Erfahrung, Erkenntnis, Erleuchtung

Erfahrung, Erkenntnis, Erleuchtung

Wie wir zu Wissen kommen und was wir wissen können

Autor: Ronald Engert
Kategorie: Bewusstsein
Ausgabe Nr: 100

Die Menschen verlieren sich in ideologischen Glaubenskriegen und zerstören so sich und die Welt. In den Diskussionen auf den diversen gesellschaftlichen Ebenen (Politik, Wissenschaft, Religion u. a.) besteht kein Bewusstsein davon, wie die gemachten Aussagen überhaupt entstehen. Welche Instanz bringt diese Erkenntnisse hervor und wie? Was ist der Unterschied von Fakten und Meinungen? Wie entstehen »alternative Fakten«? Was ist objektives Wissen? Wer hat die Wahrheit? Vielleicht ist es an der Zeit, sich über die Grundstruktur unserer Erkenntnis klarzuwerden, um endlich zu echtem Wissen zu gelangen. Dazu gehört die eminent wichtige Synthese von Wissenschaft und Spiritualität. Philosophie ist die Metawissenschaft, die diese Synthese zu leisten vermag.

Wenn wir die Beziehung zwischen Wissenschaft und Spiritualität diskutieren wollen, müssen wir die Frage stellen, wie Erkenntnis überhaupt zu Stande kommt, d. h. wie können wir die Wirklichkeit erkennen. Erst dann können wir die Frage stellen, was denn Wirklichkeit ist.

Der Beitrag diskutiert einige Fragen der Erkenntnis und der Struktur der Wirklichkeit und soll in diesem Sinne für beide Weltanschauungen, die spirituelle und die wissenschaftliche, Grundbedingungen definieren. Dieser Aufsatz soll also im besten Sinne Philosophie sein, die die Tiefenstruktur unter diesen beiden Zugangsmethoden zur Wirklichkeit untersucht. Von dieser Tiefenstruktur aus dürfte eine Verbindung der beiden Welten möglich sein.

Die Frage des Was beschäftigt beide Welten, die Wissenschaft und die Spiritualität. Die Menschen wollen wissen, wer sie sind und was da draußen ist. Wissenschaft und Spiritualität streiten sich jedoch über die Methode, wie man zu dieser Erkenntnis kommt, und aufgrund unterschiedlicher Methoden kommen sie auch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Vielleicht obliegt es der Philosophie, diesen Streit zu schlichten und die Welten zu verbinden.

Theorie und Praxis

Für nicht wissenschaftlich ausgebildete Menschen wirkt der Begriff der Theorie oft fremd oder ist sogar negativ besetzt. Sofern man nicht direkt eine wissenschaftliche Ausbildung hat, weiß man in der Regel nicht so genau, was Theorie eigentlich ist, und sie hat eher die Aura des Komplizierten, Schwerverständlichen, Verkopften. Viele Menschen bevorzugen die Praxis, denn das ist etwas Handfestes, etwas, das man sehen und anfassen kann, etwas, das ein Ergebnis bringt.

Vielleicht ist der Begriff der Theorie auch zu speziell. Theorie bedeutet, allgemeiner formuliert, Wissen. Jede Form von Wissen, die wir aus der Welt ziehen wollen, beruht auf bestimmten gedanklichen Operationen und Erkenntnissen. Wir können nichts wissen, ohne zu denken. Auch um praktisch tätig zu werden, müssen wir zunächst wissen, was zu tun ist. Dieses Denken und Erkennen ist Voraussetzung dafür, uns in der Welt zurecht zu finden.

Das Wort ›Theorie‹ kommt aus der Religion. ›Theoros‹ hieß der Vertreter, den griechische Städte zu den Mysterienspielen entsandten (vgl. Habermas 1965, 1139). Seine Aufgabe war es, sich in die sakralen Darstellungen zu vertiefen und sein Bewusstsein auf die spirituelle Ebene zu erheben, um der Gemeinschaft zu Hause zu berichten und diese Anbindung an die Götterwelt zu pflegen. ›Theos‹ oder ›Deus‹ sind der griechische beziehungsweise lateinische Name für Gott, und im Sanskrit ist mit ›Deva‹ (gesprochen: Deua, vgl. lat: divinus) die gleiche Etymologie zu finden.

Naturgemäß betrifft die Frage des Wissens vor allem die Wissenschaft.

Aus dem Sanskrit kommt auch das Wort ›Prakriti‹ (p-r-k-r-t), das materielle Welt bedeutet und sich im Lateinischen als ›Praxis‹ (praktisch, p-r-k-t) wiederfindet. Der ›Purusha‹ (p-r-s, die Person, die spirituelle Seele, der Genießer) wiederum steht laut Bhagavad-gita der Prakriti gegenüber, nimmt sie wahr, genießt sie, verbindet sich mit ihr.

