Weizsäcker in seinem Buch »Die Einheit der Natur« auf einen bemerkenswerten Aspekt der Quantenmechanik aufmerksam: Quantenobjekte lassen sich nur durch Wechselwirkungen beschreiben. Solche Beschreibungen sind also das Ergebnis der Wechselwirkung der Objekte mit ihrer Umwelt. Es ist also im Grunde nicht sinnvoll, von »isolierten« Objekten zu sprechen. Objekte, die miteinander in Wechselwirkung stehen, bilden gleichsam ein Gesamtobjekt, dessen Teile sie sind. Ihre Wechselwirkung ist somit »die innere Dynamik eines aus den wechselwirkenden Objekten bestehenden Gesamtobjekts; das ursprünglich betrachtete Objekt ist in diesem Gesamtobjekt ›untergegangen‹.« Wasser zum Beispiel besteht aus einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen (H2O), aber aus Sauerstoff und Wasserstoff lässt sich Wasser nicht erklären. Was wir als »Wasser« bezeichnen, ist das Ergebnis der miteinander wechselwirkenden Objekte Sauerstoff und Wasserstoff, anders ausgedrückt, die innere Dynamik des Objekts Wasser, die Wechselwirkung oder Zusammenarbeit seiner Teile. »Wasser« ist somit etwas über seine materielle Grundlage (Sauerstoff und Wasserstoff) Hinausgehendes und zeigt darum völlig andere Eigenschaften.
»Das von Carl Friedrich von Weizsäcker dargestellte System der »Einheiten« im Gesamtobjekt ist klar, einfach und in seiner unmittelbaren Erfahrbarkeit überzeugend.«
Carl Friedrich von Weizsäcker schloss darum weiter:
»Das Objekt wäre nicht Objekt in der Welt, wenn es nicht durch Wechselwirkung mit ihr verbunden wäre. Dann aber ist es strenggenommen gar kein Objekt mehr. Wenn es etwas geben könnte, was in Strenge ein quantentheoretisches Objekt sein könnte, dann allenfalls die ganze Welt.«
Das gleiche Bild lässt sich im Hinblick auf kybernetische oder biologische Regelkreise zeichnen. Die über Rückkopplungen zusammenwirkenden Zellen, Organe, Lebewesen und Ökosysteme bestimmen mit ihren Reiz-Reaktions-Schemata den aktuellen Gleichgewichtszustand der sie jeweils umfassenden nächsthöheren Ordnungen. Die aktuelle Klimakrise konfrontiert uns direkt mit diesem Sachverhalt. Nichts und niemand ist nur für sich selbst da. Alles lebt auf Kosten der Umwelt und ist im Gegenzug der Umwelt zum Dienst verpflichtet. Letzteres geschieht im animalischen Bereich unbewusst, instinktgesteuert. Dagegen zielt das menschliche Streben auf eine bewusste Mitwirkung an der schöpferischen Gestaltung der Lebensprozesse. Es ist darum selbstverständlich, wenn ein Unglück vermieden werden soll, dass sich der Mensch über die Art seiner Antriebe wird Rechenschaft geben müssen. Dies erfordert, dass Bewusstseinsniveau aus der animalischen Selbstbezogenheit zu einer übergeordneten Organisationsebene zu erheben, um in deren Dienst mitwirken zu können.
Die Einheit des Einzelnen
Hinsichtlich der Relevanz quantenphysikalischer Mikroereignisse für Objekte der Makrowelt wird zu Recht immer wieder darauf hingewiesen, dass die Quanteneffekte der vielen vergleichbaren Mikroereignisse sich gegenseitig ausmitteln würden. Diese Betrachtungsweise geht davon aus, dass ein Makroobjekt, etwa ein Waschbär, aus der Summe seiner Atome, das heißt seiner Mikroereignisse besteht. Das ist unbestreitbar, aber die materielle Substanz des Waschbären macht den Waschbären nicht aus. Wie oben am Beispiel des Wassers gezeigt, ist auch der Waschbär, als quantenphysikalische Einheit, das Ergebnis der inneren Dynamik der in ihm in Wechselwirkung stehenden untergeordneten Organstrukturen, wie Lunge, Leber, Herz und Gehirn. Auch er ist darum etwas über die materiellen Grundlagen Hinausgehendes und zeigt darum völlig andere Eigenschaften. Kommen diese Wechselwirkungen zum Erliegen, dann kann nicht mehr sinnvoll von einem aktuell physisch existierenden Waschbären gesprochen werden.
»Es gibt keine tote Materie – alles ist lebendig!«
Die Gesetze der Quantenphysik wurden im atomaren Bereich entdeckt, weil sie dort nicht mehr ignoriert werden konnten. Sie gelten für »Einheiten«, zum Beispiel Protonen, in denen Quarks miteinander wechselwirken, oder Atome, in denen die Kernbausteine (Protonen und Neutronen) und die Elektronen aufeinander einwirken. Diese im Allerkleinsten geltenden Gesetzmäßigkeiten sind sehr elementar und darum für alle »Einheiten« des Universums (wörtlich) bindend.
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Schwerpunkt: Die Verbindung von Wissenschaft & Spiritualität
Erschienen: September 2024
Dr. Stephan Krall – Vom Sein zum Bewusstsein • Prof. Dr. Thomas Metzinger – Der Elefant und die Blinden (Teil 2) • Dr. Justina A. V. Fischer – Kann man der Künstlichen Intelligenz ethisches Verhalten beibringen? • Ronald Kahle – Weltkrise und Weltformel • Ronald Engert – Erfahrung, Erkenntnis, Erleuchtung • Svenja Zuther – Die Weisheit der Pflanzen • Sukadev Bretz – 30 Jahre spiritueller Aktivismus • Dr. Annette Blühdorn – »Hab so eine Sehnsucht, mich aufzuspüren« • Dr. Ilona Schönwald – Das vererbte Trauma • Buchbesprechungen • u.v.m.
Zum Autor
Ronald Kahle war beruflich als Ingenieur tätig, ist freier Buchautor und hat sich seit 1983 im Rahmen des Lectorium Rosicrucianum mit den elementaren Lebensfragen der Menschheit auseinandergesetzt.
Ronald Kahle
Weltformel Seele
Quantensprung der Evolution
428 Seiten, EUR 24,75
Hardcover
tredition, Hamburg
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