10 Feb Flüchtende Menschen
Mystik und Ethik der aktuellen Lage
Autor: Wolf Sugata Schneider
Kategorie: Politik
Ausgabe Nr: 66
Kein Thema beschäftigt Deutschland seit Monaten so sehr wie die Aufnahme von Flüchtlingen. Wolf Schneider macht die direkte Erfahrung, denn er hat in seinem Haus Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan aufgenommen. Dabei fragt er sich, was denn jenseits aller kulturellen Konditionierung das Menschsein ausmacht: Wer sind wir in unserer von allem Sozialen und aller kulturellen Konditionierung befreiten Nacktheit? In der Begegnung mit »den Fremden« können wir das erforschen. Als Reisende, die tief in fremde Kulturen eintauchen, können wir das – heute aber, mehr denn je, auch im eigenen Land.
Die Gastfreundlichkeit der Deutschen ist groß. Sie ist so groß, dass nicht nur wir selbst, sondern auch unsere europäischen Nachbarn darüber staunen. Was zeigen die sonst fast zwanghaft von Recht & Ordnung besessenen deutschen Quadratschädel da auf einmal der Welt für ein großes Herz? Andererseits schwillt inzwischen auch die Gegenbewegung an, die emotionale Abwehr gegen das Ausmaß dieser Migration. Immer weitere Kreise sprechen sogar von einer »Migrationswaffe«, die da auf uns arme Deutsche gerichtet würde. Grad waren wir noch großherzige Repräsentanten einer bisher kaum gekannten Willkommenskultur, nun scheinen wir über Nacht zum Opfer böser Kräfte geworden zu sein, die unser Land durch Überschwemmung mit Migranten vernichten wollen.
»Es ist kein Zufall« krakelen die Sprücheklopfer vom Dienst und wollen damit anderen weismachen, sie wüssten die realen Hintergründe. »Das wird mit uns gemacht! Lasst euch das nur nicht gefallen!«, raunen sie, schüren damit Misstrauen sowie latente oder offene Fremdenfeindlichkeit und präsentieren sich zugleich als Helfer bei der Wahrheitsfindung gegen die böse »Lügenpresse«.
»Lügenpresse«? Das Wort ist seit mindestens 200 Jahren in Gebrauch. Zu Zeiten der beiden Weltkriege hatte es Hochkonjunktur. Heute findet es vor allem unter denen wieder regen Zulauf, die nächtens vor den Bildschirmen sitzen und ihren Glauben nun statt der Tagesschau lieber Web-Adressen wie quer-denken.tv schenken. Das führt jedoch vom Regen in die Traufe. Dass man den Aussagen von Politikern mit Skepsis begegnen sollte, ist ja nicht neu. Auch ARD und ZDF können irren und tun das sehr oft. Ähnliches gilt auch für weniger monolithische Institutionen wie TheGuardian oder die New York Times. Ja, die Massenhypnosen des Mainstreams der sogenannten »seriösen« Medien sind megagefährlich! Das Hinüberlaufen zu den Schreihälsen am Rande der etablierten Medien garantiert aber noch kein realistischeres Weltbild und nicht einmal verlässlichere Quellen – die Nachrichtengläubigkeit bleibt.
Häutungen
Sollen wir unsere Heimat verteidigen oder uns öffnen gegenüber den Fremden? Auf der Ebene, auf der diese Fragen und Probleme entstanden sind, lassen sie sich nicht lösen. Eine pauschale Abschottung vor den vor Armut oder Krieg zu uns Fliehenden wäre brutal unmenschlich. Einfach die Grenzen zu öffnen andererseits würde in Kürze den Grund vernichten, aus dem diese Menschen überhaupt zu uns wollen: die Tatsache, dass wir hier einen einigermaßen funktionierenden Sozial- und Rechtsstaat haben. Zudem lassen sich die Armut in der Sahelzone und die Kriege in Nahost nicht durch noch mehr Militär, Polizei und bessere Grenzkontrollen von uns fernhalten. Von der Tatsache, dass wir im reichen Deutschland diese Konflikte miterzeugt, geschürt oder durch unsere Handelsbeziehungen mitgestaltet haben, mal abgesehen. […]
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Artikel zum Thema in früheren Ausgaben:
TV 19: Ronald Engert – 11. September. Afghanistan, Irak und die Verantwortung der westlichen Welt
TV 27: Prof. Dr. Johannes Heinrichs – Die spirituelle Dimension der Demokratie
TV 33: Nihal – Ich habe keine Freiheit. Eine junge Muslimin spricht über ihr Leben
TV 44: Helmut Gabel – Die Verfolgung der Sufis. Zur geistigen und politischen Lage des Iran
TV 48: Andreas Bummel – Soziale Evolution, Weltparlament und Bewusstsein
TV 62: Steven Sello – Buen Vivir. Die Politik des guten Lebens
Bildnachweis: © Route55 | Dreamstime.com
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Wolf Sugata Schneider
Flüchtende Menschen
Mystik und Ethik der aktuellen Lage
Kein Thema beschäftigt Deutschland seit Monaten so sehr wie die Aufnahme von Flüchtlingen. Wolf Schneider macht die direkte Erfahrung, denn er hat in seinem Haus Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan aufgenommen. Dabei fragt er sich, was denn jenseits aller kulturellen Konditionierung das Menschsein ausmacht: Wer sind wir in unserer von allem Sozialen und aller kulturellen Konditionierung befreiten Nacktheit? In der Begegnung mit »den Fremden« können wir das erforschen. Als Reisende, die tief in fremde Kulturen eintauchen, können wir das? Heute aber, mehr denn je, auch im eigenen Land.
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