So bilden Theorie und Praxis eine untrennbare Einheit in uns als Person. Man kann sie auch Erkenntnis und Erfahrung nennen. Ohne Erfahrung haben wir keine Erkenntnis, aber ohne Erkenntnis wissen wir nicht, was wir praktisch tun sollen.

Schauen wir uns nun an, was die moderne Philosophie zu den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis zu sagen hat. Naturgemäß betrifft die Frage des Wissens vor allem die Wissenschaft. Hier liegen einige Grundvoraussetzungen, die auch für das Denken allgemein und für die Spiritualität gelten. Gleichwohl gibt es Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis, wo dann die Spiritualität Antworten geben kann.

Kritische Theorie

Der Philosoph Max Horkheimer (1895–1973) schrieb schon 1937 einen Aufsatz, in dem er mit der traditionellen Vorstellung von Theorie abrechnete und ihr eine neue ›kritische Theorie‹ gegenüberstellte. Zunächst definiert er, was Theorie im grundsätzlichsten Sinne ist: »Theorie gilt in der gebräuchlichen Forschung als ein Inbegriff von Sätzen über ein Sachgebiet, die so miteinander verbunden sind, dass aus einigen von ihnen die übrigen abgeleitet werden können.« (Horkheimer 1992, 205). Der Sinn von Theorie besteht darin, aus bestimmten Erfahrungswerten beziehungsweise empirischen Ergebnissen Schlussfolgerungen zu ziehen, um daraus weitere Erkenntnisse zu bekommen, die danach experimentell überprüft werden können. Zuerst beobachtet man, dann denkt man nach und entwickelt eine Prognose, wie etwas funktionieren könnte. Dann prüft man es wieder in der praktischen Erfahrung. Wenn diese abgeleiteten Sätze mit tatsächlichen Ereignissen übereinstimmen, dann ist die Theorie gültig.

»Als Ziel der Theorie überhaupt erscheint das universale System der Wissenschaft.« (205) Dabei wird eine Ordnung der Welt vorausgesetzt. Die Idee der Ordnung ist die grundlegende Hypothese, von der aus Sätze über die Welt abgeleitet werden.

Nun haben wir das Problem zu erklären, wo diese allgemeinsten Sätze ihren Ausgangspunkt haben. Wie kommt man beim Denken auf diese allgemeinsten Hypothesen, wie, dass die Welt geordnet ist? John Stuart Mill betrachtet die allgemeinsten Sätze, von denen die Deduktion ihren Ausgang nimmt, selbst noch als Erfahrungsurteile, als Induktion. Die Phänomenologie ordnet sie als evidente Einsichten ein, und die moderne Axiomatik sieht in ihnen willkürliche Festsetzungen (vgl. 206f.).

Wie wir zu Wissen kommen und was wir wissen können

Ein Erfahrungsurteil entspringt aus der praktischen Erfahrung, die der Mensch persönlich in seinem Leben macht, die dann von ihm verallgemeinert wird, um sie als ein allgemeingültiges Gesetz zu behaupten. Die phänomenologische Evidenz betrifft diejenigen Aussagen, die einfach so gültig sind, ohne dass man sie argumentativ oder empirisch beweisen oder von anderen Aussagen ableiten könnte.

Diese Arten von grundlegenden Aussagen befinden sich schon in großer Nähe zu Formen des Geistigen Sehens, also zu mystischen Erkenntnissen, die nicht auf rationalen und logischen Gründen beruhen, sondern in einer eigentümlichen Art und Weise evident sind. Genauso gut können solche basalen Aussagen aber auch willkürliche Setzungen sein, d. h., sie können beliebige Behauptungen sein, die auf der Phantasie und dem Wunschdenken desjenigen beruhen, der sie aufstellt. Hier ist eine genaue Unterscheidung notwendig. Da letztlich der Ursprung von Wissen auf diese Evidenzen zurückgeht, die nicht weiter auf andere Gründe zurückgeführt werden können, gibt es Sätze, die eben kein Wunschdenken, sondern richtige bzw. wahre Sätze sind. Sie werden, da sie nicht weiter auf andere Gründe zurückzuführen sind, als Axiom bezeichnet.

Ein Axiom ist ein elementarer Grundsatz, der nicht weiter beweisbar ist, z. B. »1 + 1 = 2«. Jedes Denken und jedes Ordnungssystem nehmen von solchen Axiomen ihren Ausgang. Der Satz »der Kosmos ist geordnet« ist ein solches Axiom. Der Satz wird einfach gesetzt oder angenommen. Daraus entsteht dann ein Weltbild, sei es wissenschaftlich, politisch oder religiös.

Natürlich geht es bei Wissenschaft dann darum, diesen Satz zu beweisen. Hierfür werden empirische Ergebnisse miteinander verglichen. »Dass alle Teile durchgängig und widerspruchslos miteinander verknüpft sind, ist die Grundforderung, die jedes theoretische System befriedigen muss.« (207) Die Richtigkeit einer Theorie ergibt sich also durch die Widerspruchsfreiheit der verschiedenen Sätze der Theorie.

Was wir im Außen als ›Tatsache‹ wahrnehmen, geht schon durch den Filter unseres Geistes.

Viele Menschen, die unsauber denken und Tatsachen mit Meinungen vermischen, bauen ihre Argumentation auf scheinbar axiomatischen Setzungen auf, die aber schlichtweg Behauptungen sind, die auf vorangehenden Urteilen oder Vorurteilen beruhen. Dieses Problem findet sich in allen Glaubenssystemen, sowohl in den religiösen und spirituellen als auch in den politischen Bereichen. Wenn ich zum Beispiel eine autoritätskritische Haltung habe und dann die Behauptung aufstelle, ›Deutschland ist eine Diktatur‹, dann entspringt diese Behauptung aus meiner politischen Gesinnung und/oder meiner psychischen Disposition. Anschließend werden dann selektiv empirische Beobachtungen aus der Erfahrungswelt ausgewählt, um diese Aussage zu begründen (ein Beispiel für Deduktion). Ein ähnliches unzulässiges Vorgehen ist der ›anekdotische Beweis‹. Hier werden zwei oder drei Einzelfälle herausgegriffen und als auf alle Menschen zutreffend verallgemeinert, um dann Sätze zu begründen wie ›Die Schulmedizin ist Betrug‹ (ein Beispiel für Induktion).

In der Regel werden, mitunter unbewusst, erste allgemeine Sätze aufgestellt. Egal ob diese höchsten Prinzipien durch Wesensschau, Selektion oder willkürliche Behauptung gewonnen werden, in allen Fällen treten der Wissenschaftler ebenso wie der Laie mit allgemeinen Sätzen im Sinne von Hypothesen an die gegebenen Tatsachen heran. Dies ist der traditionelle Modus der Theorie und mit ihr des Denkens überhaupt.

Die empirischen Wissenschaften sind sich dieses Sachverhaltes oft nicht bewusst, da sie von den ›Tatsachen‹ bzw. ›Fakten‹ ausgehen. Inwieweit es unmöglich ist, eine Tatsache rein objektiv zu erkennen, wird in der Folge Gegenstand der Erörterung sein. Was wir im Außen als ›Tatsache‹ wahrnehmen, geht schon durch den Filter unseres Geistes und unterliegt den oben beschriebenen Voraussetzungen.

Je unwissenschaftlicher bestimmte Aussagen sind, umso wildere Behauptungen werden als Tatsachen dargestellt. In der Regel handelt es sich bei solchen Aussagen um Dogmatismus. Dogmatismus bedeutet hier, dass nicht das Interesse an Erkenntnis hinter der Aussage steht, sondern ein beliebiges weltanschauliches Interesse religiöser oder politischer Art oder eine durch Egoismus, Trauma oder sonstige psychische Dispositionen bedingte individuelle Deutung.

In der Regel liegt dieser vorurteilsbelastete oder parteiische Ursprung der Aussagen im Unbewussten und wird nicht als solcher erkannt. Man glaubt ›tatsächlich‹, das, was man denkt, sei die Wahrheit. Dieser Ursprung des sogenannten »bias«, des Vorurteils, müsste erkannt und offen benannt werden, dann könnte von einer Annäherung an objektives und unparteiisches Wissen gesprochen werden.

Wie wir zu Wissen kommen und was wir wissen können

Wissenschaft bemüht sich um die Aufdeckung dieser Zusammenhänge und um die Erfüllung des Anspruches auf Objektivität. Vielfach wird dieser Anspruch jedoch durch die Beschränkung auf die empirischen Daten und Fakten erreicht. Die höheren geistigen Ebenen der Ideen und der Metaphysik werden negiert. Der ganze Bereich der Metaphysik (also Fragen z. B. zu Freiheit, Seele, Gott, dem Wesen der Dinge) wurde von der modernen Wissenschaft ausgeklammert, weil man über diese Dinge keine verbindliche und valide Aussage im Sinne der Objektivität machen kann. Sie bleiben angeblich im Subjektiven und Beliebigen verhaftet. Dahinter steht das Axiom, dass nur empirisch gewonnene Daten wahr sind, also Wahrnehmungen mithilfe der Sinnesorgane und daran angelehnter Hilfsmittel wie Mikroskope oder Teleskope, kurz Messgeräte, die die menschliche Sinneswahrnehmung erweitern und verbessern. Man bezeichnet das dann als ›Messung‹.

Obwohl sich die Wissenschaft dadurch auf einen bestimmten Bereich der Wirklichkeit beschränkt, muss ihr dennoch als Vorteil zugutegehalten werden, dass sie sich überhaupt mit der Validierung von Wissen auf seriöse Weise beschäftigt. Weltanschauliche und demagogische Ansätze – und dazu gehören sowohl die politischen als auch die meisten religiösen, esoterischen und spirituellen Ansätze – erheben gar keinen Anspruch auf echte Validierung, da sie andere Interessen verfolgen. So gibt es im Bereich der neureligiösen Spiritualität neben der fehlenden wissenschaftlichen Ausbildung eine hohe weltanschauliche Aufladung, die von erkenntnisfernen Interessen ausgeht, zum Beispiel dem Wunsch nach Harmonie, Beendigung des Leidens, Reduzierung von Angst, Kontrollbedürfnis, Sendungsbewusstsein und ähnliches. In den traditionellen Religionen ist das Glaubensdogma selbst das treibende Interesse. In weltlichen Glaubenssystemen liegt unter dem Objektivitätsanspruch oft das Motiv der Machtausübung oder Machterhaltung.

Das Problem tritt aber bei diesen rein weltanschaulichen und demagogischen Ansätzen nur deutlicher zu Tage als in den Wissenschaften. Von dem Problem befreit sind die Wissenschaften selbst auch nicht. Nachdem man eine Hypothese ausgesprochen hat, gilt es, jedes Phänomen oder Exemplar an dieser Hypothese zu messen. Ein Problem tritt dahingehend auf, »ob im Einzelfall ein Exemplar des betreffenden oder eines verwandten Wesens vorliegt, ob es sich um ein schlechtes Exemplar des einen oder ein gutes der anderen Gattung handelt.« (209f.) Es stellt sich also die Frage, wie man die Einzelfälle in das allgemeine Gesetz einordnet. Passt das Exemplar zu diesem Gesetz oder zu einem anderen? Ist es ein gutes oder ein schlechtes Beispiel? Hier ist für die Willkür ein Einfallstor geöffnet.

Theorie und Wissenschaft ebenso wie Religion und Politik können immer nur Annäherungen an die Wirklichkeit liefern.

Theorie und Wissenschaft ebenso wie Religion und Politik können immer nur Annäherungen an die Wirklichkeit liefern. Problematisch wird es, wenn die hinter den gefundenen Ordnungen angenommenen Hypothesen und Grundsätze im Unbewussten verborgen bleiben. Die Ordnung entsteht schon durch unser Denken. Es ist deshalb notwendig, hinter die Theorie zu blicken, um die wahren Motive zu erkennen.

Wie geht Erkenntnis?

Beim Nachdenken über einen Sachverhalt versucht man, ein Muster zu erkennen und »Erfahrungsregeln« (210) aufzustellen. Auch in den historischen Wissenschaften wie zum Beispiel der Kulturwissenschaft, der Soziologie, den Wirtschaftswissenschaften und der Psychologie werden solche logischen Kalkulationen angestellt, zum Beispiel: Unter Voraussetzung bestimmter Umstände muss dieses oder jenes Ergebnis eintreten, und wenn sich ein Umstand ändert, entsteht ein anderes Ergebnis. Das Wissensmaterial wird geformt, um es in das Ordnungsgefüge der Hypothesen einzufügen. Aus diesem Procedere ist unser technischer und kultureller Fortschritt hervorgegangen. Es ist ein notwendiger Vorgang, der aber eine Gefahr in sich birgt, denn »soweit der Begriff der Theorie jedoch verselbstständigt wird, als ob er etwa aus dem inneren Wesen der Erkenntnis oder sonst wie unhistorisch zu begründen sei, verwandelt er sich in eine verdinglichte, ideologische Kategorie« (211). Es wird dabei übersehen, »dass die Änderung wissenschaftlicher Strukturen von der jeweiligen gesellschaftlichen Situation abhängt« (212).

Wie wir zu Wissen kommen und was wir wissen können

Die Veränderung der wissenschaftlichen Erkenntnis geht nicht allein auf rein logische oder methodologische Elemente zurück. Die Menschen sind immer Kinder ihre Zeit, sie sind also historisch bedingt, und sie stehen unter dem Einfluss der gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen sie leben. Insbesondere die wirtschaftlichen und industriellen Verhältnisse bestimmen, welche Richtung und Ziel eine Forschung hat. »Die Beziehung von Hypothesen auf Tatsachen vollzieht sich schließlich nicht im Kopf der Gelehrten, sondern in der Industrie.« (213)

Dies betrifft nicht nur die Gelehrten, sondern auch die sonstigen Gebiete der kulturellen Arbeit. Auch wenn ein Gebiet wie die Spiritualität sich von der Gesellschaft abzuheben scheint oder sogar als Gegensatz verstanden werden will, ist es doch nicht selbstständig und unabhängig. Das wäre eben diese Idee, dass dieses ganze Wissen aus sich selbst hervorginge oder unhistorisch wäre. Auch wenn diese Formen nicht sonderlich produktiv innerhalb des gesellschaftlichen Systems zu sein scheinen, sind sie doch Teil des Ganzen und unterstützen das System.

Es ist wichtig zu verstehen, dass wir es nicht mit ewigen oder natürlichen Verhältnissen zu tun haben, sondern dass diese Theoriebildungen relativ zu der historischen und materiellen Situation entstehen. Die Idee von ewigen oder natürlichen Wahrheiten, die von Zeit und Raum unabhängig sind, wäre Metaphysik, und deshalb ist die Metaphysik von der historisch-kritischen Theorie dekonstruiert worden.

Die ewige Wahrheit ist die elementarste Größe im metaphysischen Denken.

Theoriebildung ist also immer abhängig von der Zeit, in der sie geschieht. Jeder Mensch ist historisch zu verstehen und verändert sich und sein Denken in Relation zu der Zeit, in der er lebt. »Niemand kann sich zu einem anderen Subjekt machen als zu dem des geschichtlichen Augenblicks. Das Reden über Konstanz oder Wandelbarkeit der Wahrheit ist streng genommen nur in polemischem Verstand sinnvoll. Es richtet sich gegen die Annahme eines absoluten, übergeschichtlichen Subjekts. […]« (256). Das absolute Subjekt würde mit einer unwandelbaren Wahrheit korrelieren. Die Frage, ob die Wahrheit wandelbar ist, stellt sich laut Horkheimer gar nicht. Wenn es dieses absolute Subjekt, dass über jeglicher historischen Veränderung steht, nicht gibt, dann gibt es auch keine ewige Wahrheit. Die ewige Wahrheit ist die elementarste Größe im metaphysischen Denken. Dies ist einer der fundamentalsten Kritikpunkte der Wissenschaft an der Metaphysik, und damit an der Religion.

Horkheimer unterliegt hier allerdings auch einem undialektischen Widerspruch in seinem Denken. Weil er die traditionelle Metaphysik als unhistorisch erkennt, zieht er die Schlussfolgerung, dass die Metaphysik als Ganzes obsolet ist.

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Schwerpunkt: Die Verbindung von Wissenschaft & Spiritualität
Erschienen: September 2024

Dr. Stephan Krall – Vom Sein zum Bewusstsein • Prof. Dr. Thomas Metzinger – Der Elefant und die Blinden (Teil 2) • Dr. Justina A. V. Fischer – Kann man der Künstlichen Intelligenz ethisches Verhalten beibringen? • Ronald Kahle – Weltkrise und Weltformel • Ronald Engert – Erfahrung, Erkenntnis, Erleuchtung • Svenja Zuther – Die Weisheit der Pflanzen • Sukadev Bretz – 30 Jahre spiritueller Aktivismus • Dr. Annette Blühdorn – »Hab so eine Sehnsucht, mich aufzuspüren« • Dr. Ilona Schönwald – Das vererbte Trauma • Buchbesprechungen • u.v.m.

Zur Autorin

Ronald Engert

Ronald Engert, geb. 1961. 1982–88 Studium der Germanistik, Romanistik und Philosophie, 1994–96 Indologie und Religionswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/M. 1994 Mitgründung der Zeitschrift Tattva Viveka, seit 1996 Herausgeber und Chefredakteur. 2015–23 Studium der Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. 2023 Masterabschluss zum Thema »Mystik der Sprache«. Autor von »Gut, dass es mich gibt. Tagebuch einer Genesung« (2012) und »Der absolute Ort. Philosophie des Subjekts« (2 Bände, 2014 und 2015).

Blog: www.ronaldengert.com / Zeitschrift: www.tattva.de

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